Rosenheim – Im ersten Jahr der Pandemie fühlte sich der Sommer wie eine Atempause vom Corona-Geschehen an, desgleichen im Jahr darauf. Jeweils gegen Ende der Sommerferien, mit der Rückreisewelle, begannen die Ansteckungszahlen dann wieder zu steigen.
Das könnte sich 2022 ändern. Mit einer erneuten Herbstwelle hatten für 2022 viele Menschen gerechnet, nun zeichnet sich aber bereits eine Sommerwelle ab. Der Schuldige: BA.5. Die Omikron-Subvariante, der Experten eine höhere Ansteckungsvariante als sogar der ursprünglichen Omikron-Variante zusprechen, ist auf dem Vormarsch. Auch in der Region Rosenheim ist sie bereits aufgetreten. Das berichtet Dr. Thomas Schulzki, geschäftsführender Leiter des Medizinischen Labors in Rosenheim.
War‘s das mit
dem Sommertief?
Seit dem jüngsten Wochenbericht mit Stand 2. Juni wurden dem Gesundheitsamt 1959 neue Fälle für Stadt und Landkreis Rosenheim gemeldet. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis Rosenheim lag am Freitag, 17. Juni, bei 338,5 und in der kreisfreien Stadt Rosenheim bei 265,5.
Laut Dr. Wolfgang Hierl, Leiter des Rosenheimer Gesundheitsamtes, hat die Sieben-Tage-Inzidenz seit dem 30. Mai unterm Strich zugenommen. Das Infektionsgeschehen habe wieder Fahrt aufgenommen, die täglich gemeldeten Fallzahlen stiegen trotz der jahreszeitlich verminderten Übertragungsrate langsam aber stetig an. „Es gibt Anzeichen dafür, dass das ‚Sommerloch‘ bereits jetzt schon vorbei ist“, sagt Hierl.
Auch Dr. Hanns Lohner, Chefarzt Neurologie im Romed-Klinikumsverbund und Pandemiebeauftragter, sagt: „Ja, wir steuern auf eine Welle zu. Wir wissen nur noch nicht, welches Ausmaß sie erreichen wird.“ Lohner betont auch, dass neben BA.5 weitere Varianten unterwegs sind. Kurz gesagt: Corona ist und bleibt für Überraschungen gut.
Virus rückt in
den Hintergrund
Vom Sommerurlaub wollen sich viele Menschen in der Region Rosenheim durch Corona offenbar nicht abschrecken lassen. Zwar sorgte die neue Untervariante zunächst vor allem in dem klassischen Urlaubsland Portugal für hohe Infektionszahlen. Doch noch beeindruckt BA.5 die Menschen nicht besonders, hat etwa Rainer Preuss vom Reisebüro Beller & Preuss in Rosenheim festgestellt. „Eher dämpft die allgemeine Unsicherheit mit dem Krieg in der Ukraine und der Inflation die Stimmung.“
Auch Wolfgang Hierl stellt fest, dass Corona in der allgemeinen Wahrnehmung in den Hintergrund getreten sei. Die derzeit hohen Ansteckungszahlen seien „zum großen Teil der Sorglosigkeit der Bürgerinnen und Bürger bei den sozialen Kontakten geschuldet“, sagt Hierl und nennt Frühlingsfeste sowie Masken- und Abstandslosigkeit auch in stark frequentierten Innenräumen als Beispiele. „Es ist zu befürchten, dass mit Ende der Pfingstferien die Infektionszahlen noch einmal deutlich ansteigen werden.“
Seine Einschätzung untermauert Hierl mit den Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Demnach sei der Anteil von BA.5 bei den Infektionen sprunghaft angestiegen, mittlerweile ist laut RKI jede vierte Ansteckung darauf zurückzuführen. Am 3. Juni hatte dieser Anteil noch bei fünf Prozent gelegen. Unsicher sei, ob sich diese Entwicklung auch bei der Krankenhausbelegung niederschlägt, hält Hierl fest.
Anders als in Portugal scheint der Vormarsch von BA.5 jedenfalls bislang keine schweren Auswirkungen auf die Verläufe zu zeitigen. Seit dem Bericht von Anfang Juni – wie berichtet, veröffentlicht das Gesundheitsamt seine Bulletins nur noch im Zwei-Wochen-Rhythmus – sind zwei Menschen an oder mit Corona gestorben, beide über 80 Jahre alt.
Aber da liegt die Betonung auf „noch“: Auch wenn Omikron weit häufiger leichte Verläufe hervorruft als seine Vorgänger, sorgt allein die hohe Zahl an Ansteckungen dann doch für eine beachtliche Zahl an schwer Erkrankten. Ohnehin sind die Zahlen der Amtsberichte nicht selten lediglich Momentaufnahmen: Noch im Corona-Lagebericht von Anfang Juni hatte das Gesundheitsamt beispielsweise die Zahl von 14 Verstorbenen melden müssen.
Weiterhin ereignen sich viele Infektionen in Heimen. Dabei ist der Anteil der vollständig geimpften und größtenteils geboosterten Bewohner und Mitarbeiter weiterhin sehr hoch. „Die Verlaufsformen sind in der Regel jedoch milde, es besteht eine nur sehr geringe Rate an Hospitalisierungen der Bewohner“, sagt Hierl. Er sieht darin einen Beleg für die Wirksamkeit der Impfungen.
Ebenso beruhigt, dass die Belegungszahlen mit Covid-19 auf den Intensiv- und Normalstationen der Kliniken in Stadt und Landkreis Rosenheim seit dem letzten Wochenbericht fast gleich geblieben sind. Laut Hierl machen sich die gestiegenen Infektionszahlen derzeit bei den Hospitalisierungen noch nicht bemerkbar. Derzeit werden 102 Menschen in der Region stationär behandelt, vier davon intensiv.
Derzeit besteht allerdings aufgrund eines Ausbruchsgeschehens ein angeordneter Aufnahmestopp für Patienten auf einer Station einer Landkreisklinik. Dem Gesundheitsamt wurde seit dem Bericht Anfang Juni eine Gruppenschließung in einer Kita übermittelt.