Rosenheim – Vor einigen Jahren noch eine Seltenheit, nun schon weit verbreitet: Ausgerechnet eine chinesische Süßwasser-Qualle gehört in den Gewässern der Region Rosenheim offenbar zu den Gewinnern des Klimawandels. Craspedacusta Sowerbii heißt sie, mit nur zwei Zentimetern Größe ist sie offenbar als blinder Passagier mit Wasserpflanzen oder Zierfischen nach Bayern gekommen. So vermutet jedenfalls der Landesfischereiverband. Fest steht: Dank steigender Temperaturen vermehrt sich die Qualle. „Vor ein paar Jahren war sie noch ein Geheimtipp“, sagt Prof. Dr. Herwig Stibor von der Limnologischen Station der Ludwig-Maximilians-Universität in Seeon. „Jetzt findet man sie im Chiemsee und in den meisten anderen Seen.“
Badequalität
meist sehr gut
Die Seen rund um Rosenheim locken im Sommer aber auch Menschen an. Eine gute Nachricht: Die Süßwasser-Qualle tut niemandem weh. Und auch sonst steht dem hochsommerlichen Badevergnügen in Stadt und Landkreis offenbar nichts im Wege. Die Qualität der Seen, Flüsse und Weiher in der Region Rosenheim bekommen vom Gesundheitsamt regelmäßig ausgezeichnete Noten. Die Sperrung des Pelhamer Sees für einige Tage im vergangenen Jahr war offenbar eine Ausnahme.
Laut Experten noch
im grünen Bereich
Es gibt allerdings auch eine schlechte Nachricht: Der Klimawandel gibt nicht nur Süßwasser-Quallen Auftrieb. Er setzt auch den Gewässern zu. Noch befinde man sich im grünen Bereich, sagt Andreas Holderer, stellvertretender Leiter des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim. „Aber es ist schon eine große Trockenheit.“ Und man werde auch im klimatisch begünstigten Alpenvorland lernen müssen damit umzugehen. Heiße Sommer, so sagt Holdere, „werden sicher häufiger.“
Was Hitze und Mangel an Niederschlägen anrichten, beobachtet Herwig Stibor. Mit seinen Kollegen forscht er, wie Gewässer auf Umwelteinflüsse reagieren. „Über die Jahre hinweg gesehen steigen die Temperaturen im Mittel“, sagt Stibor, „das Wasser wird im Schnitt pro Jahrzehnt 0,3 Grad wärmer.“ Vor allem flache Seen bekämen Probleme, weil die Wärme Bakterien gedeihen lässt und diese Kleinstorganismen viel Sauerstoff verbrauchen. Und das, wo in warmem Wasser doch ohnehin weniger Sauerstoff gelöst ist als in kaltem Wasser: „30 Grad warmes Wasser kann nur noch 60 Prozent von dem Sauerstoffwert haben, den vier Grad kaltes Wasser aufweist.“ Durch die Wärme werde Wasser außerdem träger, berichtet Stibor. „Die Wasser-Dichte sinkt exponentiell mit der Temperatur.“ Heißt: Je wärmer es wird, desto schwieriger ist es zu mischen. „Bei einer Wassertemperatur von vier Grad kann ein Windstoß einen ganzen See durchmischen“, sagt Stibor. Bei 30 Grad aber kann ein Sturm über einen See fegen, ohne die trübe Suppe noch in Wallung zu bringen. In den Seen bilden sich Schichten – warmes Wasser oben, kaltes unten. Das engt Lebensräume ein, da die tieferen Schichten immer weniger Sauerstoff erhalten.
„Wir haben noch keine akute Gefahr“, sagt daher auch Stibor. „Aber man wird mit Veränderungen rechnen müssen.“ Etwa durch Algen. Sie gedeihen gut in der Wärme, kommen auch mit wenig Sauerstoff aus. Manchmal stellen sie ein eher ästhetisches Problem dar, so wie derzeit an der Mangfall bei Rosenheim. Dort sieht Andreas Holderer mehr und mehr Kiesbänke auftauchen, und dazwischen grünes Wasser und schleimiges Gewächs. „Das ist aber nicht gesundheitsschädlich“, beruhigt Holderer. Anders die Algenteppiche, die in den vergangenen Jahren zum Beispiel am Simssee, am Langbürgner See oder am Friedlsee auftauchten. Blaualgen waren es, bei normaler Konzentration ungefährlich; bei starker Vermehrung aber können sie Durchfall, Erbrechen oder Hautausschlag verursachen. Für Hunde und Kühe könne die Algenart sogar lebensgefährlich werden, sagt Stibor.
Diese Probleme könnten sich mit steigenden Temperaturen verschärfen. Auch die Artenvielfalt dürfte leiden, sagt Herwig Stibor.
Immerhin gibt es eine gute Nachricht vom winzigen Wärme-Gewinner: Anders als der Klimawandel, scheint die Süßwasser-Qualle auch für die heimische Tierwelt keine Bedrohung darzustellen. „Sie tritt nicht in den rauen Mengen auf, dass sie den Fischen das Futter wegfressen würde.“