Eggstätt – Der Horror begann am Karfreitag. Da nahm die Polizei 2021 Michael M. fest, als er Löschmittel im Eggstätter Gewerbegebiet Natzing in den Gully kippte. Das von ihm eingeleitete Löschmittel gelangte über den Oberflächenwasserkanal des Gewerbegebietes in ein Auffangbecken und dann in das Grundwasser. Mittlerweile ist Michael M. wegen Umweltfrevel zu drei Jahren Haft verurteilt.
Und die Gemeinde Eggstätt hat bisher etwa 2,5 Millionen Euro für die Schadensbewältigung bezahlt. Bis Jahresende 2023 werden es drei Millionen sein. Gezahlt aus eigener Tasche. Die konnte Hubert Aiwanger, der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, nicht gleich wieder füllen, als er sich am gestrigen Mittwoch im Gewerbegebiet Natzing ein Bild von der Lage machte. Er hatte weder Scheck noch Geldkoffer dabei. Dafür aber einen guten Rat und ein Versprechen.
Ja, „die Hütte brennt“, so Aiwanger, und natürlich brauche Eggstätt eine Lösung, „wir können eine Gemeinde mit knapp 3000 Einwohnern nicht alleine mit einem Umweltschaden von rund drei Millionen Euro sitzen lassen.“ Eine Aussage, die Bürgermeister Christian Glas tief durchatmen ließ. „Für uns ist es wichtig, zu wissen, dass wir nicht alleine sind, nicht untergehen.“
Lieber einmal dicken
Batzen beantragen
Aiwanger und Claudia Köhler, Landtagsabgeordnete der Grünen und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen, die ebenfalls nach Natzing gekommen war, waren sich einig, dass Eggstätt über das Finanzausgleichsgesetz die besten Chancen habe, an Geld zu kommen. Dazu müsse die Gemeinde eine gründliche und umfassende Aufstellung aller Kosten vorlegen, auch über möglicherweise künftig noch anfallende Kosten – zum Beispiel für eine Probebohrung, sollte die nötig werden. Es sei leichter, einmal einen großen Batzen zu bekommen, als jedes Jahr wieder eine fünfstellige Summe, so Aiwanger. „Und dann müsst ihr vor der Entscheidung im November noch mal die Werbetrommel für euch rühren“, so Aiwanger.
Er sei an der Vergabe der FAG-Mittel nicht direkt beteiligt, das regelten die Kollegen des Innen- und des Finanzministeriums. Aber er werde sich „mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften“ dafür einsetzen, dass Eggstätt FAG-Mittel bekommt. Claudia Köhler nickte zustimmend. Und der Bürgermeister atmete noch mal tief durch.
Seit April 2021 bemüht sich Eggstätt in Zusammenarbeit und enger Abstimmung mit dem Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt Rosenheim, dem Zweckverband zur Unterhaltung von Gewässern III. Ordnung (GUZV) und Fachbüros um eine Schadensbehebung. Mittlerweile seien 220000 Kubikmeter Wasser gereinigt worden, so Glas. Dabei habe man 1,4 Kilogramm PFAS (Perfluorierte Alkylsubstanzen) herausgezogen. Aus rund 1050 Tonnen Bodenaushub kamen noch einmal zwischen 600 und 700 Gramm PFAS zusammen. Jedes Gramm schlage mit 2000 Euro zu Buche. „Es ist ein Horror: Du kannst nichts dafür, hast den Schaden und zahlst, zahlst, zahlst“, so Glas.
Denn bisher hat die 2900 Einwohner kleine Gemeinde am Hartsee die Beseitigung des Umweltschadens allein stemmen müssen. Eggstätt muss den inhaftierten Umweltfrevler zivilrechtlich verklagen, um überhaupt eine Chance zu haben, im Herbst an Mittel nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) zu kommen.
Der Kampf gegen die
PFAS geht weiter
Der Kampf gegen die PFAS im Grundwasser geht weiter. Diplom-Biologe Peter Niesselbeck konnte schon während des Strafprozesses gegen den Verursacher dem Bürgermeister keine Hoffnung auf baldige Besserung der Lage machen: Weil weder Richtung noch Fließgeschwindigkeit des Grundwassers vorhergesagt, geschweige denn kontrolliert werden könne, „muss noch auf Jahrzehnte hinaus das Grundwasser kostenintensiv kontrolliert und gegebenenfalls mit Aktivkohle gereinigt werden.“
Peter Swoboda, der mit seinem Büro die Schadensbekämpfung von Anfang an begleitet und koordiniert, versicherte dem Minister sowie den anwesenden Nachbarn im Gewerbegebiet und den Bürgermeistern der Nachbargemeinden: „Wir haben den Schaden im Griff. Weder das Trinkwasser, noch Menschen, noch die Natur sind in Gefahr.“ Aber: Das Aufräumen geht weiter.