Warnschuss vorm großen Blackout?

von Redaktion

Stromausfälle in der Region – Experten warnen vor Engpässen

Rosenheim– Eine Serie von Stromausfällen hielt die Region Rosenheim übers Wochenende in Atem. Experten mahnen angesichts der Gefahr von Energie-Engpässen in Herbst und Winter. Waren die Wochenend-Blackouts nur der Warnschuss vor der großen Katastrophe? So schnell kann es gehen: Ein Unfall an einer empfindlichen Stelle der Infrastruktur, und schon ist der Strom weg.

Ungewöhnliche
Häufung

Am Freitag, 23. Oktober, war ein landwirtschaftlicher Lastwagen der Auslöser für einen Stromausfall in Vogtareuth. Das Fahrzeug habe einen Strommasten gerammt, Leitungen seien beschädigt worden. Von 16.38 bis 17.48 Uhr habe der Stromausfall gedauert, rund 1500 Haushalte seien betroffen gewesen, sagte ein Sprecher der Bayernwerk Netz GmbH auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen.

Ungewöhnlich war die Häufung der Fälle in der Region. Weitere Stromausfälle folgten am Sonntag, betroffen waren nach Berichten Betroffener Aising und Aisingerwies (im Rosenheimer Stadtgebiet) sowie Großkarolinenfeld. Was die Ausfälle im Rosenheimer Stadtgebiet betreffe, sei es zu einem knapp einsekündigen Spannungsabfall gekommen, „der sich als Lichtflackern bemerkbar gemacht hat“, hieß es seitens der Stadtwerke Rosenheim. Die Ursache sei ein Blitzeinschlag gewesen.

In erster Linie
ärgerlich

Die Stromausfälle waren in erster Linie ärgerlich. Aber sie zogen keine schlimmeren, keine lebensbedrohlichen Folgen nach sich. „Das ist eher unkritisch, wenn es wie in diesen Fällen am Wochenende mal wenige Minuten oder Stunden dauert“, sagt Kreisbrandrat Richard Schrank. „Was ist aber, wenn der Strom länger ausfällt? Was, wenn größere Regionen betroffen sind, etwa neben dem Landkreis Rosenheim noch einige Nachbarlandkreise?“ Die Folgen, so fürchtet nicht nur der oberste Katastrophenschützer des Landkreises: verheerend.

Erst vor wenigen Tagen hatte die Stadt Rosenheim ihre Bürger vor den Folgen eines Blackouts gewarnt. Die Serie von Stromausfällen am Wochenende dürfte da wie eine Bestätigung gewirkt haben. Experten sind sich ohnehin einig: Ein großer, lang anhaltender Stromausfall hätte katastrophale Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. „Da heißt‘s dann gute Nacht“, sagt Stefan Huber vom THW Rosenheim gegenüber dem OVB. Und die Gefahr ist derzeit so groß wie vielleicht noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. „Wir sind ein hoch industrialisiertes Land“, sagt Kreisbrandmeister Richard Schrank, oberster Katastrophenschützer des Landkreises. „Aber was die Gefahr eines Katastrophenfalls betrifft, sind wir blank ohne Ende.“

Grundlast nicht
zu gewährleisten

Einen großen Anteil an der Misere habe, so kritisiert Schrank, die Politik der vergangenen zehn Jahre; sie gefährde die Basisversorgung mit Strom. Die Grundlast sei mit Wind- und Sonnenkraft nicht zu gewährleisten, sagt Schrank. Man verlasse sich außerdem zu sehr auf andere Länder. Was sei aber, wenn zum Beispiel Frankreich dauerhaft nicht mehr mit Atomstrom aushelfen könne, weil seine alten Meiler anfällig geworden seien? Die internationale Lage macht die Lage auch für Anbieter in der Region unübersichtlich. Die Gaskrise mache die Sache im Moment nicht einfacher, heißt es vonseiten des Bayernwerks. Für Richard Schrank und seine Kameraden in den Feuerwehren der Region Rosenheim waren Heizlüfter bislang wohl eher als potenzielle Brandursache ein Risikofaktor. Das könnte sich in diesem Herbst ändern, sollten die Temperaturen auf einmal in den Keller rauschen. Michael Bartels, stellvertretender Pressesprecher von Bayernwerk, bestätigt Engpass-Szenarien. Das Stromnetz könne überlastet werden, warnt er, etwa wenn Millionen Haushalte in Bayern auf einmal den Heizlüfter anschalteten. „Ein großer Blackout ist unwahrscheinlich“, sagt er, aber nicht auszuschließen.“ Richard Schrank sagt ähnliches mit anderen Worten: „Dieser Winter wird spannend.“ Spätestens mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine begann die Diskussion über Deutschlands Reife für den sogenannten K-Fall. Getan habe sich jedoch wenig, zürnt Schrank. „Das aktuelle Bild ist der absoluter Wahnsinn, es wird viel geredet, aber es kommt nichts dabei heraus.“ Kollegen im Katastrophenschutzdienst bestätigen Schrank. Stefan Huber etwa verweist auf die massiven Kürzungen der Mittel fürs Technische Hilfswerk.

Derweil will Schrank das Problem in der Region angehen. Indem sich Hilfs- und Rettungskräfte von der Bergwacht bis zu den Feuerwehren besser vernetzen. Indem zum Beispiel Rettungssammelpunkte eingerichtet werden, um die Kommunikation so weit wie möglich sicherzustellen. „Ein Akku für ein Funkgerät hält nicht ewig, wenn der Strom mal weg ist“, sagt er. Weil ausgefeilte Technik auch anfälliger sei, suche man nunmehr gezielt nach alten Funkgeräten. „Die Verbindungen sind zwar schlechter, aber unempfindlicher“, sagt Schrank.

Auf Brennpunkte
konzentrieren

Wichtig seien auch Listen, in denen zum Beispiel Pflegeeinrichtungen mit Beatmungsgeräten aufgeführt seien – damit Rettungskräfte sie gezielt ansteuern könnten. Denn im Falle eines großen Blackouts müsse man sich auf Brennpunkte konzentrieren. „Dann gibt es keine Luxuseinsätze mehr, sondern nur noch das Lebensnotwendige“, sagt Schrank.

Auch Retter
sind Menschen

Stefan Huber weist darauf hin, dass auch Retter Menschen sind – Menschen mit Familie, die dann erst mal Priorität genießen. „Da kann nicht mehr jedem sofort geholfen werden.“ Auch Richard Schrank pocht daher auf Eigenverantwortung. „Die Menschen müssen sich an die eigene Nase fassen und fragen, wie gut sie vorbereitet sind auf einen Katastrophenfall – von wichtigen Medikamenten bis hin zu Wasservorräten im Keller.“

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