Rosenheim – Erst das Herbstfest, dann das Oktoberfest in München: Die Doppelfolge der Feiern könnte als bayerischer Corona-Gipfel in die Geschichte der Epidemiologie eingehen. Das Gesundheitsamt Rosenheim sieht sich jedenfalls einig mit der Mehrheit der Experten, wenn es einen „deutlichen Effekt“ von Volksfesten auf das Infektionsgeschehen in der Region Rosenheim feststellt. Experten wie Dr. Hanns Lohner, Ärztlicher Direktor beim Romed-Klinikverbund, warnen daher vor Engpässen.
Nicht mehr
unter den Top Ten
Das Maximum der Infektionsaktivität sei neun Tage nach Ende der Wiesn am 20. September (949,9) erreicht gewesen, teilt Gesundheitsamtschef Dr. Wolfgang Hierl mit. Die Zahlen sind ein wenig gesunken, mit einer Inzidenz von 852,79 (Landkreis) und 806,20 (kreisfreie Stadt Rosenheim) befindet sich die Stadt immerhin nicht mehr unter den ersten zehn der Infektionshochburgen.
Von Entwarnung will Hierl trotzdem nichts wissen. Es sieht vielmehr „Anzeichen für den Beginn einer Herbstwelle“. Und die baut sich wohl gerade auf. Denn „der deutliche Effekt“, von dem Wolfgang Hierl sprach, galt lediglich für das Rosenheimer Herbstfest. Da war noch gar nicht das Oktoberfest eingerechnet, das nur eine Woche nach dem Ende des Herbstfestes begann. Das Münchner Mega-Fest wird auch von zahlreichen Menschen aus der Region besucht. Ein deutlicher Anstieg der Infektionszahlen im Verlauf der nächsten Woche ist also nicht unwahrscheinlich.
Vergleichbare Sieben-Tage-Inzidenzen meldete das Robert-Koch-Institut vor nicht ganz einem Jahr. Im November 2021 sorgten die Zahlen für Entsetzen. Seit der Dominanz der Omikron-Variante, die viel ansteckender, aber milder als die Vorgänger-Typen des Virus ist, hat Corona für viele Menschen den Schrecken verloren.
Zu Unrecht, wie Experten in der Region Rosenheim warnen. Wurden bislang viele Patienten wegen anderer Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert und dann erst positiv auf Corona getestet, sei nunmehr zunehmend Corona der Hauptgrund, sagt Ärztlicher Direktor Dr. Hanns Lohner: „Mehr als die Hälfte der Patienten kommt mittlerweile nicht mit, sondern wegen einer Covid-Erkrankung.“ Das Gesundheitsamt registriert eine beträchtliche Steigerung der mit Corona infizierten Patienten, von 110 auf 183 seit dem 22. September. Die Zahl der Intensivpatienten in der Region stieg von fünf auf neun. In drei Kliniken hätten sich zudem Infektionen im Krankenhaus ereignet, die zu Aufnahmestopps geführt haben. Von einem „Ausbruchsgeschehen“ spricht man bei mindestens zwei Infizierten.
Vor allem der Romed-Verbund fängt die Corona-Welle auf. An seinen vier Standorten betreut Romed 100 Patienten. Man nähere sich bereits den „Spitzenwerten der Vergangenheit“, sagt Lohner. „Im vergangenen Jahr hatten wir erst Mitte November so viele Covid-Patienten wie dieses Jahr bereits Anfang Oktober.“
Besonders problematisch ist für Hierl weiterhin der „krankheitsbedingte Personalausfall im ärztlichen und pflegerischen Bereich“. Dem stimmt Lohner unbedingt zu. „Durch die Personalengpässe einerseits und den hohen Patientenzustrom andererseits steuern die Kliniken gerade wieder auf eine Überlastung zu“, sagt er. In der Notfallversorgung sei zunehmend enge Abstimmung zwischen den vier Romed-Kliniken verlangt, ausgewählte Eingriffe werden verschoben.
Vor dem dritten Corona-Herbst hat sich – zumindest rechnerisch – jeder Zweite in der Region bereits angesteckt. Die Fallzahlen stiegen in den vergangenen zwei Wochen in der 64000-Einwohner-Stadt Rosenheim um 1023 auf 32604 und im Landkreis Rosenheim um 4644 auf 169156. Allerdings ist die Fallzahl nicht gleich die Zahl der Infizierten. Einerseits haben sich viele Menschen schon zweimal infiziert, andererseits haben andere wohl ihre Corona-Infektion gar nicht bemerkt.
Als an oder mit Corona gestorben wurde dem Gesundheitsamt in den vergangenen zwei Wochen ein Mensch gemeldet, der über 80 Jahre alt war und in einem Heim lebte. 594 von 899 – oder zwei Drittel – der in der Region verstorbenen Menschen waren 80 Jahre oder älter.
Infektionen
in 22 Heimen
Deswegen blickt das Gesundheitsamt wachsam auf die Alten- und Pflegeheime. Aktuell sind in 22 Heimen Infektionen verzeichnet. In drei Einrichtungen ereigneten sich Ausbrüche mit mehr als zehn Fällen. Somit steigen die Zahlen in den Heimen massiv: Betroffen waren insgesamt 104 (vor zwei Wochen: 31) Bewohner und 63 (30) Mitarbeiter. Die Verläufe seien meist mild, sagt Hierl, lediglich drei Bewohner mussten ins Krankenhaus.