Für Kinder gespartes Müttergeld an „falsche Polizisten“ verloren

von Redaktion

33-Jähriger steht vor dem Landgericht Traunstein – 13 Opfer der Betrugsmasche – Schaden insgesamt fast 613000 Euro

Traunstein/Altötting – Eigentlich wollte eine 77-jährige Zeugin, eine von 13 durch eine Bande „falscher Polizisten“ geschädigten Frauen, vor der Siebten Strafkammer am Landgericht Traunstein aussagen. Doch die Zeugin schaffte es psychisch und körperlich nicht. Das bestätigten ihr Hausarzt und ihr Sohn kurz vor dem Termin in Traunstein, wie Vorsitzende Richterin Christina Braune informierte.

Auf der Anklagebank sitzt ein geständiger 33-Jähriger aus Rheinland-Pfalz, der neunmal als „Logistiker“ und sechsmal als „Abholer“ der Bande am Werk war. Der Prozess geht am heutigen Montag und am Mittwoch, 15. Februar, sowie am Mittwoch, 8. März, weiter.

Wenigstens eine der Geschädigten, ausnahmslos Frauen im Alter zwischen 77 und 87 Jahren, hatten die Prozessbeteiligten persönlich befragen wollen. Unter den Frauen war ein Opfer aus Neuötting. Die inzwischen 86-Jährige, die Geld und Schmuck im Wert von 159000 Euro eingebüßt hatte, war gesundheitlich nicht in der Lage zu einer nochmaligen Vernehmung. Eine andere Frau war bereits verstorben.

Die 77-Jährige aus Maulbronn in Baden-Württemberg zeigte sich zunächst bereit, in den Zeugenstand zu treten. Dann die kurzfristige Wendung: Der Hausarzt attestierte seiner Patientin eine aktuelle kombinierte Angst-Panik-Störung. Sie sei derzeit nicht vernehmungsfähig und befinde sich in einem „psychischen Ausnahmezustand“. Ihr Sohn schilderte vor Gericht, eine Nachvernehmung zwei Wochen vor dem Prozess habe den Zustand der Mutter wieder verschlechtert. Seit Erhalt der Ladung sei die Mutter „durch den Wind“. Sie wirke wieder sehr verängstigt, erschrecke schon, wenn nur an der Türe geklingelt werde.

Dazu Richterin Braune: „Deutlich wird, dass die Zeugin psychisch hochgradig belastet ist.“ Gleiches gelte für rund ein halbes Dutzend Geschädigte. Jede weitere Ladung bedeute, die Opfer zu malträtieren. Angesichts der Fakten verzichteten Staatsanwalt Ferdinand Hohenleitner und seine Kollegin Pia Wilczek sowie die Verteidiger Dr. Kai Wagler und Konstantin Matzner auf sämtliche Zeuginnen. Alle gaben sich zufrieden mit der Verlesung der Aussagen vor der Polizei.

Eindeutige Gesten
aus der Zuhörerschaft

Darin hatte die 77-Jährige angegeben, sie habe die Übergabe der 10000 Euro an die „falschen Polizisten“ zunächst verheimlichen wollen. Für ihre fünf Kinder habe sie jeweils 2000 Euro aus dem Müttergeld angespart. Niemand außer ihrem vor Jahren verstorbenen Mann habe davon gewusst. Die Umschläge seien in der Wohnung im Safe gelegen.

Aus Scham habe sie der Familie und der Polizei das anfangs verschwiegen, sich dann aber entschieden, „auch diese Peinlichkeit zuzugeben“. In der ersten Vernehmung hatte die 77-Jährige geschildert, die Geschichte mit den angeblichen Einbrüchen in der Umgebung und einem noch flüchtigen Täter sei „so glaubwürdig gewesen“. Sie habe Angst gehabt, ihrer Familie würde etwas passieren. Bei den drei Tage dauernden Anrufen sei sie „wie unter Strom“ gestanden und habe niemandem etwas erzählt.

Der unbekannte Anrufer habe sie nicht gehen lassen wollen: „Eine Frau schrie mich an: ‚Keine privaten Termine!‘.“ Sie habe sich jedoch durchgesetzt, so die Zeugin zur Polizei. Hinterher habe ihr die Tochter große Vorwürfe gemacht. Sie habe aber „schreckliche Angst“ gehabt und sich selbst nicht verzeihen können, auf die Bande hereingefallen zu sein. Bis heute leide sie unter den Ereignissen.

Unter den Zeugen war ein in Traunstein im Herbst 2022 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilter 22-jähriger „Abholer“, ein Mittäter des Angeklagten. Er machte von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Der Grund: Ihm steht in Mannheim ein weiteres Verfahren mit drei ähnlichen Taten bevor.

Als der Zeuge den Sitzungssaal in Polizeibegleitung verließ, folgte ihm sein begleitender „Fanclub“, wie es die Vorsitzende Richterin formulierte. Sie hatte die Zuhörergruppe ermahnt – weil jemand eine Handgeste quer vor der Kehle in Richtung des Angeklagten gemacht hatte. Darüber hatte Verteidiger Dr. Kai Wagler aus München der Kammer berichtet. Solche Dinge seien absolut zu unterlassen, richtete die Vorsitzende Richterin an die Zuhörer. Monika Kretzmer-Diepold

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