Bub nachts frierend im Wald aufgetaucht

von Redaktion

Busfahrer-Prozess in Traunstein fortgesetzt – Mehrere Schüler sagen aus

Traunstein/Waldkraiburg – Eine seltsame Szene erlebte eine Gruppe von Jungen bei einem nächtlichen Treffen. Aus einem Waldstück kam ihnen gegen 3 Uhr morgens ein frierender Junge entgegen. Angeblich hatte ihn ein 56-Jähriger seines Autos verwiesen. Der Busfahrer aus Waldkraiburg muss sich derzeit wegen schweren sexuellen Missbrauchs von drei Buben und vielfacher Vergewaltigung seit März 2021 vor der Jugendschutzkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Heike Will verantworten (wir berichteten).

Angeklagter muss
wieder hinter Gitter

Die Clique hielt sich nach gestrigen Angaben des 16-jährigen Zeugen vor Gericht am Rande eines Wäldchens auf. Man unterhielt sich. Plötzlich tauchte aus der Dunkelheit ein Bub auf. Die Freunde gaben ihm eine Decke, damit er sich etwas aufwärmen konnte. Auf Fragen erzählte der Junge damals, der 56-jährige Busfahrer habe ihn schon öfter angefasst und ihn bedroht, wenn er nicht mitmachen würde. Ein Mädchen aus der gleichen Clique erinnerte sich, sie habe beobachtet, wie einer der Geschädigten telefoniert habe und dann zu dem Busfahrer in dessen Privatauto gestiegen sei. Einer Freundin habe der Junge erzählt, es gehe ihm schlecht, er könne nicht mehr. Oft habe er geweint. Die Freundin habe ihr, so die Zeugin, geschrieben, der Bub werde öfter von dem Busfahrer vergewaltigt und habe vom Festhalten blaue Flecken am Handgelenk gehabt.

Die Schüler, alle anfangs unter 14 Jahre alt, soll der Busfahrer über seine Arbeit auf Linien im Landkreis Rosenheim kennengelernt haben. Er soll sie mit Geschenken gelockt haben, ihn vor allem an Wochenenden zu besuchen. Oder sie sollten mit ihm in entlegene Waldstücke beziehungsweise zur Wohnung einer zu den betreffenden Zeiten nicht anwesenden Bekannten fahren.

Der mutmaßliche Sextäter soll die Kinder zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Wenn die Opfer sich weigerten, wurden sie oder Angehörige gemäß Anklage der Staatsanwältinnen Karin Hahn und Helena Neumeier übel bedroht. Der 56-Jährige hat weder bei der Polizei noch in dem Prozess je etwas von den Vorwürfen eingeräumt. Wie bisher an allen Verhandlungstagen wirkte er gestern teilnahmslos und desinteressiert.

Gestern waren Zeugen aus dem Bekanntenkreis an der Reihe. Ein 16-Jähriger schilderte, er sei öfter mal privat in einem Bus mit dem Angeklagten am Steuer mitgefahren. Mal habe er kein Ticket gebraucht, mal habe er zahlen müssen. Einen der Nebenkläger, der täglich den Linienbus nutzte, habe er oft mit dem Angeklagten an der Haltestelle stehen sehen. Von dem anderen habe er gehört, der 56-Jährige habe ihm Zigaretten und Geschenke gegeben – weil er mit dem Buben Zeit verbringen wollte. Von dem Jungen habe er auch von Drohungen des Angeklagten erfahren – wenn der Junge das Handy ausgeschaltet oder mit Mädchen Kontakt hatte.

Nach den ersten Zeugenaussagen in dem Ermittlungsverfahren der Polizei habe einer der Nebenkläger von dem Missbrauch und den Vergewaltigungen erzählt. Eine junge Zeugin erinnerte sich an die Bemerkung eines Freunds, der Angeklagte sei schwul. Ein weiterer 16-Jähriger aus der Clique hatte mitbekommen, dass der Angeklagte einen der Geschädigten zum „Schuhe kaufen“ oder zu McDonalds abholte. Zahllose DNA-Spuren auf Bettwäsche, Handtüchern, Waschlappen, Taschentüchern, Küchenrollentüchern und Ähnlichem, aber auch auf einer Herrenunterhose, entdeckte eine Biologin vom Bayerischen Landeskriminalamt.

Häufig fand sich in Mischspuren von bis zu drei Personen auch DNA von jeweils einem der Nebenkläger und des Angeklagten. Ob die Genspuren zeitgleich entstanden, vermochte die Biologin allerdings nicht zu sagen. Wie eine Mischspur von drei Personen in eine Männerunterhose kommt, könne verschiedene Ursachen haben. Dafür reiche manchmal, etwas nur anzufassen, erklärte die Biologin.

Urteil kommt
erst im Januar 2023

Der Busfahrer, Mitte 2021 wegen Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauch von Kindern vorläufig festgenommen und im Mai 2022 mit Beschluss des Oberlandesgerichts München auf freien Fuß gesetzt, muss wieder hinter Gitter. Polizeibeamte präsentierten dem sichtlich überraschten Mann gestern nach Schluss des siebten Verhandlungstags der Jugendkammer einen neuerlichen Haftbefehl – erwirkt von der Kriminalpolizeistation Mühldorf wegen neuer Vorwürfe in Richtung Kindsmissbrauch.

Der auf inzwischen 15 Tage terminierte Prozess geht am Dienstag, 29. November, um 9.30 Uhr weiter. Mit dem Urteil ist erst Ende Januar 2023 zu rechnen.

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