Rosenheim – Ist es der Leidensdruck, oder ist es doch Einsicht? Den Menschen im Inntal dürfte das egal sein: In Sachen Blockabfertigung haben sich Bayern und Tirol offenbar zu einem überraschenden Schritt zusammengetan. Sie wollen koordiniert Druck bei den jeweiligen Bundesregierungen machen. Das Ziel: eine Lösung für den Transitverkehr durch das Inntal und über den Brenner. Wohl damit irgendwann mal die Blockabfertigung überflüssig wird – zumindest ein Teil der Termine.
Gemeinsamer Appell
an Berlin und Wien
Und so haben der Freistaat und die Nachbarn in Süden einen gemeinsamen Schritt verabredet. Das Vorhaben dürfte bereits reif für die Unterschrift von Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) und Tirols Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) sein: ein offizielles Schreiben an die Verkehrs- und Innenministerien Deutschlands und Österreichs.
Darin mahnen die Bundesländer pragmatische Schritte an. Dahinter steckt die Einsicht, dass zum Streiten stets zwei gehören und somit nicht eine Seite allein Schuld hat an den Stau-Debakeln, die das Inntal und auch Gemeinden entlang der A8 mittlerweile Dutzende Male im Jahr heimsuchen. Wie zu erfahren war, werden die Schreiben am heutigen Montag auf den Weg gebracht.
In dem Schreiben an die jeweiligen Bundesverkehrsminister, Leonore Gewessler für Österreich und Volker Wissing für Deutschland, geht es um den Stand in Sachen Zehn-Punkte-Plan. Auf den hatten sich Deutschland und Österreich sowie Bayern und Tirol im Juli 2019 geeinigt.
Demnach drängen dem Vernehmen nach Bayern und Tirol vor allem auf Informationen zu Punkt 10 – der Einrichtung einer „verkehrsträgerübergreifenden Arbeitsgruppe“. Die Bundesverkehrsministerien hatten darin die Aufgabe, den Verkehr zwischen Schiene und Straße abzustimmen und effizient zu lenken. Zudem sollte eine Steuerungsgruppe unter Federführung der Verkehrsministerien ein zweites Treffen der beteiligten Minister vorbereiten. Das war für Ende 2020 vorgesehen. Ob es Ergebnisse oder überhaupt ein Treffen gab, ist anscheinend nicht bekannt.
Im Schreiben an die Bundesinnenminister, Gerhard Karner auf österreichischer und Nancy Faeser auf deutscher Seite, geht es dagegen um eine Überarbeitung des Systems der Grenzkontrollen. Die in den vergangenen Jahren verstärkten Kontrollen sorgten für viele Staus und machen Fahrpläne im öffentlichen Nahverkehr auf Schiene und Straße oft zur Makulatur.
Nach drei Jahren gegenseitiger Gereiztheit scheinen Bayern und Tirol wieder den entspannteren „Geist von Kufstein“ beschwören zu wollen. Dort hatten im Dezember 2019 Vertreter der Inntalgemeinden und Tirols das Aus für die Autobahnmaut bis Kufstein-Süd verkünden können, nachdem sich Österreich und Deutschland sowie Tirol und Bayern einig geworden waren. Das Ergebnis: eine deutliche Abnahme des Ausweichverkehrs über die Dörfer. Allerdings hatte Tirols damaliger Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) auch die Nachbarn ins Gebet genommen: „Es ist das Gebot der Stunde, dass die bayerischen Verantwortungsträger mit den unsinnigen Grenzkontrollen aufhören.“
Bislang 24 Termine für
Blockabfertigungen
Was nicht so geschah, wie sich das die Tiroler gewünscht hätten. In den folgenden Jahren drehten sie an der Blockabfertigungsschraube. Der Kalender fürs Jahr 2023 bringt mutmaßlich einen Rekord: Allein fürs erste Halbjahr stehen 24 Termine für Blockabfertigung drin. Und Tirol legt immer mal wieder eine Schippe drauf. Der nächste offizielle Termin, an dem sich Auto- und Lkw-Fahrer auf Verzögerungen und Staus einrichten können, ist der 23. Februar.
Als „Erfinder“ der Maßnahme gilt Günther Platter, der von bayerischer Seite aus mit zunehmender Schärfe kritisiert wurde. Vergangenes Jahr machte er überraschend den Weg frei und kündigte seinen Rücktritt an. Seit Oktober 2022 steht nun Platters Wunschkandidat Anton Mattle (ÖVP) der Tiroler Landesregierung unter Beteiligung der SPÖ vor. Mattle gilt als wirtschaftsfreundlich und pragmatisch. Mit seinem Verhandlungspartner und Brieffreund auf bayerischer Seite hat er auch noch einen Teil seiner politischen Wurzeln gemeinsam: Wie Verkehrsminister Christian Bernreiter begann er als Kommunalpolitiker. Mattle war Bürgermeister von Galtür, Bernreiter Landrat von Deggendorf. Jetzt scheint die gemeinsame Ebene zumindest schon mal zu einem gemeinsamen Schritt in die richtige Richtung zu führen.