Rosenheim – Heinrich Suerkemper von der Spedition Suerkemper in Kolbermoor leidet mit seinen Fahrern. „Für die ist das eine Wahnsinnsquälerei, die sitzen in der prallen Sonne im Führerhaus, haben keine Toilette, nichts zu trinken.“
Mitverantwortlich für die Qualen der Brummi-Fahrer in den vielen Staus im Inntal sind in Augen vieler Menschen in der Region Rosenheim Blockabfertigung und das Nachtfahrverbot. Denn die nächtliche Sperre auf der Inntal-Autobahn verlagere den Verkehr lediglich und verdichte ihn auf ein Zeitfenster von 17 Stunden. „Das ist ein grundsätzlicher Auslöser der Stausituation“, sagt Georg Dettendorfer von der Spedition Johann Dettendorfer. Ungefähr 15 Prozent des Verkehrs seien früher nachts gefahren, dementsprechend weniger Verkehr habe es tagsüber gegeben. Franz Neuner, Prokurist bei BTK in Rosenheim, weiß zu berichten, dass Blockabfertigung und Nachtfahrverbote die Fahrer auslaugen und frustrieren. „Es ist sehr schwer, Mitarbeiter zu finden“, sagt er, das Thema Stau und Verzögerungen sei bei den Fahrern ein großes Thema.
Gegen die Maßnahme der Österreicher laufen nun Unternehmer und Verbände Sturm. Der deutsche Logistikverband BGL und andere europäische Branchenverbände haben ebenso wie Handelskammern bei der EU-Kommission Beschwerden gegen das Lkw-Nachtfahrverbot eingelegt.
Unternehmer wie Suerkemper wären grundsätzlich dafür, das Verbot aufzuheben. „Das wäre auf jeden Fall sinnvoll, ich weiß nicht, für was das Nachtfahrverbot jetzt noch da ist.“ An ein Entgegenkommen der EU-Kommission mag er aber auch nicht glauben: „Die EU reagiert doch schon seit Jahren nicht.“
Auch Karl Fischer, langjähriger Geschäftsführer beim Logistikkompetenzzentrum Prien und nunmehr Berater beim LKZ, ist skeptisch. „Mit solchen Versuchen waren wir noch nie erfolgreich.“ Er erwarte auch bei diesem neuen Versuch nicht viel. Wichtiger und zielführender sei es, im Gespräch zu bleiben. Und zwar nicht nur auf politischer Ebene: Letztlich könne die Wirtschaft doch vieles selber lösen. Wie Georg Dettendorfer baut er auf den Fortschritt: Die Motorentechnik der Lkw sei so weit entwickelt, dass Tirol die Schadstoffgrenzen unterschreite.
An eine einfache und pauschale Lösung glaubt Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim, jedenfalls nicht: „Das Ei des Kolumbus gibt es nicht.“ Er regt an, nach tatsächlichem Bedarf vorzugehen: „Wenn es darum geht, die Bevölkerung vor Lärm- und Schadstoff-Emissionen zu schützen, muss man abwägen, wen man wann auf die Strecke lassen kann. Und wen nicht.“ Gerade für einige Verkehre, die auch in Österreich der Wirtschaft und der Versorgung in der Region zugutekämen, „wäre die Nacht an sich perfekt“.
In der Hitze des Hochsommers mag kaum jemand an Entspannung zwischen Bayern und Österreich denken, zumal die Bayern ihrerseits vor zwei Wochen mit dem Transitverbot im Inntal die Schraube angezogen haben.
Karl Fischer hat immerhin festgestellt, dass sich mit Bayerns neuem Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) die Chemie leicht verändert hat. Der ehemalige Landrat von Deggendorf könne die Verhandlungen mit Tirol wieder in Schwung bringen, Bernreiter und die Tiroler Landeshauptmanns-Vize Ingrid Felipe verstehen einander gut, meint Fischer. Das Problem daran: Ingrid Felipe wird mit Landeshauptmann Platter im September aus dem Amt scheiden. Als designierter Nachfolger Platters gilt der ÖVP-Politiker Anton Mattle. „Ein pragmatischer Mann“ mit Sinn für die Wirtschaft, so schätzt Fischer ihn ein.
Auf die gute Chemie zwischen Bayern und den Tirolern wird es also mehr denn je ankommen. Denn nicht nur von der EU erwarten sich die Menschen in der Region in dieser Frage wenig. Auch vom Bundesverkehrsministerium in Berlin brauche man nichts erhoffen, meint etwa Heinrich Suerkemper: „Ich weiß wirklich nicht, was ich überhaupt zu den letzten drei Verkehrsministern sagen soll.“ Michael Weiser