Herbstwelle ist am Abklingen

von Redaktion

Gesundheitsamt gibt Entwarnung nur unter Vorbehalt – Hohe Dunkelziffer

Rosenheim – Über zwei Jahre lang war die Sieben-Tage-Inzidenz so etwas wie der Pegelstand der diversen Corona-Wellen. Und wenn es nach den Inzidenzzahlen vom Freitag geht, dann lassen Stadt und Landkreis Rosenheim gerade etwas hinter sich. „Die Herbstwelle, die maßgeblich durch die Rosenheimer Wiesn verursacht war“, so sagt es Gesundheitsamtschef Dr. Wolfgang Hierl, sie sei am Abklingen.

114,95 für die Stadt, 185,29 im Landkreis – das sind die Zahlen der Corona-Ansteckungen der vergangenen sieben Tage, hoch- oder heruntergerechnet auf 100000 Einwohner. Weniger als ein Drittel der Zahlen vom letzten Wochenbericht am 20. Oktober, ein Kurvenverlauf, der noch vor wenigen Monaten für Jubel gesorgt hätte.

Kein Vertrauen in
die Zahlen

Wolfgang Hierl gibt sich aber zurückhaltend. Der Grund? Er hat nicht mehr volles Vertrauen in die Inzidenzzahlen. „Die Zahlen sind mit Vorsicht zu betrachten“, sagt er. Denn sie beruhen auf den gemeldeten positiven PCR-Befunden. Die werden aber nicht mehr flächendeckend erhoben. Oft werden diese zuverlässigen Tests nicht mal absolviert, wenn zuvor ein positiver Antigentest vorgelegen hat. So ergibt sich eine mutmaßlich sehr hohe Dunkelziffer. „Wie oft gar kein Test gemacht wird, darüber lässt sich nur spekulieren“, sagt Hierl.

Auf die Zahlen könne man mittlerweile pfeifen, sagt auch Labor-Chef Dr. Thomas Schulzki. Weil sich so wenige Leute noch testen lassen. Und wer sich noch testen lässt, hat meistens schon einen Verdacht. So beobachtet Schulzki in seinem medizinischen Labor in Rosenheim eine hohe Quote: 90 Prozent der Tests seien positiv.

Die Dunkelziffer liegt daher womöglich um ein Mehrfaches über den ausgegebenen Zahlen. Mitten im Herbst gibt das Gesundheitsamt daher so etwas wie eine Entwarnung mit Vorbehalt. „Bei aller Zurückhaltung, es scheint zu einer gewissen Entspannung der Lage in der Bevölkerung gekommen zu sein“, sagt der Amtsleiter. Dazu passe auch die sinkende Zahl von Infektionen in Heimen. Auch seien in den Kliniken nicht mehr so viele Betten belegt, das Infektionsgeschehen dort hat sich nach den Worten Hierls ebenfalls abgeschwächt.

Wo Hierl noch Probleme sieht: In den Kliniken sei die Lage insgesamt weiterhin angespannt. Da gehe es nicht nur um die Zahl der corona-positiven Patienten, sondern vor allem um den hohen Krankenstand. Was auch an den Isolationsregeln liegt: Selbst Menschen, die keine Symptome spüren, müssen erst mal zu Hause bleiben. Wie lange diese Regeln noch gelten, wird auch davon abhängen, wie gefährlich Corona künftig eingeschätzt wird.

„Corona hat seinen Schrecken verloren“, sagt Thomas Schulzki, das Thema sei nun eher Influenza. Daran ändere auch das Auftauchen einer neuen Sub-Variante von Omikron nichts, sagt Schulzki. Cerberus heißt sie, so wie der Höllenhund aus der antiken Sagenwelt. Bislang wird der neue Typ aber dem grimmigen Namen nicht gerecht, wenngleich Experten eine höhere Fähigkeit vermuten, die Immunabwehr des Menschen zu umgehen.

Zur Stellenbeschreibung eines Gesundheitsamtschefs gehört offenbar, dass er auch mal den Rufer in der Wüste gibt. Hierl mahnt jedenfalls unverdrossen zum Impfen. Die Impfquoten in der Region Rosenheim liegen nach wie vor weit hinter dem deutschen und dem bayerischen Schnitt – mit zwei Dritteln Zweitgeimpfter und nicht mal 50 Prozent Aufgefrischter.

Die Kampagne stagniert seit Langem. Vor allem betagte Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen sollten sich unbedingt impfen lassen, sagt er. Auch nach Ansicht der Ärzte im Romed-Verbund verhindert eine Impfung zwar nicht unbedingt die Infektion. Sie mildert allerdings in sehr vielen Fällen den Verlauf der Erkrankung ab.

175315 Fälle
wurden gemeldet

Mittlerweile dürfte eine deutliche Mehrheit der Menschen in der Region Corona wenigstens einmal gehabt haben. Das Gesundheitsamt meldet 175315 Fälle. Auch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Während viele Menschen Corona wegen des Mangels an Symptomen nicht registrieren, erleben andere zwei oder drei Corona-Infektionen. Dennoch – die meisten Menschen sind wegen einer Ansteckung oder Impfung mit dem Virus in Kontakt gekommen.

Auf den zunehmenden Immunisierungsgrad und die abnehmende Aggressivität des Virus scheinen auch die Belegungszahlen der Krankenhäuser in der Stadt und im Landkreis Rosenheim hinzuweisen. Dort wurden am Donnerstag 145 positiv Getestete stationär behandelt, von ihnen fünf auf der Intensivstation. Zwei Wochen zuvor waren es noch 216 Patienten mit Corona gewesen, davon zehn auf der Intensivstation. Fünf Menschen meldet das Gesundheitsamt seit dem jüngsten Lagebericht als im Zusammenhang mit Corona verstorben. Vier von ihnen lebten in einem Heim.

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