Aschau – Ein Tatverdächtiger sitzt in Untersuchungshaft. Doch die Polizei betont, die Soko „Club“ hat noch viel Arbeit vor sich. Bereits vor der Festnahme lag eine Holzuhr im Fokus der Kripo. Diese Uhr der Marke Holzkern ist ein wichtiges Puzzleteil für die 50-köpfige Sonderkommission, die den gewaltsamen Tod der 23-jährigen Medizinstudentin Hanna W. aus Aschau aufklären will. Die Ermittler sind zwar noch nicht am Ziel, haben aber Fortschritte bei ihren Nachforschungen gemacht.
Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, spricht von einer Sisyphosarbeit. Dennoch scheut die Kripo keine Mühe, herauszufinden, wem die Holzuhr, Modell „Charlie“, gehört. Wie berichtet, wurde sie nach dem Tötungsdelikt in der Nähe des Kampenwandparkplatzes im Bärbach gefunden – unweit von einem Ring, den Hanna an diesem Abend nachweislich trug. Die Kernfrage: Kam es zwischen Täter und Opfer zu einem erbitterten Kampf, bei dem der Angreifer die Uhr verlor?
Vertriebswege
im Visier
Vor drei Jahren kam das Modell eines österreichischen Herstellers auf den Markt. Mittlerweile weiß die Soko „Club“, dass sie allein im Internet deutlich über 1500-mal verkauft wurde. „Wir wollen alle Vertriebswege nachvollziehen und nach Möglichkeit jeden einzelnen Käufer kennen, der eine solche Uhr erworben hat“, betont Sonntag. „Das ist unfassbar aufwendig.“
Ob das Fundstück tatsächlich Bezug zur Tat hat und wie es in den Bärbach gelangte, all das will die Kripo detailgenau nachvollziehen können. Dafür sei der Sonderkommission keine Anstrengung zu groß, so Sonntag.
Polizeitaucher hatten die Uhr bei einer Suchaktion entdeckt, das Holzband war abgerissen. Auch in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY, die Anfang November über das Verbrechen berichtete, spielte sie eine zentrale Rolle. 90 Hinweise auf die Uhr erbrachte die Berichterstattung in dieser Sendung. Etwa 50 gingen im Fernsehstudio ein, weitere 40 direkt bei der Kripo in Rosenheim. Ein entscheidender Hinweis, der zum Besitzer führte, war jedoch nicht dabei. Ihn zu finden, bleibt laut Sonntag nach wie vor ein wichtiges Ziel der Ermittler.
Strafverteidiger des inzwischen inhaftierten jungen Mannes ist Harald Baumgärtl (62) aus Rosenheim. Der Haftbefehl lautet auf Mord. „Ob es am Ende bei Mord bleibt oder es Totschlag wird, wird sich in der Hauptverhandlung vor Gericht entscheiden“, nimmt es der erfahrene Strafverteidiger gelassen. Denn: Die Ermittlungsbehörden müssten bis dahin die entsprechenden Mordmerkmale auch liefern. „Der Vorwurf der Heimtücke fällt beispielsweise schnell, aber es muss auch nachgewiesen werden.“
Strafverteidiger Baumgärtl rechnet denn auch mit Wochen und Monaten, die die Ermittlungen noch andauern werden. „Vor Frühjahr wird es sicherlich keine Anklage geben“, sagt der Rosenheimer Anwalt im OVB-Gespräch. Den Fall Hanna bezeichnet selbst Baumgärtl mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung als „ziemlich schwierigen Fall, in alle Richtungen“.
Was Baumgärtl aktuell beschäftigt: das Studium der Akten.
Seite für Seite wird studiert, dabei macht er sich Notizen, was es zu hinterfragen, wo es nachzuhaken gilt. Und was womöglich eine Richtungsänderung herbeiführen könnte. Denn darauf legen der Strafverteidiger wie auch die Polizei großen Wert: Es zählt weiter die Unschuldsvermutung.
Derzeit macht der Inhaftierte von seinem Schweigerecht Gebrauch. „Was bei einem Kapitalverbrechen durchaus üblich ist“, betont Baumgärtl. Die erste längere Besprechung zwischen dem Strafverteidiger und seinem Mandanten erfolgte Mittwochnachmittag in der JVA. Baumgärtl spricht dabei von einem „Haftschock“, den der junge Mann erlitten habe. „Wie soll es einem schon ergehen, wenn Sie sich als unbescholtener Heranwachsender in einer Haftsituation wiederfinden? Da bricht eine Welt zusammen. Kein Kontakt zur Familie, zur Außenwelt.“
„Ein Jugendpsychiater wird ein Gutachten erstellen, ob das Erwachsenenstrafrecht oder das Jugendstrafrecht herangezogen werden sollte“, erläutert Baumgärtl. Die letztendliche Entscheidung liege dann aber bei Gericht.
Derzeit läuft
das Aktenstudium
Ob nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht geurteilt wird, macht einen immensen Unterschied: Im Jugendstrafrecht wird Mord mit maximal 15 Jahren geahndet, im Erwachsenenstrafrecht indes mit lebenslänglich. Ein geringeres Strafmaß – bis zu zehn Jahre im Jugendstrafrecht – wäre bei Totschlag zu erwarten, sollten sich Mordmerkmale wie Heimtücke, Grausamkeit oder sonstige niedrige Beweggründe nicht nachweisen lassen.
Für Baumgärtl spielen diese Überlegungen aktuell noch keine Rolle: Er wird sich weiter in die Akten vertiefen und sein Möglichstes für seinen Mandanten tun. „Das ist meine Rolle als Strafverteidiger.“ Und er ergänzt: „In Fällen wie diesen gibt es im Prinzip nur Verlierer: Hanna und ihre Familie, aber auch den Täter und dessen Familie.“