Unterwössen – Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht München wollte der Kläger gegen eine angebliche Polizeianordnung vorgehen, nach der er seinen weit sichtbaren Schriftzug „Oberwössen Nazidorf“ von der Hauswand des Gasthofes zur Post in Oberwössen entfernen sollte. Richter Dr. Dietmar Wolff fehlte es nach seiner bisherigen Rechtsauffassung in der mündlichen Verhandlung bereits an einer solchen polizeilichen Maßnahme. Danach ist eine Klageabweisung zu erwarten.
Wechselhafte
Geschichte
Der Oberwössner Gasthof zur Post erlebte eine wechselvolle Geschichte, vom bei Einheimischen wie Feriengästen beliebten ersten Haus am Platz über eine Flüchtlingsunterkunft bis hin in den Eigentümerwechsel durch eine Zwangsversteigerung.
Nach Modernisierungen und Erweiterungen noch in den 80er-Jahren umfasste der Gebäudekomplex über 2000 Quadratmeter Fläche, ein Restaurant für 120 Gäste, Saal, Konferenzraum, Biergarten und 22 Ferienzimmern. Der letzte Wirt hörte 2013 auf. Die Nutzung als Asylbewerberunterkunft endete nach zwei Jahren. Ein unveröffentlichtes Gutachten, von der Gemeinde Unterwössen in Auftrag gegeben, sah wenig Zukunftspotenzial in dem Objekt.
Im Zwangsversteigerungsverfahren setzte das Gericht den Verkehrswert mit 800000 Euro an. Tatsächlich wechselte der Gasthof mit reichlich Umgriff 2017 für 330000 Euro plus Nebenkosten die Eigentümerin, Die, eine Münchner Steuerberaterin, beauftragte ein österreichisches Unternehmen, das Projekt zukunftstauglich aufzustellen. Deren Plänen mit acht Wohnungen für einheimische Mieter und junge Familien einerseits sowie acht Ferienwohnungen stand der dortige Bebauungsplan entgegen. Danach sind mehr als drei Wohnungen in einem Objekt nur über eine Bebauungsplanänderung möglich.
Als der Gemeinderat einem Antrag auf Änderung der Gebäudenutzung nicht zustimmte, pinselte der Geschäftsführer der österreichischen Firma im Juni 2018 erstmals an die Hauswand. „BGM Entfellner verhindert Fertigstellung – Willkür ohne Gesetzesgrundlage“, stand dort mit roter Farbe hingeschmiert. Zugleich zeigte sich das ehemals schmucke Gebäude am Ortseingang in anderem Licht. Vom Obergeschoss wehte am Seil eine Duschwanne vor dem Eingang. Toiletten lagen vor dem Haus. Zerbrochene Blumenkästen auf dem Boden. Im Obergeschoss wehten aus zerbrochenen Fenstern die Gardinen. Kurz darauf wurde nach Gesprächen der Schriftzug übermalt. Das und andere Ereignisse veränderten die Stimmung im Ortsteil Oberwössen. Im Jahr 2018 scheiterte ein weiterer Nutzungsänderungsantrag im Gemeinderat.
Im Juli 2020 klebte auf der Seitenscheibe eines am Gebäude abgestellten, abgemeldeten Fahrzeugs ein Brief, in dem ein anonymer Autor – nach seinen Angaben namens der Oberwössner Dorfgemeinschaft – wüste Beschimpfungen und Bedrohungen gegen den Geschäftsführer absonderte. „Wir müssen leider sagen, dass du das letzte A… auf Erden bist. (…) Deinen Saustall werfen wir demnächst durch dein Fenster. (…) Ich sage dir eins, dass du jetzt keine Augen mehr zu machen kannst, weil du immer damit rechnen musst, dass wir mit dir Haberfeldtreiben oder dich gleich erschlagen.“
Kurz darauf prangte auf der Seitenwand des Gebäudes deutlich sichtbar für jeden Autofahrer aus Reit im Winkl der Schriftzug „Oberwössen Nazidorf“.
Polizei und Gemeinde sahen beiderseits eine Grenze überschritten. Beamte der Polizeiinspektion Grassau suchten das Gespräch mit dem Geschäftsführer zu dem Schriftzug an der Hauswand. Der sah in seiner Aktion auf der Hauswand „einen Hilferuf“ und in seinem Schriftzug eine Art Notwehr, die zudem durch sein Recht auf freie Meinungsäußerung zu dem Drohbrief gedeckt sei.
Im Ergebnis übermalte er den beanstandeten Schriftzug. Nach wie vor fühlte er sich aber im Recht und strebte mit seiner Klage beim Verwaltungsgericht eine Entscheidung an, die Anordnung der Polizei den Schriftzug zu entfernen, sei rechtswidrig gewesen.
Urheber fühlt
sich im Recht
Eine solche Anordnung sah Richter Wolff aber nicht. Nach bisherigem Kenntnisstand habe sich der Geschäftsführer nach einem durchaus lockeren Gespräch mit der Polizei bereit erklärt, den Schriftzug zu entfernen, ohne dass es einer Anordnung seitens der Polizei gab oder es einer bedurfte. Der Kläger selbst war zu dem Termin trotz Ladung nicht erschienen. Es ist damit zu rechnen, dass der Richter seine Klage abweist.