Rosenheim – Kommt nun Bewegung in den Transitstreit? Günther Platter (ÖVP) hat überraschend seinen Rückzug vom Amt des Tiroler Landeshauptmanns angekündigt, frühestens im September soll neu gewählt werden. Auf der anderen Seite der Grenze zeigt man sich vom vorzeitigen Abschied Platters am gestrigen Montag überrumpelt – und manchmal auch erleichtert.
„Chance für
einen Neubeginn“
„Schon überraschend“ findet der Rosenheimer Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner (CSU) den vorzeitigen Rückzug Platters. Andererseits kann er Platters Manöver auch etwas abgewinnen – gerade vor dem Hintergrund eines gespannten Verhältnisses zwischen Bayern und Tirol. „Platter konnte jetzt nur noch schlecht zurückrudern“, sagt Stöttner, „der Neue hat die Möglichkeit, einen neuen Ton anzuschlagen.“ Das findet auch Karl Fischer vom Logistik-Kompetenzzentrum Prien: „Das ist die Chance für einen Neubeginn.“ Die Fronten im Transitstreit seien verhärtet, das hänge dann irgendwann auch an Personen.
Ist der Nachfolger
ein Pragmatiker?
Der „Neue“, das könnte durchaus Anton Mattle (ÖVP) sein, Wirtschaftslandesrat in Platters Regierung. Karl Fischer kennt ihn, seit Mattle Bürgermeister von Galtür war. „Ein guter Mann, sehr pragmatisch.“ So manchen im Inntal wär‘s recht. Brannenburgs Bürgermeister Matthias Jokisch zum Beispiel. „Ich würde mich über pragmatische Lösungen sehr freuen, und wenn das mit Herrn Mattle möglich ist…“ Sein Flintsbacher Amtskollege Stefan Lederwascher hofft ebenfalls: „Wenn einer für die Wirtschaft ist, dann muss er auch die Transportwirtschaft beachten.“ Er gehe davon aus, dass künftige Gespräche konstruktiver verlaufen könnten. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) hat Mattle bei Besuchen im Inntal kennengelernt – und zwar als „vertrauensvollen und kompetenten Gesprächspartner“. „Unsere Zusammenarbeit steht für das gute nachbarschaftliche Verhältnis zwischen Bayern und Tirol. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.“
Auf Bayerns Seite wird man den Namen Günther Platter immer mit der Blockabfertigung in Verbindung bringen. Angeblich, um die Verkehrsströme durch das Inntal und auf den Brenner zu regulieren, greift Tirol seit 2017 zu diesem umstrittenen Instrument. Der Lastwagen-Verkehr wird dann gedrosselt, höchstens 300 werden pro Stunde über die Grenze eingelassen. Die Folge: Staus bis weit zurück auf die A8, dazu Belastungen in den Gemeinden des Inntals durch den Ausweichverkehr.
Sehr geplagt ist die Gemeinde Kiefersfelden. Deren Bürgermeister Hajo Gruber steht aber auch in besonders engem Austausch mit der anderen Seite jenseits der Grenze. Intensität und Häufigkeit der Blockabfertigungstermine seien zuletzt „viel zu viel“ geworden, da sei Platter übers Ziel hinausgeschossen. Aber Gruber sagt auch: „Platter hatte sonst eigentlich immer die große Linie im Blick.“ Das sei das Wohl des Inntals gewesen und, damit verbunden, die Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene. Gruber erinnerte auch an Platters Rolle bei der Abschaffung der Maut auf einem Teilstück der Inntalautobahn. „Platter hat sich zusammen mit seiner Stellvertreterin Ingrid Felipe in Wien sehr dafür eingesetzt.“
Weniger mit Tiroler Personalia als vielmehr mit der allgemeinen Haltung Tirols und Österreichs hat die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) ein Problem. Was die Blockabfertigung betrifft, drängt sie die EU: „Die EU ist nach wie vor gefordert, unverzüglich zu handeln“, sagt Ludwig. „Die europäischen Verantwortungsträger können sich nicht darauf zurückziehen, erst einmal die Wahlen abzuwarten.“
Platter wirkte gestern amtsmüde. „Gerade die zwei letzten Jahre haben gezeigt, wie herausfordernd Politik sein kann“, sagte er. Gleichwohl sei das Amt des Landeshauptmanns – er füllte es 14 Jahre lang aus – „die schönste Aufgabe“ gewesen.
Felipe-Abschied
löst Bedauern aus
Mit Platters Abschied wird auch Ingrid Felipes Zeit als Stellvertreterin des Landeshauptmanns enden. Die grüne Verkehrspolitikerin hatte zuvor bereits angekündigt, sich nach der Legislaturperiode nicht mehr zur Wahl zu stellen. Was nicht wenige auf bayerischer Seite bedauern: „Mit Ingrid Felipe waren gute Gespräche möglich“, sagt etwa Klaus Stöttner. „Sie wirkte gesprächs- und kompromissbereit.“
Felipe selbst hatte sich bereits im März entschieden, nach zehn Jahren als erste Grüne Landeshauptmannstellvertreterin nicht mehr anzutreten. So wichtig Erfahrung und Kenntnis der Akteure auch seien, so wichtig sei der Wechsel: Es sei auch „wichtig und richtig, nach gegebener Zeit frische Kräfte mit neuen und anderen Ideen ans Ruder zu lassen“.