Rosenheim – Diplomstatistiker Christian Rindsfüßer vom Institut für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS) aus Augsburg wartete mit Zahlen auf, die aufhorchen ließen. Bis 2040 wird die Bevölkerung im Landkreis um etwa 18500 Menschen auf rund 279000 Einwohner wachsen. Während in diesem Zeitraum die Zahl der unter 20-Jährigen voraussichtlich stagnieren werde und bei den 20- bis 59-Jährigen ein Rückgang von drei bis vier Prozent zu erwarten sei, sei der Trend bei den älteren Menschen genau gegenläufig.
Plus von
38 Prozent
Mit 30 Prozent Anstieg rechnen die Forscher in der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen, bei den über 85-Jährigen wird ein Plus von mehr als 60 Prozent prognostiziert. Bei den über 90-Jährigen geht man sogar von einer Verdoppelung des Bevölkerungsanteils aus. Bis 2031 wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen im Landkreis laut Rindsfüßer auf über 13600 steigen. Das entspricht einem Plus von rund 38 Prozent.
Bei der Debatte im Kreistag kristallisierte sich rasch ein zentraler Punkt heraus, der bei der Erstellung eines Pflegekonzeptes bedeutend ist. „Ambulant vor stationär“, brachte ihn Landrat Otto Lederer (CSU) auf einen kurzen Nenner. Nur so könne man die Herausforderungen meistern und den Bedürfnissen der älteren Menschen gerecht werden, sagte der Landrat. Der Landkreis sei in diesem Bereich „grundsätzlich bereits jetzt gut aufgestellt“, müsse sich aber mit den Realitäten auseinandersetzen.
August Voit (CSU) sieht die jetzt vorliegende Prognose „als ganz wertvolle Hilfe“. Ein Hauptproblem aus seiner Sicht: Wie kann man ehrenamtliche Helfer für die Betreuung gewinnen?
Jürgen Laupheimer, Sozialplaner des Landkreises, sieht einen Ansatz darin, Pflegebedürftige künftig länger zu Hause zu betreuen als bisher. SPD-Fraktionssprecherin Alexandra Burgmaier äußerte Zweifel hinsichtlich der Umsetzbarkeit eines solchen Ansinnens. „Dieser Weg entspricht nicht geraden den gesellschaftlichen Realitäten“, sagte sie mit Blick auf die immer weniger werdenden Familienverbände, in denen ein Pflegefall betreut werde. Flintsbachs Bürgermeister Stefan Lederwascher (CSU) plädierte für eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kommunen bei der Bewältigung des Pflegeproblems. „Sonst werden wir das nicht in den Griff bekommen.“ Martina Thalmayr (Bündnis 90/Die Grünen) hat Zweifel, dass die Pflegedienste die wachsende Zahl an Patienten bewältigen können. „Die haben jetzt schon extrem wenig Zeit.“
Fraktionssprecher Sepp Lausch von den Freien Wählern warf die Frage in den Raum, ob der Abbau bürokratischer Hürden und die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Leute durch den Gesetzgeber eine Linderung des Problems brächten. Sowohl Laupheimer als auch Rindsfüßer äußerten sich dazu sehr zurückhaltend.
Empfehlung des
Kreisausschusses
Für Landrat Otto Lederer steht auf jeden Fall fest, dass die Anzahl der Plätze für Tagespflege in den nächsten zehn Jahren im Landkreis fast verdoppelt werden müsse. Sebastian Friesinger (CSU) sieht das ähnlich und sprach von einem „gesamtgesellschaftlichen Problem“, das auch die Gemeinden betreffe. „Die müssen überlegen, ob sie nicht solche Einrichtungen bauen sollen. Diese dürfen dann aber nicht dem Diktat der Rendite unterworfen sein“, zeigte er einen Lösungsansatz auf.
Der Kreistag folgte einer ebenfalls einstimmigen Empfehlung des Kreisausschusses, die Analyse als bedarfsgerecht einzustufen. Beschlüsse zu Detailfragen wurden nicht gefasst.