„Pünktlichkeit ist Schwachstelle im Netz“

von Redaktion

Interview Westbahn-Chef Thomas Posch über den neuen Halt in Rosenheim

Rosenheim – Die blau-weiß-grünen Züge der Westbahn sind seit Mitte Dezember auch am Rosenheimer Bahnhof zu sehen. Die Züge halten sechsmal täglich im Zwei-Stunden-Takt. Von dort dauert eine Fahrt zum Wiener Westbahnhof drei Stunden und 13 Minuten. Ein Gespräch mit Westbahn-Geschäftsführer Thomas Posch über den ersten Monat.

Wie ist der erste Monat gelaufen?

Sehr erfreulich. Die Fahrgast- und Umsatzzahlen liegen über den Erwartungen. Das ist insbesondere erstaunlich, weil wir vor Ort eine wirklich geringe Werbepräsenz haben.

Gibt es konkrete Zahlen?

Wir nennen grundsätzlich keine konkreten Fahrgast- oder Umsatzzahlen. Grob würde ich sagen, dass wir auf der Strecke nach München ein Fünftel an Kunden dazugewonnen haben.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Westbahn so gut angenommen wird?

Es hat die Direktverbindung Rosenheim-Wien bisher noch nicht gegeben, mit Ausnahme eines einzigen Zuges in den Morgenstunden. Wir sind das einzige Bahnunternehmen, das diese Verbindung und somit auch Direktverbindungen nach Linz, St. Pölten und in andere Städte regelmäßig anbietet.

Steht die Westbahn in Konkurrenz zu der Deutschen Bahn und der BRB?

Wir sehen uns nicht als Wettbewerber auf der Verbindung von München nach Rosenheim. Das ist nicht unser Zielmarkt. Wenn wir gewisse Mitnahmeeffekte haben, ist das schön, aber das ist es nicht, worauf wir den Fokus legen. Bei der Verbindung von Salzburg nach Rosenheim sieht die Sache schon anders aus. Hier ist für unsere Kunden nicht nur die Reisezeit interessant, sondern auch die gebotene Qualität und die Ausstattung der Fahrzeuge.

Heißt?

In unserem zweistöckigen Zug haben wir Ledersitze. Wir haben eine sehr hohe Sitzplatzkapazität. Wir haben Steckdosen an jedem Sitz, Gratis-WLAN sowie Snack- und Getränkeautomaten. Außerdem haben wir – im Gegensatz zum Regionalzug – jede Menge getrennte Toiletten. Wir denken, dass es bei einer Fahrzeit von circa 45 Minuten einen Unterschied macht, wie der Zug ausgestattet ist. Wir haben im Zug mehr Crew, als das beim Mitbewerber der Fall ist. Die persönliche Ansprache im Zug und die Präsenz unserer Crew ist, abseits von Automatisierung, sehr wichtig.

Warum war es Ihnen wichtig, dass die Westbahn auch in Rosenheim hält?

Wir sind davon überzeugt, dass das Einzugsgebiet Rosenheim für uns ein Nachfragepotenzial bietet. Durch die Monopol-Stellung mit der Direktverbindung in der Orientierung nach Wien, Linz und Wels war für uns klar, dass wir hier einen Markt erschließen, auf den wir dann alleinigen Zugriff haben. Hinzu kommt, dass Rosenheim für Österreicher interessant ist, die nach Bayern in den Urlaub fahren. Wir wollten schon von Anfang an in Rosenheim halten. Es gab aber im ersten Jahr Trassenkonflikte. Damals wollten wir nicht zu forsch diesen Halt fordern, da man uns vonseiten der DB Netz signalisiert hatte, dass er zu starke Änderungen im Regionalverkehr mit sich bringen würde. Wir haben somit darauf verzichtet, da wir bewusst nicht gleich den „österreichischen Charme“ verspielen wollten.

Und was hat sich im vergangenen Jahr geändert?

Nachdem wir Signale aus Rosenheim bekommen haben, dass man sich den Halt unbedingt wünscht, konnten wir einen erhöhten Druck ausüben und wussten, dass wir in der Stadt willkommen sind. Da kann man natürlich ganz anders agieren. Und das war dann der Grund, warum eine geringe Modifikation im Fahrplan der BRB vorgenommen wurde, sodass dieser Halt für uns ermöglicht wurde.

Wenn es weiterhin so positiv läuft, ist es geplant, die Fahrzeiten zu erweitern?

