Zusammenhalt und Gemütlichkeit

von Redaktion

Mittergarser Stammtisch trifft sich zum 2000. Mal – Besondere Aufnahmerituale

Mittergars – In zwei Stunden 20 Semmeln verdrücken, das muss heute keiner mehr, der beim Dienstags-Stammtisch Aufnahme finden will. Anno 1987 verhielt sich die Sache noch anders. „Damals herrschte das Leistungsprinzip. Und das Motto: Was kannst du denn besonders gut?“, lacht Roland Thanhäuser, seit 20 Jahren Präsident des Stammtisches. Der Girgl Zieglgänsberger war es, der 1987 den Semmelberg verschlang, um den anderen Stammtischbrüdern zu beweisen, ich bin stark und somit einer von euch. Die eigenwillige Kalorienzufuhr schadete dem Mann offenbar nicht, denn er sitzt bis heute in der illustren Runde, die jede Woche die Fahne für die bayerische Stammtischkultur hochhält.

Traditionsbewusst
gegen den Strom

Mag diese anderenorts den Bach hinunter gehen, Mittergars hält eisern und erfolgreich dagegen. Den Beweis dafür lieferten die traditionsbewussten Stammtischler am Nikolaustag, als Roland Thanhäuser zum 2000. Mal die Stammtischglocke läuten konnte. An diesem Abend durfte natürlich auch ein Blick in die Chronik nicht fehlen, die allerdings ein genaues Gründungsdatum vermissen lässt. „Wir waren anfangs eine lockere Gemeinschaft, die sich meistens am Dienstag im Gasthaus Volger traf“, erinnert sich Ludwig Geisberger, der zu den Männern der ersten Stunde zählt. Roland Thanhäuser hakte ein und verkündete: „Zwischen 1975 und 1978 formierte sich langsam der sogenannte Irda-Stammtisch, wie unsere Großeltern den Dienstag nannten.“ Und noch eine Besonderheit kann nicht unerwähnt bleiben: Das Gasthaus Volger ist bei den Einheimischen als „die Hex“ bekannt. So kam es, dass der Stammtisch später auf diesen Namen getauft wurde. Um die Zusammengehörigkeit zu dokumentieren, wurden 1979 Bierkrügerl mit eingravierten Namen angeschafft. „Wer von uns am meisten sauft, geben wir aber nicht preis“, meint einer in der Runde. Einige Stammtischbrüder witzelten und sagten im Laufe der Zeit seien sogar „korrekte Leute“ zum Stammtisch gestoßen, die sich als Chronisten und Buchhalter eigneten. Seit 31. August 1982 führen die Verantwortlichen nämlich akribisch eine Liste, die sofort aufdeckt, wer sich am Dienstag blicken lässt und wer nicht. Über Fehlzeiten oder über arges Zuspätkommen freut sich die Stammtisch-Sau, die dann mit jeweils 50 Cent gefüttert wird. Einen Mitgliedsbeitrag gibt es nicht. Der Stammtisch veranstaltet jedes Jahr an Kirchweih einen Hoagarten, der etwas Geld in die Kasse bringt. „Früher waren wir umtriebiger“, gibt Roland Thanhäuser zu und erwähnt dabei Veranstaltungen wie die Faschingsfahnenweihe oder die Beerdigung der Deutschen Mark. Bei diesen zünftigen Feierlichkeiten blieb auch finanziell etwas hängen. 30 gestandene Männer bilden bis heute den Kern der Stammtischgruppe. Wer zu den eingefleischten Stammtischlern neu dazukommen will, hat folgende Hürde zu meistern: Von den 50 Treffen im Jahr muss der Kandidat an mindestens 25 Dienstagen erscheinen. „Damit dokumentiert er oder auch sie die Ernsthaftigkeit sich uns anzuschließen“, betont Thanhäuser. Sieglinde Jakob ist übrigens das einzige weibliche Mitglied. Gemeinsam mit ihrem Mann wurde sie vor Jahren Stammtischlerin. Letztes Jahr ist Sieglindes Mann verstorben, dem Stammtisch bleibt sie aber treu. Sie sei aber beileibe keine „Quotenfrau“, sie gehöre einfach dazu. Die Stammtischler, zwischen 29 und 84 Jahren alt, mussten im Laufe ihres Bestehens zweimal umziehen. Als die Volger-Wirtin verstarb und das Gasthaus zusperrte, fanden die Brüder und die Schwester im Dorfsaal eine neue Heimat. Zum Jahreswechsel 2019/20 siedelte der Dienstags-Stammtisch erneut um. Jetzt „dischkrian“ sie im Schützenheim über Politik, Frauen und was es sonst noch auf der Welt gibt. Der Stammtisch heißt nun auch nicht mehr „Zur Hex“, sondern einfach und pragmatisch Dienstags-Stammtisch. Seit drei Jahren bekocht Anni Wollgast die Gemeinschaft. Augenzwinkernd meint Präsident Thanhäuser: „Die Anni ist zwar so was wie eine Preußin, trotzdem kocht sie super und abwechslungsreich“. Und warum hält man dem Stammtisch über viele Jahre hinweg die Treue? Darauf wissen Ludwig Geisberger und der Sepp Kobus einleuchtende Antworten.

„Ab und zu von
seiner Frau weg“

„Am Dienstag kommt meistens nichts Gescheites im Fernsehen und außerdem muss ein Mann auch ab und zu von seiner Frau weg“, erzählen sie lachend. Der 2000. Stammtisch stand am vergangenen Dienstag ganz unter den Zeichen von Zusammenhalt und bayerischer Gemütlichkeit. Die Gesellschaft dachte aber auch an ihre verstorbenen Mitglieder wie an ihren ersten Präsidenten Sepp Zwiefelhofer und an den Chronisten Peter Bauernschmid.

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