Ohne Waffe gegen Grapscher

von Redaktion

Selbstverteidigung mit Pfefferspray: Was ist erlaubt, was nicht?

Rosenheim – Auf dem Heimweg von einer Feier, beim nächtlichen Spaziergang durch den Park oder selbst beim Holen eines Döners am frühen Abend in der Rosenheimer Innenstadt – immer wieder kommt es zu Übergriffen. Betroffen sind zumeist Frauen. Nicht selten landen die Täter – wenn sie ermittelt werden konnten – im Anschluss vor Gericht. Außergewöhnlich ist es aber, wenn das eigentliche Opfer plötzlich selbst auf der Anklagebank sitzt.

Freiverkäufliches Tierabwehrspray

So wie bei einer 22-jährigen Rosenheimerin, die sich im Mai vergangenen Jahres gegen ihren Angreifer, der sie sexuell belästigte, mit einem Pfefferspray zur Wehr setzte. Die Folge: Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung (wir berichteten). Die Frage, die nicht nur das Gericht beschäftigte: Wann und wie darf ein Pfefferspray zur Selbstverteidigung eingesetzt werden, ohne, dass man mit einer Strafe rechnen muss?

Verstoß gegen
das Gesetz

„Zunächst muss zwischen einem herkömmlichen Pfefferspray und Tierabwehrspray unterschieden werden“, sagt Harald Baumgärtl, Rechtsanwalt für Strafrecht in Rosenheim. Denn reine Pfeffersprays in Form von Reizstoffsprühgeräten, wie sie beispielsweise die Polizei verwendet, fallen rechtlich unter Waffen. Wer keine Waffenbesitzkarte dafür hat, verstößt damit gegen das Waffengesetz.

Freiverkäuflich, und damit keine Waffen im rechtlichen Sinne, sind Pfeffersprays für die Tierabwehr und CS-Gas-Sprays (Tränengas). Diese gibt es unter anderem für rund sechs Euro im Drogeriemarkt. „Auf der Dose oder der Verpackung muss dann aber eindeutig gekennzeichnet sein, dass es für die Tierabwehr ist. Ansonsten kann die jeder kaufen“, erklärt Baumgärtl.

Der genaue Unterschied zwischen den einzelnen Sprays würde in der chemischen Zusammensetzung liegen. „Die Sprays, die nicht unter das Waffengesetz fallen, sind wesentlich schwächer und harmloser in der Wirkweise und Dosierung als reine Pfeffersprays“, sagt Manuel Aigner vom Waffengeschäft Daurer in Rosenheim. Hauptbestandteil aller Pfeffersprays ist laut Angaben der Hersteller der Wirkstoff Oleoresin Capsicum – ein Extrakt, das aus einer besonders scharfen Chilischote gewonnen wird. Dieses verursacht bei Kontakt mit dem Gesicht brennende Schmerzen, Rötungen und Schwellungen der Schleimhäute.

Deshalb stellt jede Verwendung von Pfefferspray gegen Menschen laut Angaben von Polizei und Rechtsanwalt „tatbestandlich erst mal eine gefährliche Körperverletzung dar.“ „Der Tatbestand des Paragrafen 224 des Strafgesetzbuches (StGB) ist erfüllt, wenn unter anderem eine Waffe oder ein gefährlicher Gegenstand zur Tatbegehung verwendet wird“, unterstreicht Baumgärtl. „Und auch wenn das handelsübliche Tierabwehrspray keine Waffe darstellt, ist es zumindest ein gefährlicher Gegenstand“, führt der Anwalt fort.

Demnach drohen bei Benutzung von Pfefferspray empfindliche Konsequenzen – nicht selten auch Haftstrafen. „Meist werden die Verfahren aber eingestellt, bevor es überhaupt vor Gericht geht“, sagt Baumgärtl. Das sei dem geschuldet, dass das Sprühen oftmals zur Selbstverteidigung – und damit womöglich in Notwehr – eingesetzt wird. Ob und wann eine Notwehrsituation gegeben ist, muss gerichtlich in jedem Einzelfall überprüft werden – so auch im Fall der 22-jährigen Rosenheimerin.

Denn die Anforderungen an das Bestehen einer Notwehrlage sind sehr eng. Laut Paragraf 32 StGB handelt die sich verteidigende Person in Notwehr, wenn sie sich gegen einen rechtswidrigen und gegenwärtigen Angriff wehrt. Das juristische Problem dabei: Es muss sich um einen tatsächlichen Angriff auf Rechtsgüter (Leben, Unversehrtheit, Freiheit und Ehre) des Opfers handeln, der auch in zeitlichem Zusammenhang zur Verteidigungshandlung steht.

Eine Tatsache, die insbesondere bei Sexualdelikten wie beispielsweise der sexuellen Nötigung, nicht immer zweifelsfrei festzustellen ist. Rein verbale Belästigung mit Gewalt zu verteidigen sei jedenfalls nicht gerechtfertigt. „Wenn ein blöder Spruch kommt, darf ich sicher nicht mit einem Pfefferspray antworten. Wenn der Täter aber nach mir greift oder zumindest Anzeichen macht, dass er mich anfassen will, ist das etwas anderes“, sagt Baumgärtl.

Gegenwehr ohne Waffengewalt

Der Anwalt weist auch darauf hin, dass man im Zweifel nicht unvermittelt lossprühen sollte. „Wenn es wirklich notwendig ist, dann sollte ich erst Warnnungen aussprechen und das Spray nicht plötzlich aus der Tasche ziehen“, unterstreicht Baumgärtl.

Gefahren
durch Gegenwind

Ähnlich sieht das die Polizei. „Wir raten vom Einsatz eines Pfeffersprays ab, da die Gefahr groß ist, dass der Angreifer die Waffe abnimmt und selber einsetzt“, sagt Meike Steinle von der polizeilichen Kriminalprävention. Zudem könne der Sprühnebel bei Gegenwind zurückschlagen und zu Verletzungen bei sich selbst führen. Dennoch sei es wichtig, die Gegenwehr nicht einzuschränken – wenn auch am besten ohne Pfefferspray.

Das rät die Polizei Betroffenen

Die Polizei-Beratung der Länder und des Bundes rät vor allem Frauen dazu, einen Selbstverteidigungskurs zu belegen, um auf tätliche Angriffe vorbereitet zu sein. Zudem ist es wichtig, sich bei solchen Vorfällen zu wehren. Denn oftmals würden Täter von ihren Opfern ablassen, wenn sie auf Gegenwehr stoßen. Wenn möglich, solle man lautstark auf sich aufmerksam machen und Hilfe anfordern. Eine Alternative ist ein Taschenalarm. Das Gerät in der Größe eines kleinen Schlüsselanhängers gibt beim Drücken eines Alarmknopfes ein lautes schrilles Pfeifen von sich. Die Knöpfe gibt es sowohl im Internet als auch in Bau- oder Drogeriemärkten zu kaufen.

Artikel 1 von 11