„Ich möchte Danke sagen“

von Redaktion

Nach der Flucht aus der Ukraine will Maksim Lazniuk in Prien neu anfangen

Prien – „Hier grüßen sich die Leute. Das gefällt mir“, sagt Maksim Lazniuk über die Prienerinnen und Priener, von denen er viel Hilfe erfahren hat. Die Marktgemeinde ist seit gut einem halben Jahr sein Zufluchtsort vor dem russischen Krieg in der Ukraine. Der gelernte Koch möchte bleiben.

Das neue Kapitel in seinem Leben hat er schnell aufgeschlagen. Schon acht Wochen nach seiner Ankunft begann er in Prien als Koch zu arbeiten und mietete sich in einer WG ein. Deutsch lernt er bei der Arbeit, und irgendwann möchte der 37-Jährige eine Familie gründen.

Schwester ist schon
Kriegswitwe

Zum Gespräch mit der Chiemgau-Zeitung erscheint Maksim Lazniuk ohne Kochschürze. Er kommt gerade von der Hausarbeit in seiner WG, denn heute hat er frei. Über die Wohnung, die er mit einem weiteren Ukrainer bewohnt, sei er sehr glücklich, sagt er.

„Die Menschen hier in Prien haben mir so viel geholfen, beim Einrichten unserer Wohnung und beim Jobfinden und allem. Ich möchte Danke sagen“, betont der 37-Jährige. Dankbar ist er auch dafür, dass er dem Krieg entkommen ist. Musste er nicht zur Armee? „Doch, ich wäre sofort eingezogen worden. Aber ich habe zu der Zeit in Serbien gearbeitet“, schildert Lazniuk. Gleich am ersten Kriegstag wurde der Mann seiner Schwester nahe Mykolaijw von einer der ersten russischen Bomben getötet. Schwer geschockt floh sie mit ihrem fünfjährigen Kind nach Deutschland. Eltern gibt es nicht mehr. „Meine Schwester hat nur noch mich. Sie hat mich angefleht, dass ich auch nach Deutschland flüchte und sagte: ,Du darfst nicht auch noch sterben´“, erzählt der Ukrainer fast tonlos. In seine Heimat Kaniw, rund 150 Kilometer südlich von Kiew, kehrte Lazniuk nicht wieder zurück.

Am 24. April kam Maksim Lazniuk über München und Rosenheim in Prien an. „Die Sozialarbeiter am Bahnhof haben uns einen Bus gezeigt, der würde uns in eine Gemeinde bringen“, erinnert er sich. Die ersten Wochen in der Turnhalle des Ludwig-Thoma-Gymnasiums seien hart gewesen. „Ich wollte nicht herumsitzen. Ich wollte unbedingt arbeiten“, sagt er.

Das meiste lerne er aber während der Arbeit. Anfangs zeigte ihm sein Chef die Gerichte, Maksim fotografierte sie mit dem Handy und prägte sich die Namen der Speisen ein. Mittlerweile kann er sich mit seinen Kollegen in der Küche unterhalten. „Wir sprechen Deutsch auf Kindergartenniveau“, lacht er. Denn die halbe Mannschaft sei nicht deutschsprachig. Wobei er hinzufügt: „Wenn man ins kalte Wasser springt und sich komplett mit der anderen Sprache flutet, geht alles schnell.“ Für einen Sprachkurs war wegen der Arbeit bisher keine Zeit. Maksim Lazniuk arbeitet von 9 bis 14 und von 17 bis 21 Uhr, im Sommer auch bis 22 Uhr. „Ich möchte einen Schnellkurs machen, sobald es irgendwie geht.“ Vielleicht könne er diesen in Absprache mit seinem Arbeitgeber im Winter vereinbaren. Was ihm an der Arbeit gefällt, wo doch in Deutschland selbst Gastronomen so schwer Köche finden? Das Team sei super und der Chef nett, meint er. Alle würden sich gegenseitig helfen. Egal ob er Kartoffeln schneidet oder Fisch brät, er möge seine Arbeit, sagt Lazniuk und beschreibt sein Kochfaible so: „Den Leuten Essen zu machen, ist etwas so Schönes. Du machst sie glücklich mit gutem Essen. Mir ist auch wichtig, dass es schön aussieht, und ich koche einfach gerne.

„Fischer am See“-Chef Oliver Leyk ist froh über seine halb deutsche und halb ausländische, bunt gemischte Küchentruppe. „Die ukrainischen Jungs kommen schon ausgebildet zu uns. Die schauen sich an, was wie geht und wissen, wie der Hase läuft“, schildert er. Das Gegenteil habe er mit manch anderen jungen Männern aus anderen Ländern erlebt: „Die hatten angebliche Wahnsinnszeugnisse, sind aber schon an der Zwiebel gescheitert.“ Das Personal müsse wertgeschätzt und auch in Pandemiezeiten voll bezahlt werden – weshalb ihm seine Leute auch geblieben seien.

Die Weite seiner Heimat Ukraine vermisse er schon, sagt Maksim Lazniuk – und die typischen Teigtaschen „Vareniki“. Er hat sich noch nicht getraut, seinem Chef vorzuschlagen, einen ukrainischen Monat im Restaurant zu machen. Sobald er mehr Erfahrung gesammelt habe, werde er das vielleicht machen. In dem Restaurant wechselt jeden Monat das Speisenmotto, jetzt im Dezember sind es gerade Meeresfrüchte.

Kochabende im
Jugendzentrum

Der Ukrainer sehnt sich nach dem nächsten Sommer. Dann wolle er wieder im Chiemsee baden, Rad fahren und wandern gehen – regelmäßig auch mit seiner Schwester und der kleinen Nichte. Im Winter sind die Kochabende im Priener Jugendzentrum ein Fixpunkt für ihn und rund 30 weitere Ukrainer und Priener. Wenn er sich etwas wünschen könnte, wäre es eine eigene Familie. Das antwortet er ein wenig schüchtern lächelnd auf die Frage, wie es für ihn weitergehen wird. Dann atmet er einmal tief ein: „Ich würde gerne eine Liebe finden. Ich möchte einen Neuanfang wagen.“

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