Haag/Traunstein – Vor dem Landgericht Traunstein ist vor Kurzem eine Mutter zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie ihr Baby schwer misshandelt hat. Während der Verhandlung hatten Nachbarn ausgesagt, die „von regelmäßig weinenden Kindern“ berichtet hatten. Wie sollten Nachbarn reagieren, die solche Verdachtsfälle mitbekommen? Wie reagiert das Jugendamt auf solche Meldungen? Wir haben beim Landratsamt Mühldorf nachgefragt.
Was rät das Jugendamt allen, die Beobachtungen machen und in Sorge sind, ein Kind könne gefährdet sein?
Jeder, der sich Sorgen um ein Kind macht, kann sich im Jugendamt – natürlich auch anonym – beraten lassen, was man tun kann beziehungsweise sollte. Da jeder Fall individuell ist, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.
Wie ist die Vorgehensweise des Jugendamtes, nachdem ein Verdachtsfall gemeldet wurde?
Das Jugendamt geht jedem Verdacht nach den gesetzlichen Vorgaben nach Paragraf 8a SGB VIII nach: Mehrere Fachkräfte schätzen die Gefährdung ein oder holen gegebenenfalls noch weitere Informationen ein. Mit den Eltern und – altersadäquat – auch mit den Kindern werden die Inhalte besprochen. Fachkräfte machen sich einen Eindruck von der persönlichen Umgebung des Kindes und suchen gemeinsam nach geeigneten Hilfen und Unterstützungsangeboten. Das konkrete Vorgehen im Einzelfall wird immer individuell aufgrund der gemeldeten Inhalte bestimmt.
Welche Schritte werden eingeleitet?
In der Regel gilt es zuerst immer, die Eltern zur Inanspruchnahme von Hilfen zu motivieren. Hierfür finden mehrere Kontakte mit den Eltern und den Kindern statt. Wenn dies aber nicht gelingt und das Kind weiterhin gefährdet ist, wird das Familiengericht eingeschaltet oder bei akuter Gefahr das Kind in Obhut genommen.
Wann wird ein Kind aus einer Familie und in Obhut genommen?
Wenn eine akute Gefahr für das Kind besteht und die Eltern nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, diese Gefahr abzuwenden, und eine Entscheidung des Familiengerichts nicht abgewartet werden kann, ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind in Obhut zu nehmen. Darüber hat das Jugendamt das Familiengericht unmittelbar in Kenntnis zu setzen.
Was rät das Jugendamt Eltern, die überfordert sind?
Es gibt viele Beratungs- und Unterstützungsangebote. Wenn Eltern spüren, dass sie überfordert sind, sollten sie nicht zögern, sich Hilfe zu holen.
Welche Hilfen gibt es für Eltern, die überfordert sind?
Eltern können sich in allen Fragen der Erziehung, zum Beispiel an die Erziehungsberatungsstelle wenden. Auch an den Familienstützpunkten im Landkreis werden sie gut beraten und gegebenenfalls an andere Fachstellen weitervermittelt. Eltern und Kinder können sich zudem beim Jugendamt Hilfe holen (Telefon 08631/699770). Die Kolleginnen von Netzwerk frühe Kindheit (KOKI) beraten und vermitteln ebenfalls an andere Beratungsstellen, wenn Eltern mit Kindern im Alter bis sechs Jahren Unterstützung brauchen. Darüber hinaus gibt es im Rahmen der Hilfen zur Erziehung auch Familienhilfen, die Familien ganz individuell begleiten können.
Interview: Heike Duczek