Rosenheim – Die Abstimmung war nur noch eine Formalität. Oberbürgermeister Andreas März sah keine erhobenen Hände bei der Frage, ob es Gegenstimmen gibt. Das Konzept hat die Experten und Akteure überzeugt, was zugegeben auch überraschen würde, schließlich waren sie alle beteiligt. Mit der Abstimmung im Rücken, übergaben dann März und Landrat Otto Lederer, das von Stadt und Landkreis erarbeitete Konzept an die Regierungsvizepräsidentin von Oberbayern, Sabine Kahle-Sander, und den Ministerialbeauftragten Wilhelm Kürzeder: Rosenheim will Bildungsregion werden.
140 Seiten und
150 Experten
Begleitet von Gstanzl vom ehemaligen Volksmusikpfleger Ernst Schusser, die jeden der Redner kurz, prägnant und witzig einführten, gab es vor allem Lob. Die beiden politischen Leiter von Landkreis und Stadt begrüßten die etwa 150 Teilnehmer des zweiten Dialogforums „(digitale) Bildungsregion“ mit vielen warmen Worten: Stolz sei man, erklärten die beiden einhellig, dass die Region in so kurzer Zeit ein Konzept erarbeitet habe.
Zu verantworten hatte das Katrin Röber. In nur einem Jahr schaffte sie es, 140 Seiten vorzulegen.
Dafür wurden Arbeitsgruppen gebildet, über 150 Experten zurate gezogen und erst mal eine Erhebung gemacht, was denn alles da ist. Schließlich hört Bildung nicht nach der Schule oder Hochschule auf: „Bildung findet überall statt“, erklärt Röber gleich zu Beginn.
Der Bildungsbegriff wurde bewusst weit definiert, denn es soll nicht nur um Kinder oder junge Erwachsene gehen. „Ein passgenaues Angebot für Menschen in allen Lebenslagen und -altern“, wie Otto Lederer es analog zum Konzept formuliert.
Und da ist die Lage natürlich unübersichtlich und die Erhebung insofern als solche besonders wichtig. „Ein Zertifizierungsprozess dient auch der Kontrolle des Bauchgefühls“, wie Oberbürgermeister März erklärt. Er könne sehen, dass Bildung in Rosenheim großgeschrieben werde, aber um dies weiter zu verbessern, sei es wichtig, den Status quo zu betrachten.
Auch weil mit dem Konzept nicht gleich alles neu werden soll, wie Röber bei der Vorstellung erklärt. Ganz viel drehe sich um Vernetzung und Kooperationen.
Zum Beispiel könne man Schulübergänge erleichtern, indem Elternabende nicht nur für die eigentlichen Schuleltern stattfinden sollten, sondern auch für potenzielle Neuzugänge. Die Einladungen könnten etwa auch an Kindergärten oder Horte geschickt werden, deren Leitung sie dann an interessierte Eltern weiterleiten könnte.
Besonders bei dem hohen Druck, der auf Kindern und Eltern beim Schulübertritt nach der vierten Klasse lastet, könne mehr Information allen helfen.
Die demografische Entwicklung und deren Prognosen, die vorsehen, dass die Region weiter wächst, sind nicht außer acht gelassen worden. Für Neubauten im Bildungssektor soll ein Kompetenzkreis geschaffen werden, der sowohl architektonische Perspektiven wie auch pädagogische Aspekte und Barrierefreiheit im Blick hat und die Bauträger dementsprechend berät.
Aber auch außerhalb des schulischen Sektors soll viel passieren: So ist angedacht ein Zentrum für lokale Freiwillige zu schaffen, das Ehrenamtliche vermitteln und unterstützen will.
Bereits im Herbst startet ein Projekt mit der Technischen Hochschule zum Aufbau eines Bildungsportals. Mit der Unterstützung von Studenten soll eine Plattform entstehen, die einen genauen und vollständigen Überblick über alle Bildungsangebote von Kinderkrippen, Schulen bis zu Volkshochschulkursen und beruflichen Weiterbildungen bietet.
Das kleine Adjektiv digital in dem Konzept steht eigentlich für ein eigenes Siegel. Aber nicht zuletzt die Corona-Krise habe gezeigt, dass „digital untrennbar mit Bildung verbunden ist“, erklärt Röber. Natürlich wolle man das analoge Lernen stärken, aber die Digitalisierung gehöre heute genauso dazu. Bei der soll vor allem mehr vernetzt werden – auch ganz analog.
Zum Beispiel soll für Schulen ein Verleihzentrum für nicht im Alltag benötigte Geräte, wie etwa VR-Brillen, aufgebaut werden. Auch soll es mehr Dienstgeräte für Lehrer geben, das WLAN an Grund- und Mittelschulen soll weiter ausgebaut werden (bei Gymnasien und Schulen sei man schon sehr weit).
Aber auch die Medienkompetenz aller soll gestärkt werden. Durch ein pädagogisches Medienzentrum auf der einen Seite und Kurse auf der anderen. Diese sollen zum Beispiel für Senioren sein, wie etwa das Digital-Café der Caritas oder auch für Kleinkinder. Zwölf Kitas wollen sich an dem Projekt beteiligen.
Der Schlüssel für eine komplexere Welt
Der Ministerialbeauftragte Wilhelm Kürzeder gab im Anschluss einen kurzen Ausblick über das auf die Bewerbung folgende Prozedere: Nach einer Prüfung des Konzepts durch die Schulaufsicht, das Landesjugendamt und den Bayerischen Jugendring wird das Siegel durch den Kultusminister oder seinen Staatssekretär verliehen. Kürzeder freute sich über die Bewerbung: „Bildung ist in einer immer komplexer werdenden Welt der Schlüssel zur Resilienz“, erklärte er.