„Da sieht man, wie klein wir sind“

von Redaktion

Bub (10) wohl von Kuh erdrückt – Tragischer Unfall in Stall

Feldkirchen-Westerham – Die Gemeinde Feldkirchen-Westerham steht unter Schock: Ein zehnjähriger Bub ist am späten Donnerstagnachmittag im Stall eines Bauernhofs im westlichen Gebiet der Gemeinde offenbar von einer Kuh getötet worden. „Es ist einfach eine Tragik“, sagt Hans Schaberl, Bürgermeister der Gemeinde Feldkirchen-Westerham. Er ist mit der Familie des Buben entfernt verwandt.

Familienangehörige hatten den Zehnjährigen am späten Donnerstagnachmittag auf dem Hof in der Gemeinde Feldkirchen-Westerham regungslos aufgefunden. Später war der Bub dann im Krankenhaus gestorben. Das teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim am Freitagmorgen mit.

Die Angehörigen hatten demnach die Integrierte Leitstelle gegen 17.45 Uhr benachrichtigt, nachdem sie den Buben bewusstlos im Stall des Bauernhofs aufgefunden hatten. Schließlich wurde der Bub unter ständiger notärztlicher Behandlung in ein Krankenhaus gebracht, wo er am Abend starb – trotz aller medizinischen Anstrengungen.

Wie Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums betont, gehen die Ermittler am Tag nach dem Vorfall von einem „tragischen Unfallgeschehen“ aus. Der Unfall ereignete sich in einem modernen, großzügigen Laufstall. Offenbar drückte eine Kuh den Buben an eine Wand des Stalls, dabei wurde der Grundschüler schwer verletzt. „Hinweise auf eine Fremdbeteiligung liegen derzeit nicht vor“, heißt es weiter vonseiten der Polizei.

Der Bub galt als guter Sportler, er soll zudem gern zu Hause auf dem Hof mitgeholfen haben. Bürgermeister Schaberl zeigte sich von dem Unglücksfall tief betroffen, aber gefasst. „Da sieht man, wie klein wir sind“, sagte der Feldkirchen-Westerhamer Rathaus-Chef. „Was will man da sagen – das werden wir Menschen nie verstehen.“ Er wolle nach Altötting fahren, „beten für die Familie.“ Schaberl, selbst ehemaliger Landwirt, setzt auf die Gemeinschaft im Dorf, die doch besser zusammenhalte als die in einer Stadt, sagt er.

Im Grunde
friedfertige Wesen

Kreisbäuerin Katharina Kern kennt Kühe als im Grunde friedfertig. Aber: „Sie sind Tiere, und sie reagieren nicht wie ein Mensch.“ Was die Kuh bewegt haben mag, den Buben einzukeilen, vermag sie nicht zu sagen. „Man kann auch im alltäglichen Umgang mit Kühen nicht von Haus aus annehmen, dass nichts passiert.“ Auch erfahrene Almbauern näherten sich ihren Tieren mit Vorsicht. „Sie können auch mal krank sein oder gestresst oder sich erschreckt haben“, sagt Kern. „Auch Tiere haben mal einen schlechten Tag.“ Auch Schaberl sagt: „Unfälle passieren auf Bauernhöfen. Das Vieh ist halt auch unberechenbar.“

Wie umgehen mit dem Unfall? An der Grundschule Feldkirchen-Westerham machte die Nachricht vom Tod des Buben die Gedanken an unbeschwerte Pfingstferien zunichte. An der Schule wollte sich gestern niemand äußern. Mitschüler und Lehrer des Zehnjährigen wollten unter sich bleiben.

In ihre Trauer hineinversetzen kann sich Hannelore Maurer, Gemeindereferentin an der Stadtteilkirche Rosenheim-Inn, in deren seelsorgerischer Arbeit die Begleitung Trauernder einen Schwerpunkt bildet. „Eine solche Situation ist immer schwierig“, sagt sie, „damit gehen die Kinder jetzt in die Ferien.“ Zusammenkommen, eine Kerze anzünden, gemeinsam ein Gebet sprechen – das habe nun einen besonderen Stellenwert. „Das sind die Fragen, die uns an die Grenze unserer Existenz bringen.“ Auch Manfred Jahn von der Jugend- und Erziehungsberatungsstelle der Caritas sieht die gemeinsame Trauerarbeit als besonders wichtig an. „Wir würden raten, dem Geschehen einen Platz zu geben“, sagt er. Ein freier Platz werde im Klassenzimmer wahrnehmbar sein – „dass da ein Bild steht oder Blumen, dass die Mitschüler würdigen, wer er war, und dass der Platz nicht einfach leer bleibt.“ Mit der Trauer und dem Gefühl des Verlustes stellten sich Fragen: „Was für gemeinsame Erlebnisse haben wir gehabt, was verbindet uns mit dem Verstorbenen?“. Jahn ergänzt: „Das Thema Verlust gehört zum Leben.“

„Die Frage nach dem Warum darf man nicht stellen, die Ehrfurcht muss man einfach lernen“, sagt Bürgermeister Schaberl. „Ein Bauer muss wieder in den Stall, sich ums Vieh kümmern. Nur so kann man das verkraften.“ Er hofft, dass unter den Landwirten in der Nähe einige eben dabei tatkräftige Hilfe anbieten – „der Familie bringt’s ja doch nichts, wenn da tausend Kerzen und Blumensträuße stehen.“

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