Eggstätt – Teure Uhren und Accessoires auf der Ladefläche, Hungerlohn im eigenen Geldbeutel? Wie mager sich das Leben bei Mindestlohn und Inflation in einer Hochpreis-Region wie Rosenheim anfühlt, davon können offenbar viele Beschäftigten bei dem Logistikunternehmen Fesco in Eggstätt erzählen.
Am gestrigen Montag streikten daher von 5 Uhr morgens bis 10 Uhr vormittags viele Beschäftigte. Am heutigen Dienstag wird der Warnstreik fortgesetzt. Bereits im Dezember war gestreikt worden.
Es geht tatsächlich ums Geld. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi spricht von „Mindestlohnniveau“ und bezeichnet die Weigerung von Fesco, beim Gehalt nachzubessern, als „schallende Ohrfeige“ für die Beschäftigten – vor allem angesichts der hohen Inflation und enormer Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie.
Fesco hat sich bislang nicht zu Verhandlungen bewegen lassen. Für Andreas Bernauer, zuständiger Gewerkschaftssekretär bei Verdi in Rosenheim, ist der Mangel an Gesprächsbereitschaft „vollkommen unverständlich“. Fesco stehe wie viele andere Speditionen und Logistikunternehmen auch infolge von Corona finanziell gut da und könne sich Lohnsteigerungen locker leisten, betonte der Gewerkschafter gegenüber den OVB-Heimatzeitungen.
Anerkennung des
Tarifvertrags gefordert
Verdi fordert daher die Anerkennung des Flächentarifvertrags für das bayerische Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe.
Möglicherweise steht da das Kind besser da als die Mutter. Fesco ist eine Logistikfirma mit 300 Beschäftigten in Eggstätt – und eine 100-prozentige Tochter von Fossil. Die Texaner entwerfen, vermarkten und vertreiben Uhren, Mode und Accessoires im mittleren und höheren Preissegment. Der deutsche Ableger des Konzerns sitzt in Grabenstätt im Landkreis Traunstein.
Weltweit arbeiteten nach den Daten des Finanzportals Ariva.de 2021 6900 Mitarbeiter für Fossil. 2017 waren es noch 12300 gewesen. In diesem Zeitraum sank der Umsatz von 2,78 auf 1,87 Milliarden Dollar. Seit längerem befindet sich der Konzern in einer Umbauphase. Zuletzt habe es Probleme mit den Smartwatches und den dafür nötigen Updates gegeben, berichtet das Software-Online-Portal Giga.de.
Dessen ungeachtet erhöht Verdi in Eggstätt den Druck auf Fesco. Immer mehr Arbeitgeber versuchten, auf dem Rücken der Beschäftigten Kosten zu sparen, sagt Bernauer. Er spricht spöttisch von „kreativen Arbeitsverträgen“ bei Fesco.
Vor allem das Prämiensystem sei undurchschaubar, bemängelt er. Viele Beschäftigte erhielten gerade mal 2000 Euro brutto als Grundlohn. „Dann sind vielleicht noch 200 Euro prämienabhängig drin“, rechnet Bernauer vor. „Doch wenn ich krank bin, Urlaub habe oder meine Zielvereinbarungen nicht schaffe, dann bekomme ich auch die Prämien nicht.“ Sein Verdacht: „Wer sich gut stellt mit dem Chef, wer kuscht, kommt besser davon.“ Tarifverträge schützten vor solch unfairer Ungleichbehandlung.
Gewerkschaft beklagt „Gießkannenprinzip“
Deshalb treten die Beschäftigten erneut in den Streik, um den Arbeitgeber an den Verhandlungstisch zu bewegen. Rund 40 Prozent haben sich nach den Worten Bernauers am Montag an dem Warnstreik beteiligt. Die Gespräche sollten eine gerechtere Entlohnung sicherstellen, „weg vom vorherrschenden Gießkannen-Prinzip“, sagt Verdi-Verhandlungsführer und Leiter des Fachbereichs Postdienste, Speditionen und Logistik in Bayern, David Merck.
Die Region Rosenheim sei eine Hochpreisregion. Viele Fesco-Beschäftigte könnten mit ihren Löhnen dort kaum über die Runden kommen, sagt Bernauer. „Die schauen mit dem Ofenrohr ins Gebirge.“ Dementsprechend hoch sei die Fluktuation beim Personal. Gerade in den schlechtbezahlten Bereichen sei der Wille zum Wechsel stark, „die halten sich ohnehin nur für eine Nummer“.
Einer der Großen im regionalen Logistikgewerbe ist Georg Dettendorfer von der Spedition Johann Dettendorfer. Entlohnung sei ein „ganz wichtiger Faktor“, sagt er über sein Unternehmen. „Wir zahlen über Tarif, und zwar nicht nur die Fahrer.“
Von der Geschäftsführung bei Fesco war gestern bis zum Redaktionsschluss niemand zu erreichen, auch Mutterkonzern Fossil äußerte sich bis dahin nicht auf die Fragen, die schriftlich von den OVB-Heimatzeitungen eingereicht worden waren.