Traunstein/Rosenheim – Trotz pauschaler Geständnisse zweier 43 und 37 Jahre alter Männer, die Mitglieder der Hells Angels in Rosenheim mit Drogen zum Weiterverkauf belieferten (wir berichteten), muss die Siebte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune eine intensive Beweisaufnahme durchführen.
Zahlreiche Verknüpfungen mit bereits abgeschlossenen früheren Verfahren der Kammer gegen fünf rechtskräftig verurteilte Mitglieder der Rockergruppe spielten dabei eine Rolle. Der Prozess wird am Freitag, 18. November, um 9.15 Uhr fortgesetzt – möglicherweise schon mit den Plädoyers und dem Urteil.
Auslieferung
erfolgte mit Pkw
Die Angeklagten aus Aschheim beziehungsweise Neubiberg, die ab 2020 zusammenarbeiteten, waren profimäßig organisiert. Sie unterhielten einen „Bunker“ bei einer nicht in die kriminellen Machenschaften eingeweihten Bekannten in deren Keller in Taufkirchen. Dort lagerten sie in einem versperrten Metallschrank kiloweise Rauschgift wie Kokain und Marihuana sowie mehrere Feuerwaffen. Leerte sich das Lager, wurden die Vorräte im Gesamtwert von mehreren Hunderttausend Euro ergänzt. Mit einem Pkw unternahmen der 43-Jährige und der 37-Jährige gemeinsame Auslieferfahrten. Dabei achteten sie darauf, strafrechtlich weitaus schärfer bewertetes Kokain möglichst rasch an die Kunden zu bringen. Marihuana war dann erst nach der Mittagsrunde dran.
Im Anschluss an ein Geschäft mit einem der Hells Angels am 13. Oktober 2021 klickten die Handschellen. Seither befanden sich die Angeklagten in Untersuchungshaft. Für den 37-Jährigen war das nicht der erste Aufenthalt in einer Zelle. Sein Vorstrafenregister enthält sieben teils einschlägige Vorahndungen, darunter verbüßte Freiheitsstrafen. Der 43-Jährige hingegen ließ sich bislang nichts Strafbares zu Schulden kommen.
Die von den Ermittlern sichergestellten Dinge aus dem Keller und aus Wohnungen werden laut gestrigem Gerichtsbeschluss in Asservatenkammern der Staatsanwaltschaft bleiben. Darunter sind die umgebauten Waffen samt Schalldämpfern, Magazinen und Munition, knapp 15 Kilogramm Marihuana, 75 Gramm Haschisch, über 3,9 Kilogramm eines Kokaingemischs, 18823 Tabletten Ecstasy, über 838 Gramm MDMA sowie mehr als 4,9 Kilogramm Crystal-Meth. Hinzu kommen hohe Bargeldbeträge – 80450 Euro aus dem „Bunker“ und 56130 Euro aus einer Wohnung. Einige der Vorwürfe in der Anklage von Staatsanwältin Barbara Miller ließ die Kammer gestern fallen. Grund laut Vorsitzender Richterin: Die Punkte fallen gegenüber den Haupttatkomplexen nicht ins Gewicht.
Die psychiatrische Sachverständige, Dr. Susanne Pächler aus München, attestierte dem 43-Jährigen, der zuletzt angeblich vier Gramm Kokain pro Tag konsumiert hatte, eine Suchterkrankung und empfahl die Unterbringung zum Entzug in einem Fachkrankenhaus. Die notwendige Therapiedauer bezifferte die Gutachterin mit zwei Jahren. Für den 37-Jährigen konstatierte Dr. Verena Klein vom Bezirksklinikum in Taufkirchen ebenfalls langjährige Suchtprobleme. Auch bei ihm sei eine Unterbringung zum Entzug erforderlich. Die Therapiedauer schätzte Klein auf eineinhalb bis zwei Jahre. Beide Angeklagte waren übrigens aus psychiatrischer Sicht voll für ihr Handeln verantwortlich.
Rechtsgespräch
mit Staatsanwältin
In welchen Rahmen sich die Freiheitsstrafen – unabhängig von einer eventuellen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – bewegen, hat die Kammer bereits nach einem Rechtsgespräch mit Staatsanwältin Barbara Miller sowie den Münchner Verteidigern Dr. Kai Wagler und Jörg Sklebitz fixiert. Dank der Geständnisse werden die Strafen zwischen zehn und elf Jahren für den 43-Jährigen und für den 37-Jährigen zwischen elf Jahren neun Monaten und 13 Jahren betragen. Beide Angeklagte waren damit einverstanden.