Wir sind im Moment limitiert durch die Zahl der verfügbaren Garnituren. Die Westbahn betreibt 15 Garnituren, die jetzt in dem Fahrplan, wie er momentan gefahren wird, voll ausgelastet sind. Diese 15 Garnituren können wir nicht noch mehr einsetzen. Daher ist es nicht möglich, noch weitere Fahrten anzubieten. Perspektivisch würden wir gerne auf einen durchgehenden zweistündigen Takt erweitern und möglicherweise noch eine siebte oder achte Verbindung einrichten. Um das realisieren zu können, müssten wir jedoch neue Fahrzeuge in die Flotte aufnehmen. Momentan haben wir eher das Problem, dass auch unsere Strecke nach Innsbruck so gut läuft, dass wir dort eigentlich die Kapazitäten erweitern müssten. Was wir aber nicht tun können, da wir das Angebot nach München nicht reduzieren wollen.

Es gibt immer wieder Kritik daran, dass Zugfahren zu teuer ist.

Vor elf Jahren sind wir mit sehr günstigen Ticketpreisen in den Markt eingestiegen. Wirtschaftlich ließ sich das jedoch nicht aufrechterhalten. Trotzdem glaube ich, dass es bei uns viele günstige Angebote gibt, sodass Zugfahren nach wie vor leistbar ist. Eine Fahrt von Rosenheim nach Wien, die länger vorausgeplant ist, kann man bei uns schon ab 18,99 Euro erwerben. Wir bieten zudem für alle Kunden, die eine Bahncard haben, rabattierte Tarife an. Unabhängig vom Preis sind wir aber zu der Überzeugung gekommen, dass es beim Bahnfahren immer darauf ankommt, dass man verlässlich unterwegs sein kann und dass die Reise so abläuft, wie man sie plant. Sprich: Eine hohe Pünktlichkeit ist wichtig.

Bahn und Pünktlichkeit ist ja immer so eine Sache.

Das ist tatsächlich eine Schwachstelle im deutschen Netz. Wir merken, dass die Pünktlichkeit drastisch schlechter wird, sobald wir über die Grenze fahren.

Neben der Pünktlichkeit gibt es gerade auf der Strecke nach München oft das Problem, dass man keinen Sitzplatz bekommt.

Das Problem gibt es auch in Österreich. Da kann es bei anderen Unternehmen an Spitzentagen vorkommen, dass Leute ohne Platzreservierung nicht mehr in den Zug gelassen werden, obwohl sie ein gültiges Ticket haben. Das gibt es bei der Westbahn nicht. Wir haben noch nie irgendwo Reisende stehen oder gar wieder aussteigen lassen, weil der Zug überfüllt ist. Wir haben auch eine sogenannte Mitfahrgarantie. Heißt: Sollte es tatsächlich einmal vorkommen, dass man nicht mehr einsteigen kann, weil der Zug zu voll ist, dann bekommt man den doppelten Fahrtpreis zurückerstattet. Wir können diese offensive Ansage machen, weil wir überzeugt sind, dass es nicht passiert. Für uns ist die absolute Prämisse im Jahr 2023: Kunden wollen Bahnfahren planen können. Der Vorteil vom Auto ist, dass man sich einfach reinsetzen kann. Man hat jeden Komfort, den man sich wünschen kann und ist nicht abhängig von externen Einflussfaktoren. Wir wollen Bahnfahren möglichst nah an das heranbringen.

Nach wie vor ist die Westbahn in Rosenheim eher unbekannt.

Wir hätten gern mehr Möglichkeiten, um lokal in Rosenheim zu werben. Wir brauchen Werbeflächen, die so gelegen sind, dass wir in der Stadt wahrgenommen werden. Ein eigenes Kundencenter würde sich für die sechs Fahrten am Tag nicht rechnen. Der Wunsch wäre aber trotzdem, dass Fahrgästen bei Fragen weitergeholfen wird. Im Sinne der Kunden würden wir uns einfach erwarten, dass das in Zukunft besser läuft. Unserer Auffassung nach sollten sich Bahnunternehmer – selbst wenn sie im Wettbewerb stehen – unterstützen. Unser gemeinsamer Mitbewerber ist das Auto und nicht die andere Bahn.

Es scheint ein vielversprechendes Jahr zu werden.

Ja. Mit einer Einschränkung. Ab März wird der Eisenbahnbetrieb am Wochenende dramatisch eingeschränkt. Die Deutsche Bahn will die Strecke von Salzburg nach Rosenheim aufgrund von Sanierungsarbeiten bis April sperren. Also genau über Ostern. Für uns ist das eine völlig unverständliche Vorgehensweise, zumal es bereits im vergangenen Jahr eine Sperrung für zehn Wochen gegeben hat. Damit wird unser Angebot um zwei Drittel reduziert. Das bedeutet für uns nicht nur Einnahmeverluste, sondern hat auch eine fatale Wirkung auf den Klimaschutz.

Interview: Anna Heise

Artikel 6 von 11