Gegen Geständnis Strafe mit Bewährung?

von Redaktion

Unternehmer (64) erneut vor Landgericht – Fast eine Million Euro Schaden durch Schwarzarbeit

Traunstein/Rosenheim – Ein nicht im Protokoll der 18-tägigen Hauptverhandlung festgehaltenes Gespräch bildete den einzigen Anlass für den Bundesgerichthof, ein Urteil des Landgerichts Traunstein von 2020 gegen einen Unternehmer aus Bad Reichenhall mit Firma in Rosenheim aufzuheben.

Prozess wird
neu aufgerollt

Auf Weisung des BGH muss die Siebte Strafkammer mit Vorsitzender Richterin Christina Braune deshalb seit gestern den Fall von vorne aufrollen.

Allerdings wird der neue Prozess wohl keine zehn Monate mehr dauern. Der Grund: Eine Strafe von zwei Jahren mit Bewährung und eine zusätzliche hohe Geldstrafe stehen bereits im Raum. Im ersten Verfahren hatte der Angeklagte zumeist geschwiegen. Von einem Geständnis war nie die Rede. Mit Urteil der Zweiten Strafkammer vom August 2020 erhielt der Bauunternehmer wegen 144 Betrugsfällen mit einem Schaden von knapp einer Million Euro für die Krankenkassen durch nicht gezahlte Sozialbeiträge eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Um die Kasse zur Finanzierung schwarz bezahlter Löhne für Bauarbeiter zu füllen, soll der 64-Jährige gemäß Urteil Scheinrechnungen von 20 kriminellen „Subunternehmern“ bezogen haben.

Zentraler Zeuge war im ersten wie im jetzigen Prozess ein inzwischen 54 Jahre alter Ermittler der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Rosenheim, der auch das 2016 gestartete Ermittlungsverfahren geleitet hatte. Eine ganze Reihe von Beschäftigten musste sich später Strafverfahren stellen – wegen zeitgleichens Bezugs von und Arbeitslosengeld.

Vorsitzende Richterin Christina Braune informierte gestern, zwischenzeitlich sei gegen den Angeklagten ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden. Auf Anregung von Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim prüften die Prozessbeteiligten, ob eine Freiheitsstrafe im Bereich einer Bewährung möglich sei. Im Gegenzug stand ein Geständnis im Raum. Im ersten Prozess hatte der 64-Jährige weitgehend von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Der Verteidiger argumentierte mit der langen Verfahrensdauer und – trotz Insolvenzverfahren – möglicher hoher Schadenswiedergutmachung an den Sozialkassen. Dafür stünden sogar zusätzliche Vermögenswerte zur Verfügung.

Energisch widersprach das die Anklagebehörde mit Staatsanwältin Theresa Finsterwalder und Dr. Gregor Stallinger. Angesichts des hohen Schadens und Verlaufs des Verfahrens sehe man keine Chance auf Bewährung. Der 64-Jährige wolle jetzt die Hälfte der Strafe, obwohl der BGH nur eine Formalie gerügt habe.

Die Kammer schlug nach Beratung vor, im Fall eines Geständnisses und unter Berücksichtigung der bis 2010 zurückreichenden Tatzeiten, der langen Verfahrensdauer, des zu erwartenden Umfangs einer neuerlichen Beweisaufnahme, der gesicherten Schadensregulierung und der persönlichen Folgen für den 64-Jährigen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung zu verhängen, dazu eine Gesamtgeldstrafe über „mindestens 200 bis 250 Tagessätze“. Über die Höhe des Tagessatzes, der sich nach dem Einkommen richtet, wurde nichts gesagt.

Staatsanwaltschaft
nicht einverstanden

Sollte der 64-Jährige die Geldstrafe nicht zahlen, werde eine Ersatzfreiheitsstrafe fällig, stellte die Vorsitzende Richterin fest. Ergänzend ließ sie im Sitzungsprotokoll fixieren, dass die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu dem Gerichtsvorschlag verweigert. Die Hauptverhandlung geht am Mittwoch, 1. Juni, weiter.Monika Kretzmer-Diepold

Artikel 9 von 11