Polizei sucht noch immer Zeugen

von Redaktion

Vier Wochen nach Tod von Hanna haben Ermittler noch viel Arbeit vor sich

Aschau – Es sind die kleinen, oft unauffälligen Details, die eine Wende in einem Fall bringen können. Das weiß Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Er und seine Kollegen setzen daher auf die Menschen, die etwas zur Lösung im Fall Hanna beitragen können – womöglich ohne bislang selbst von der Wichtigkeit ihrer Informationen zu wissen. „Es sind manchmal Einzelheiten, die einem selber erstmal vollkommen unscheinbar vorkommen“, sagt Sonntag.

Eiskeller-Gäste
sollen sich melden

Daher wendet sich die Polizei nochmals an die Öffentlichkeit. Und das nicht nur über „Aktenzeichen XY…ungelöst“. Über einen Link, beziehungsweise QR-Code, können sich Menschen melden, die etwas zu den Ermittlungen beitragen könnten, auch wenn sie es vielleicht noch gar nicht wissen. „Hunderte von Gästen haben wir noch nicht kontaktieren können“, sagt Sonntag. „Das wollen wir forcieren.“

Hanna war in der Nacht auf Montag, 3. Oktober, nach dem Besuch des Clubs „Eiskeller“ in Hohenaschau Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Die junge Frau hatte den Club morgens gegen 2.30 Uhr augenscheinlich alleine verlassen. Das zeigen auch Bilder einer Überwachungskamera.

Auf dem Heimweg – Hannas Elternhaus liegt fußläufig entfernt in Hohenaschau – war sie offenbar auf den oder die Täter gestoßen. Womöglich im Bereich des Kampenwandparkplatzes. Dort hatten die Ermittler bei einer Suchaktion Hannas Ring gefunden. Das Schmuckstück hatte sie an jenem Abend getragen, wie sich durch ein Foto belegen ließ, das im Club entstand.

Womöglich 600 bis 800 Menschen hatten sich an diesem Abend in dem Club aufgehalten, sagt Sonntag. Etliche davon konnte die Polizei bereits vernehmen. Mit dem weit überwiegenden Teil der Club-Besucher aber konnten die Beamten noch nicht sprechen. Auf ihre Rückmeldungen sei man besonders angewiesen.

Die Polizei ermittelt jedenfalls weiterhin mit voller Kraft. Wenn auch nicht mehr mit der Anzahl von Beamten wie zu Beginn der Ermittlungen. Das hat laut Stefan Sonntag einen einfachen Grund. „Es gibt bei so einer Soko eine Art Arbeitsteilung“, sagt Sonntag. „Da gibt es Vernehmungsspezialisten, andere Beamte machen wiederum die digitale Auswertung.“

Gewisse spezialisierte Tätigkeiten zu Beginn, wenn Spuren gesichert werden müssen, sind nun nicht mehr nötig: Die Polizei macht keine Hubschrauber-Überflüge mehr, keine Taucher suchen derzeit noch die Prien oder Bärbach ab. Auch ein Callcenter, bei dem sich Zeugen melden konnten, ist momentan nicht besetzt. Am kommenden Mittwoch, 9. November, wird der Fall Thema bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ sein. Dann werden sich auch wieder Polizeibeamte um Anrufer kümmern können, sagt Sonntag. Insgesamt ermitteln derzeit gut 50 Polizeibeamte in der Sonderkommission „Club“.

Der Fall sei ungewöhnlich kompliziert gelagert, sagt Sonntag. Über die schwierige Gemengelage möchte er sich im Einzelnen nicht äußern. „Weil man zu viele Details offenlegen müsste.“ Es sei eben von den Gesamtumständen her ein schwieriger Fall, „sehr komplex, sehr auswertungsintensiv“. Da sind zum Beispiel mehr als 500 Gigabyte Daten aus Kameras, die ausgewertet werden müssen. „Das ist eine Mammutaufgabe“, sagt Sonntag.

Die Arbeit der Daten-Auswerter ist ein gutes Beispiel, will man die Mammutaufgabe der Polizei ermessen. Es reicht nicht, Bilder von einer der Überwachungskameras vier, fünf Stunden lang anzusehen und dann zur nächsten Kamera überzugehen, wie Sonntag erklärt. „Man muss ausfindig machen, wer all die Menschen sind, die da zu sehen sind.“ Und man müsse abklären, wer mit wem rede, wer wann wohin gehe. „Es geht um eine weitgehende Rekonstruktion der Bewegungen in diesem Lokal“, sagt Sonntag. „Wir wollen wissen, was an dem Abend passiert ist im Musikclub, insbesondere auch, was geschehen ist, nachdem Hanna den Club verlassen hatte.“ Ziel sei es, weitestgehend die Beziehungen der Personen in der Umgebung untereinander zu registrieren. Und vor allem zu klären, wer zuletzt Kontakt zu Hanna hatte.

Dabei ist die Polizei auf vielen Wegen unterwegs. Manche erweisen sich als Sackgasse. Vor einer Woche war die Rede von einem Jogger gewesen. Auf ihn richteten sich Hoffnungen, er könne etwas Sachdienliches beitragen. Vergebens. Neben Tasche, Lederjacke und besagtem Ring von Hanna seien noch weitere persönliche Gegenstände der jungen Frau gefunden worden, berichtete Sonntag. Was genau, darüber müsse man Stillschweigen bewahren.

Handy noch immer nicht aufgetaucht

Man habe alles versucht, das Handy zu finden, sagt der Polizeisprecher. Es sei buchstäblich alles möglich. So könne der Täter das Gerät beiseitegeschafft oder es die Prien in den Chiemsee geschwemmt haben. Wirklich weiter ist die Polizei auch mit einem anderen Objekt noch nicht gekommen: einer auffälligen Holz-Armbanduhr. Noch ist unklar, wem sie gehört oder ob sie mit dem Fall überhaupt in Verbindung steht.

Gut viereinhalb Wochen nach der Tat spricht die Polizei jedenfalls nicht von erkaltenden Spuren. „Wir sind mittendrin“, sagt Sonntag. Immer wieder gebe es neue Ansätze für Ermittlungen. Bei allen Ermittlungen gehe die Polizei eng mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt vor.

Verunsicherung in Aschau

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