„Die Leute haben Angst“

von Redaktion

Vorfall mit Schreckschusspistole an Uni München sorgt für Verunsicherung – Notfallpläne liegen vor

Ein Überblick, wie viele Waffenscheine die Ämter in der Region ausgestellt haben. Klinger

Rosenheim – Ein Student der Ludwig-Maximilians-Universität hat eine Schreckschusspistole in die Vorlesung mitgenommen. Nach Protesten hat die Universität nun ein Verbot eingeführt. Die unterschiedlichen Regeln an der TH Rosenheim und in Einrichtungen von Stadt und Landkreis überraschen.

Nach Schießereien in den USA tobt die Debatte um das dort verfassungsmäßig garantierte Recht auf Waffenbesitz regelmäßig. Dagegen spielt in Deutschland das Thema Waffen in den Medien meist kaum eine Rolle. In den vergangenen Wochen hat sich das geändert.

Ein Student der Ludwig-Maximilians-Universität in München hatte eine Schreckschusswaffe im Hörsaal dabei. Die Polizei kam, Studierende protestierten und die Uni änderte ihre Hausordnung. Nun sind Waffen auf dem Universitätsgelände verboten. Der junge Mann darf seine Schreckschusspistole nicht mehr mitführen, obwohl er den dafür notwendigen kleinen Waffenschein hat.

Hausordnung
wird überprüft

An der Technischen Hochschule (TH) Rosenheim ist die Situation anders: Studierende könnten theoretisch Waffen mitführen. „Die Hausordnung der TH Rosenheim sieht kein explizites Verbot von Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen vor“, sagt Pressesprecher Anton Maier. Einen Vorfall wie an der Münchner Universität habe es an der TH bislang aber nicht gegeben. Maier zufolge nehmen die Verantwortlichen den Vorfall zum Anlass, die Hausordnung zu überprüfen.

Auch an der Beruflichen Oberschule Rosenheim wurde Schulleiter Stefan Schellenberger zufolge bislang kein Schüler mit einer Waffe gesehen. Diese seien „natürlich nicht erlaubt“. Die Mitarbeiter der Schule führen jedoch keine Taschen- oder Körperkontrollen durch. „Sollte uns diesbezüglich etwas auffallen, würden wir unverzüglich unseren Notfallplan aktivieren, der ständig überprüft wird“, versichert Schellenberger. Aus Sicherheitsgründen könne er keine Details des Notfallplans bekannt geben. Die Polizei werde in solchen Fällen jedoch immer alarmiert. Und das ist nicht die einzige Konsequenz: „Bei einem Verstoß droht Schulausschluss.“

Jede staatliche Schule muss Günther Schuster, Sprecher des Kultusministeriums, zufolge ein Sicherheitskonzept entwickeln und kontinuierlich aktualisieren. Das Konzept erarbeite die Schule in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten sowie mit dem Schulaufwandsträger und der Polizei. Neben dem Waffengesetz gilt zudem die Bayerische Schulordnung. Danach ist das Mitbringen und Mitführen von gefährlichen Gegenständen wie Waffen, die den Unterricht oder die Ordnung der Schule stören, untersagt. 

Laut Carolin Englert, Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, hat es seit 2018 einige wenige Fälle im Bereich des Präsidiums gegeben, bei denen es zu Einsätzen wegen Waffen an Schulen kam. Ein Vorfall spielte sich am 14. Juli 2022 in Edling ab. Ein damals 13-jähriger Schüler zeigte auf dem Pausenhof eine Softair-Pistole. Die Lehrer hätten dem Jungen die Pistole abgenommen und die Polizei verständigt. Die Polizei nehme alle Hinweise auf bewaffnete Personen ernst und gehe jedem Fall nach.

Englert versteht, dass das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit „bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung für Angst und Verunsicherung“ sorgt. Laut der Polizistin sollten Besitzer Waffen aller Art deshalb nur dort tragen, wo dies erlaubt oder unabdingbar ist – etwa beim Schießsport in den entsprechenden Einrichtungen.

Im Gegensatz zu Schulen gibt es im Landratsamt und in Einrichtungen der Stadt Rosenheim keine Hausordnung, die Waffen verbietet. Es gilt das Waffengesetz. Im Landratsamt könnten, Sprecher Michael Fischer zufolge, Waffen nicht verboten werden, weil Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse, Jäger oder Sportschützen, die Waffenbehörde im Landratsamt besuchen. Jäger brauchen keinen Waffenschein, sondern einen Jagdschein, der nicht zum Führen von Waffen in der Öffentlichkeit berechtigt. Auch Sportschützen dürfen dies nicht.

Nach dem Waffengesetz dürfen ohnehin nur Menschen Waffen in der Öffentlichkeit tragen, die einen Schein besitzen. Zudem müssen sie dies verdeckt tun. Halter eines kleinen Waffenscheins müssen mindestens 18 Jahre alt sein, ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit, ihre persönliche Eignung und die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition nachweisen. Auf Webseiten von Schützenvereinen heißt es, der kleine Waffenschein ist „recht unkompliziert bei der Waffenbehörde“ erhältlich. Der große Waffenschein sei mit mehr Aufwand verbunden.

Wer einen kleinen Waffenschein hat, darf erlaubnisfreie Waffen, wie Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen, außerhalb der eigenen Wohnung, der eigenen Geschäftsräume, des eigenen Besitztums, beispielsweise eines Gartens, oder einer Schießstätte verdeckt tragen. Auf öffentlichen Veranstaltungen dürfen die Besitzer die Waffen jedoch nicht mit sich führen.

Auch bei Konzerten oder Theaterstücken im Kuko sowie Veranstaltungen der Stadt dürfen Waffenschein-Besitzer keine Schreckschusspistole mitbringen. Sprecher Christian Schwalm sind keine Fälle bekannt, dass jemand eine Waffe mitgeführt hat. Es gebe aber Präventiv-Konzepte, wie die Mitarbeiter im Falle eines Amoklaufs oder einer psychischen Ausnahmesituation handeln sollen. „Das ist zielführender als eine Hausordnung“, sagt Schwalm.

Situation anders
als in den USA

Anton Daurer, Betreiber des gleichnamigen Waffenladens in Rosenheim, versteht Waffenträger: „Die Leute haben Angst.“ Ob beim Spazierengehen, beim Fischen oder in der Uni. In der Zeitung sei ständig von Überfällen zu lesen. Wie von dem 19-Jährigen, der Ende November in Kiefersfelden zusammengeschlagen wurde. Dennoch versteht Daurer, weshalb andere Menschen vor Waffenträgern Angst haben. Doch solche Situationen wie den USA brauche in Deutschland niemand zu befürchten.

Zunahme nicht bestätigt

In Rosenheim besitzen aktuell 441 Personen den kleinen und zwei Personen den großen Waffenschein. Eine Zunahme kann das Rosenheimer Ordnungsamt nicht bestätigen. Jedes Jahr kämen zwischen 25 und 30 Inhaber hinzu. Im Landkreis Rosenheim besitzen derzeit 2003 Personen den kleinen Waffenschein und 32 Personen den großen Waffenschein. Seit 2020 ist die Ausstellung von kleinen Waffenscheinen leicht gestiegen. Während 2020 noch 94 Personen den Schein beantragten, waren es ein Jahr später 103 Bürger und das Jahr darauf 120. Von 2020 bis 2022 wurde pro Jahr nur ein großer Waffenschein ausgestellt.

Artikel 7 von 11