„Keine Kinder angefasst“

von Redaktion

Schulbusfahrer (56) leugnet vor Gericht Missbrauch

Traunstein/Waldkraiburg/Rosenheim – „Alles Lüge. Ich bin nur meiner Arbeit nachgegangen. Ich habe keine Kinder angefasst, überhaupt keine Kinder.“ So kommentierte ein 56-jähriger Waldkraiburger die Vorwürfe, drei Buben unter 14 Jahren massiv sexuell missbraucht zu haben. Der Busfahrer muss sich seit gestern vor der Jugendkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Heike Will verantworten – unter anderem wegen 32 Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen zahlreicher Vergewaltigungen. Ein Urteil könnte Anfang Dezember ergehen.

Im Landkreis Rosenheim eingesetzt

Der Busfahrer war zwischen 2019 und 2021 auf Linien im Landkreis Rosenheim eingesetzt. Nach Anklage soll er die Buben über seine berufliche Tätigkeit kontaktiert, einen der Jungen zum Beispiel zur kostenlosen Mitfahrt eingeladen haben. Nach dem Kennenlernen soll er jeweils persönliche Treffen in der Freizeit gefordert haben.

Der 56-Jährige soll die Kinder – einen Neunjährigen sowie zwei 13-Jährige – nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft in seinem Pkw, in seinen eigenen Räumen und in der Wohnung einer Bekannten teils über Wochen hinweg regelmäßig zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Wenn die Buben sich widersetzten, soll der 56-Jährige mit der „Mafia“ und mit „Umbringen“ gedroht haben. Andererseits soll er Belohnungen wie Geld oder ein neues Handy versprochen haben.

Im Bett mit
Buben überrascht

Mitte Juli 2021 kam der Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Polizeibeamte entdeckten ihn bei der vorläufigen Festnahme mitten in der Nacht mit einem halbnackten Buben im Bett seines Schlafzimmers.

Bei der Verlesung der siebenseitigen Anklage wirkte der 56-Jährige mit Verteidiger Andreas Knoll aus Waldkraiburg an seiner Seite gelassen, fast desinteressiert. Der verheiratete Familienvater beteuerte, von der Mutter eines der Buben – laut Anklage beim ersten Treffen neun Jahre alt – „hereingelegt“ worden zu sein. Die Frau habe ihn für sich alleine haben wollen. Wenige Wochen wohnte er auch bei ihr – gegen seinen Willen, wie er meinte.

Opferanwältin Susanne Schomandl aus Rosenheim vertritt sowohl den Neunjährigen als auch einen der 13-jährigen Nebenkläger. Letzteren kannte der Angeklagte seit 2019 vom Linienbusfahren. Er habe zu dem Jungen „hallo“ gesagt, ihn weder nach Namen noch nach Alter gefragt.

„Er wollte mich fertigmachen“

Den mutmaßlichen Tatort in der Wohnung einer Freundin seiner Ehefrau kommentierte er: „Ich habe ihm nur den Schlüssel zur Wohnung gegeben, damit er die Katze füttert.“ Passiert sei weder dort noch anderswo etwas. „Warum behauptet der Junge, von Ihnen missbraucht worden zu sein?“ Auf diese Frage der Vorsitzenden Richterin antwortete der 56-Jährige: „Keine Ahnung. Er wollte mich fertigmachen.“

Der andere 13-jährige Nebenkläger, vertreten durch Anwältin Dr. Gabriele Schöch aus München, hatte den Angeklagten nach dessen Worten gebeten, ihn abends noch bei einer Bustour mitzunehmen. Vier- bis fünfmal habe ihn der Jugendliche jeweils über das Wochenende zu Hause besucht, vorgeblich mit Erlaubnis der Mutter. Er selbst habe die Mutter allerdings nicht danach gefragt, so der 56-Jährige auf Frage der vorsitzenden Richterin.

Angeklagter spricht von „Komplott“

„Für mich ist alles komisch. Es gibt mehrere Busfahrer. Warum ich? Ich weiß nicht, was da abgelaufen ist“, lautete das Fazit des Angeklagten gestern. Er schloss ein Komplott der beteiligten Familien nicht aus.

Die drei Buben wird die Jugendschutzkammer an den nächsten Terminen per Video vernehmen. Über drei Dutzend Zeugen sind im Laufe des Verfahrens geladen. Die Sachverständige, Dr. Susanne Schmittat aus München, wird zu späterer Zeit ihr Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Opferaussagen erstatten. Dr. Josef Eberl vom Bezirksklinikum in Gabersee berichtet gegen Ende des Prozesses aus psychiatrischer Sicht über den Angeklagten.

Die Hauptverhandlung wird am 18. und 25. Oktober, am 2., 8., 9., 23. und 29. November sowie am 2. und 6. Dezember jeweils um 9.30 Uhr fortgesetzt.

Monika Kretzmer-Diepold

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