Bernau – Schwarzgelb, also in etwa so beruhigend wie ein wildgewordener Schwarm Wespen, prangt das Warnzeichen auf der Internetseite der Chiemsee-Gemeinde Bernau: ein Dreieck, darin das dreistrahlige Atomzeichen. Darunter eine Einladung für den 1. Februar – zu einer Info-Veranstaltung zum Thema „Endlager-Suche“. Ist Bernau am Ende in eine engere Auswahl geraten?
Bernaus Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber klärt auf: Nein, Bernau wurde nicht als Standort ausgesucht. Und ja: die Gemeinde sieht das Thema als so wichtig an, dass sie extra darauf hinweist. „Bei uns interessiert das viele Menschen, deswegen machen wir auf die Informationsveranstaltung aufmerksam“, sagt Irene Biebl-Daiber. „Das ist sozusagen ein Beitrag zur Transparenz.“
Info-Veranstaltung
mit Ausrufezeichen
Eine Ankündigung mit Ausrufezeichen, so kann man es auch nennen. Nicht nur für Bernauer, sondern für alle Bundesbürger ist die Online-Veranstaltung am 1. Februar offen. Dort sollen die Beteiligten an der Endlagersuche vorgestellt werden, der Verlauf der Suche und desgleichen grundsätzliche Themen, heißt es von Seite der Behörde, die Aufsicht führt das Bundesamt zur Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Die Veranstaltung sei auch für Einsteiger geeignet, heißt es von der BASE.
Doch es steckt noch mehr dahinter. Im Prozess der Suche hakt es gewaltig. Laut Standortgesetz war die mit der Suche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) angehalten, bis 2031 mögliche Standorte vorzustellen. Daraus wird nichts. Das Bundesamt zur Sicherheit der nuklearen Entsorgung vermeldete am vergangenen Freitag „neue Zeithorizonte“ – lies: Verspätungen.
Bereits im November 2021 war bekannt geworden, dass der Zeitplan nicht zu halten ist. Mittlerweile weiß man auch, wie erheblich die Verzögerungen sein werden: Wohl erst zwischen 2046 und 2068 wird die Bundesgesellschaft einen Standort nennen können. Grund: Die BGE veranschlagt für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle „erheblich mehr Zeit“ als bisher angenommen.
2020 hatte die BGE bekanntgegeben, welche Gebiete in Deutschland schon mal grundsätzlich nicht ausscheiden: 54 Prozent des Bundesgebiets wären laut dieser allerersten Auswahl demnach weiter zu prüfen gewesen – darunter auch die Landkreise Rosenheim und Mühldorf.
Bereits bei der Veröffentlichung dieses so genannten „Zwischenberichts“ hatte es viel Kritik von Fachleuten gegeben.
Auch vom bayerischen Landesamt für Umwelt. So seien angeblich in Frage kommende Gebiete zu groß bemessen worden, für andere sei die erforderliche Tiefe nicht nachgewiesen. Auch seien Störungszonen nicht berücksichtigt worden. Wohl auch wegen dieser Einwände sieht die so harsch kritisierte BGE viele Hausaufgaben auf sich zukommen. Allerdings: Bis 2027 will sie die Suche auf bestimmte Regionen eingegrenzt haben.
„Wirtsgestein
ist ungeeignet“
Spätestens dann soll, so wünscht es sich Landrat Otto Lederer (CSU), die Region von der Liste genommen werden. Weil das Wirtsgestein ungeeignet sei, aber auch aus Gründen des Umweltschutzes. „Mit der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte befindet sich in diesem Teilbereich eines der ältesten Naturschutzgebiete Bayerns“, sagt Lederer. „Vier FFH-Gebiete, zwei Vogelschutzgebiete, zwei Naturschutzgebiete und sieben Landschaftsschutzgebiete liegen ebenfalls in der Region.“ Neben den Wasser- und Naturschutzgebieten sei auch die Wohnbebauung ein Kriterium, sagt der Landrat.
Das meint auch der Rosenheimer Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner, tourismuspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion. Er hatte eine Eignung der Region als Standort für Nuklear-Müll ebenfalls von Beginn an vehement bestritten. Und zwar nicht nur wegen der touristischen Bedeutung des seenreichen Landes vor den Bergen für unzählige Menschen. Sondern eben wegen der hohen Siedlungsdichte. Stöttner: „So lange die CSU in Berlin etwas zu sagen hat, wird es dazu nicht kommen.“ Vielleicht müsse es dazu auch nirgendwo anders kommen, denkt er. Wegen des technischen Fortschritts: „Atommüll kann in der Zukunft womöglich wiederaufbereitet werden und als Energieressource dienen.“