Linker Krawall-Tourismus

von Redaktion

Kampf gegen Hetze und Rassismus stand drauf, Tumult war drin: Warum zieht‘s Krawallmacher nach Rosenheim? Politik und Polizei rätseln nach der eskalierten Demo mit Verletzten. Eine Antwort lässt sich beim Verfassungsschutz finden.

Rosenheim – Drei Polizisten leicht verletzt, Farbbeutelwürfe auf Gebäude der Polizei und das Büro der AfD, Attacken gegen Beamte: In Rosenheim ist am Samstag bei der Demo gegen die AfD der Rauch aufgegangen. Und das im wahrsten Sinne: Etliche unter den Demonstranten – insgesamt 120 nach Angaben der Polizei, 220 nach Zählung der Demonstranten – zündeten Rauchbomben.

„Das war schon keine Routine mehr“, sagt Robert Maurer von der Polizeiinspektion Rosenheim im Rückblick. Oberbürgermeister Andreas März (CSU) sprach von einer Grenzüberschreitung, die man nicht einfach tolerieren dürfe.

Teilnehmer reisen
per Bahn an

Zumindest auf die Demo an sich war die Polizei eingestellt gewesen. Die Kundgebung war bei der Stadt Rosenheim angekündigt worden. Von den Kollegen in München waren die Polizisten in Rosenheim darüber informiert worden, dass die Demo aus der Landeshauptstadt ordentlich Verstärkung erhalten würde. Und zwar über die Bahn. 60 bis 80 AfD-Gegner stiegen dann auch nach Ankunft um 14.24 Uhr am Bahnhof aus und bewegten sich Richtung Innenstadt.

Warum später die Demonstration eskalierte, und zwar nicht nur am Büro der AfD, sondern auch gegenüber der Polizei selbst – darüber herrscht noch immer Ungewissheit. Ein wenig ratlos hört sich auch Robert Maurer an. Der weit überwiegende Teil der Demonstranten sei nicht feindselig gewesen. Auch seien die Versammlungen zuvor ohne Probleme abgelaufen, erklärte er im OVB-Gespräch.

Diesmal lief‘s anders. Ein Demonstrant sprühte an der Kaiserstraße etwa auf Höhe des Tattoo-Studios Hellgallery drei Polizisten mit einem Feuerlöscher an. Den Angriff dokumentieren Fotos, die auf sozialen Netzwerken kursieren. Die Sprühattacke ging glimpflich ab, die drei leicht verletzten Polizisten seien dienstfähig geblieben, heißt es aus dem Revier. Allerdings: Ohne das Visier am Helm der Polizisten hätte der Angriff wohl auch schlimmere Folgen nach sich ziehen können als eine Reizung der Augen.

„Rote Linie
überschritten“

Für Oberbürgermeister März ist damit eine Grenze verletzt. Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung seien „Ausdruck unserer freiheitlichen Demokratie“ und müssen dementsprechend geschützt werden, „wenn das aber in Gewalt und Sachbeschädigung ausartet, gegen Polizeibeamte und Gebäude, dann ist die rote Linie überschritten“, sagte März auf Anfrage des OVB. „Das ist keine Form der politischen Diskussion, zu welchem Thema auch immer.“

Wer bei Demos Gewalt anwende, verlasse den Boden der Verfassung, sagt auch Manfred Hauser, Chef des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. „Wir tolerieren ein solches Verhalten nicht.“ Für die Polizei gelte es nun, „die Angreifer zu identifizieren und die begangenen Straftaten aufzuklären.“

Warum immer wieder Rosenheim zum Forum für Demonstrationen gegen die AfD wird, warum bis zu zwei Drittel der Demonstranten diesmal sogar aus München kamen, inklusive Versammlungsleiterin? Politik und Polizei suchen noch nach Antworten.

Nicht auszuschließen sei, dass Rosenheim eine Etappe sei, eine Art Fixpunkt in einem Krawall-Kalender, das deutet Robert Maurer an. Schließlich seien die drei Anti-AfD-Demos zuvor ebenfalls im Januar über die Bühne gegangen. Die linke Szene sei jedenfalls gut vernetzt, die Organisation von Treffpunkten kein Problem.

„Vielleicht, weil wir so eine gute Bahnverbindung nach München haben“, mutmaßt März über die Gründe der Beliebtheit Rosenheims bei den Autonomen. Jedenfalls sei eine 60000-Einwohner-Stadt als Demonstrationsort wahrscheinlich interessanter als ein Dorf. Oder eine Millionenstadt wie München, wo man mit 120 Demonstranten auch nicht weiter auffällt. Einen Imageschaden für Rosenheim sehe er auf jeden Fall nicht, sagt März.

Fest steht, dass Rosenheim unter anderem wegen seiner linken Szene die Aufmerksamkeit des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz genießt. In Rosenheim sei eine „linksextremistische autonome Szene“ entstanden, die „unter verschiedenen Bezeichnungen auftritt“, heißt es im Bericht für das Jahr 2021.

Eine gut vernetzte
Szene

Besonders gut vernetzt in dieser Szene sei die „Infogruppe Rosenheim“, die „überregionale Bündnisse zu anderen linksextremistischen Gruppen in Südbayern und Österreich“ unterhalte. Autonome aus Rosenheim treten laut Landesamt aber auch unter den Bezeichnungen „Contre la Tristesse“ und „Offenes antifaschistisches Plenum Rosenheim“ (OAPR) auf.

Vor allem das OAPR zeige sich „besonders aggressiv“ gegen die AfD, rufe in sozialen Netzwerken zur Gewalt gegen deren Politiker auf und lasse auf Social-Media-Kanälen „Bezüge zur linksextremistischen Szene in München“ erkennen. Die beiden genannten Gruppen haben, so stellt es das Landesamt in der Antwort auf eine OVB-Anfrage fest, auch zur Demo am 28. Januar mobilisiert.

Aufklärung fordern nun Andreas Winhart und Franz Bergmüller. Die beiden AfD-Landtagsabgeordneten haben wegen der Vorkommnisse nach eigenen Worten eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt, betreffend linke Extremisten und Polizei in Rosenheim. Winhart kritisiert die Polizei deutlich. Er spricht von „Narrenfreiheit“, welche die gewaltbereiten Demonstranten durch „zögerliches Eingreifen und mangelnde Aufklärung“ genössen.

OB März kündigte an, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten während der Demos zur Anzeige zu bringen. Auch solle geprüft werden, ob die Versammlungsleiterin nicht mehr zugelassen werden könne. Zu fragen sei auch, ob die Route der Demonstration immer an Polizei und AfD-Büro vorbeiführen müsse. März: „Da muss es auch andere Strecken geben können.“

Hohes Potenzial für
Mobilisierung

Ob das genügt? Der Verfassungsschutz warnt. „Gewaltorientierte linksextremistische Autonome nutzen den Antifaschismus seit Jahren zur Mobilisierung“, sagt ein Sprecher des Landesamtes. „Sie ziehen den Antifaschismus zudem zur Legitimierung ihrer militanten Aktionen gegen Staat und Polizei heran.“ Überdies hätten antifaschistische Demonstrationen „hohes überregionales Mobilisierungspotenzial“.

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