„Für Eltern das Schlimmste“

von Redaktion

Fassungslosigkeit nach Unfalltod eines einjährigen Buben in Fürstätt

Rosenheim – „Ein tragischer, schlimmer Unfall“: Darauf deute alles hin, sagte Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern, gestern auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen. Der tödliche Sturz eines Kleinkindes aus dem dritten Stock eines Mehrfamilienhauses im Rosenheimer Stadtteil Fürstätt sei demnach nicht auf Fremdverschulden zurückzuführen. Der einjährige Bub war, wie berichtet, am Mittwochvormittag aus einem Fenster gestürzt und später im Klinikum seinen Verletzungen erlegen.

Oft kommt es
zu Schuldgefühlen

Wie tragisch, wie schlimm dieser Unfall ist, kann Dirk Scholz ermessen. Seine Tochter starb ebenfalls bei einem Unfall. Später gründete er gemeinsam mit seiner Frau „Verwaiste Eltern Rosenheim“, eine Selbsthilfegruppe für Eltern, die ein Kind verloren haben. „Wir wissen, was sich da abspielt“, sagt Scholz. „Der Tod des Kindes ist das Schlimmste, was Eltern widerfahren kann.“

So unglücklich die Verkettung der Umstände auch sein mag, für die Eltern macht das nichts einfacher, sagt Scholz. „Wenn niemand da ist, der als Schuldiger ausgemacht werden kann, dann landen Eltern sehr oft bei sich selber.“ Der Versuch, eine Erklärung für das Unfassbare zu finden, führe oft zu Schuldgefühlen.

In Fürstätt sprach sich das Unglück schnell herum. Es dürfe nun keinesfalls sein, dass die Familie isoliert bleibe, sagt Hannelore Maurer, Gemeindereferentin an der Stadtteilkirche Rosenheim Inn. Man dürfe die Eltern nicht sich selbst überlassen, „nur weil man Angst hat, nicht die richtigen Worte zu finden.“

Auch Dirk Scholz rät, für die Eltern da zu sein. Nicht, um Ratschläge zu geben, erst recht nicht, um etwas lösen zu wollen – „denn das kann man nicht lösen“. Aber zuhören solle man. Und auch praktische Hilfe leisten. Denn auf die Eltern stürme, noch bevor sie ihren Schock verdaut haben, eine Menge an Herausforderungen ein. „Die andern, die Menschen in der Umgebung, müssen aus ihrem Schneckenhaus kommen“, sagt Dirk Scholz. „Den Eltern fehlt die Kraft dazu.“ Die Hilfe könnte längere Zeit nötig sein, weiß Hannelore Maurer. „Man muss schnell funktionieren“, das erwarte die Gesellschaft so. „In Wirklichkeit aber kann man das nicht.“

Dirk Scholz und seine Frau Sigrid verloren ihre Tochter 1989, sie war acht Jahre alt, als sie an der Kappe eines Filzstiftes erstickte. Sie besuchten über zwei Jahre lang eine Selbsthilfegruppe, bevor sie vor 20 Jahren die „Verwaisten Eltern Rosenheim“ gründeten. Eltern von gut 180 verstorbenen Kindern haben sie seitdem beigestanden, ihnen zugehört und nach Möglichkeit Halt gegeben. Die Katastrophe, die das Leben der Eltern in ein Davor und ein Danach teilt, kennen sie aus vielen Erzählungen. Die Zeit heile keine Wunden, sie lehre nur, besser mit der Tragödie umzugehen. „Eine Resttrauer bleibt, und das ist eigentlich auch gut so“, meint Scholz. „Es ist das, was uns mit unseren Kindern noch verbindet.“

Informationen zu „Verwaiste Eltern“ gibt es im Internet unter www.verwaisteelternrosenheim.de

Nachforschungen der Polizei: Ermittlungen sind bei Unfällen Vorschrift

Wenn ein Mensch stirbt, muss ein Arzt den Tod feststellen. Wenn dieser Arzt keinen natürlichen Tod durch Alter oder Krankheit bescheinigen kann, ist die Polizei nach dem Gesetz dazu verpflichtet, zur Klärung des Todesfalles Ermittlungen durchzuführen. Das kann der Fall sein, wenn die Todesursache nicht ohne Weiteres festzustellen ist. Oder bei Fremdverschulden. Oder eben auch bei einem Unfall wie dem tödlichen Sturz des einjährigen Buben aus dem dritten Stock eines Mehrfamilienhauses in Rosenheim. Aus diesem Grunde habe die Polizei unter Sachanleitung der Staatsanwaltschaft dort ermittelt, sagte Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Anzeichen für ein Fremdverschulden seien dabei nicht festgestellt worden.

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