Traunstein/Rosenheim – Zwei angebliche Rauschgiftlieferanten der Hells Angels in Rosenheim werden möglicherweise für zehn Jahre oder mehr ins Gefängnis gehen. Die Siebte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune unterbreitete gestern einem 43-Jährigen aus Taufkirchen und einem 37-Jährigen aus Neubiberg ihre Strafvorschläge – jeweils ein volles Geständnis vorausgesetzt.
In dem Prozess, dem letzten einer ganzen Serie seit dem Frühjahr, geht es um zahlreiche Drogen- und Waffendelikte sowie um „bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln“. Die Hauptverhandlung wird am Freitag, 4. November, um 9.15 Uhr fortgeführt.
Fünf Abnehmer der jetzigen Angeklagten erhielten in insgesamt vier Verfahren bereits hohe Freiheitsstrafen. Alle Urteile wurden rechtskräftig. Seit spätestens 2020 sollen die jetzigen beiden Männer mit verschiedenen Drogen und mit Waffen enorme Geschäfte gemacht haben. Sie belieferten laut Anklage von Staatsanwältin Barbara Miller und Staatsanwalt Nils Wewer „Kunden“ vor allem im Raum südlich von München – darunter vor allem Mitglieder des Chapters der Hells Angels Rosenheim, zum gewinnbringenden Weiterverkauf.
Aufgabenteilung
der Beschuldigten
Der 37-Jährige war dabei vorgeblich mehr mit den Kontakten ins Drogenmilieu und zu Lieferanten befasst, der 43-Jährige mit Lagerhaltung und Vertrieb. Die Finanzen sollen beide gemeinsam verwaltet haben. Die Vorwürfe beinhalten mehr als 100 Einzelfälle mit kiloweisem Verkauf von Drogen wie Kokain, Marihuana und anderen Betäubungsmitteln.
Vor etwa einem Jahr hatte die Polizei einen „Bunker“ im Keller einer Frau in Taufkirchen entdeckt – darin 14,7 Kilogramm Marihuana, 75 Gramm Haschisch, über 3,9 Kilogramm eines Kokaingemischs, 18823 EcstasyTabletten, 838 Gramm MDMA, eine Art Ecstasy in Form einer kristallinen Substanz, sowie mehr als 4,9 Kilogramm Crystal-Meth. Zusätzlich stießen die Ermittler auf vier Schusswaffen sowie etwa 260 Patronen. Auch Bargeld fand sich – in dem Kellerabteil 80450 Euro und in einer Wohnung weitere 56130 Euro. Einer der Verteidiger, Dr. Kai Wagler aus München, hatte schon bei Prozessauftakt letzte Woche für den 43-jährigen Angeklagten Bereitschaft zu einem Deal über die Höhe der Strafe im Fall eines Geständnisses signalisiert. Gestern zogen sich die Prozessbeteiligten für Stunden für ein Rechtsgespräch zurück. Vorsitzende Richterin Christina Braune berichtete anschließend, Dr. Wagler habe für den 43-Jährigen mit Geständnis nicht mehr als acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert, Verteidiger Jörg Sklebitz, ebenfalls aus München, nicht über neun Jahre für den 37-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft habe mindestens zwölf Jahre für den älteren Angeklagten beziehungsweise angemessen mehr für den 37-Jährigen als Ziel formuliert. Die Kammer schlage eine Strafe von zehn bis elf Jahren für den 43-Jährigen vor. Wegen mehrerer Vorstrafen könnte die Strafe für den 37-Jährigen im Bereich von elf Jahren neun Monaten und 13 Jahren liegen. Eine eventuelle Unterbringung der Männer zum Drogenentzug sei Thema der noch folgenden psychiatrischen Gutachten, so Vorsitzende Richterin Christina Braune.
Staatsanwältin
kann „damit leben“
Für die Anklagebehörde erklärte Staatsanwältin Barbara Miller, die Vorschläge des Gerichts zu den Strafhöhen erschienen niedrig angesichts der Drogenmengen. „Wir könnten aber damit leben“, meinte sie. Dr. Kai Wagler stimmte dem Gerichtsvorschlag namens des 43-Jährigen zu. Sein Mandant werde sich am Freitag zu den Vorwürfen einlassen. Verteidiger Jörg Sklebitz wollte den Vorschlag erst noch überdenken.
Die Zeugin mit dem Kellerabteil in Taufkirchen betonte gestern, sie habe dem 43-jährigen Angeklagten das Mitbenutzen des Kellers erlaubt, jedoch nichts von Drogen und Waffen gewusst. In seinen bei ihr untergestellten Schrank habe sie nie geschaut. Wie oft der 43-Jährige – mit oder ohne den 37-Jährigen – den Keller betreten habe, könne sie nicht sagen.
Unter den gestrigen Zeugen war einer der bereits rechtskräftig verurteilten Männer. Der 29-Jährige trug allerdings nicht zur Wahrheitsfindung bei. Er erwiderte auf Frage der Vorsitzenden Richterin nach einer Aussage lediglich: „Es gibt keine.“ Die Vorführbeamten brachten ihn umgehend in die Justizvollzugsanstalt zurück, in der er aktuell seine viereinhalbjährige Strafe absitzt. Zu Wort kam noch ein Finanzermittler. Er informierte über nicht erklärbare, teils fünfstellige Bargeldeinzahlungen auf Konten.