Rosenheim – „Heute ist ein großer Tag”, sagte Landrat Otto Lederer. Lauter Applaus erhob sich, als der Rosenheimer Kreistag am Mittwochvormittag mit 58 zu 3 Gegenstimmen einem Beitritt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund MVV zustimmte. Die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel wird damit für die Fahrgäste meist günstiger und auch einfacher.
Nur selten war ein Thema im Kreistag über so lange Zeit und ausführlich wie der MVV-Beitritt diskutiert worden, sagte der Bad Aiblinger Altbürgermeister Felix Schwaller. „Jetzt haben wir die Chance, für relativ wenig Geld beizutreten.“ Damit meinte er die Ausgleichszahlungen der Mindereinnahmen, die der Freistaat auffängt. Der Tarif des MVV ist in der Regel günstiger als der bisher angebotene Tarif.
Die Differenz der beiden Beträge sind sogenannte Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste, eben besagte Mindereinnahmen. Die Verluste im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sollen in den ersten fünf Jahren mit mindestens 90 Prozent aufgefangen werden, nach diesen fünf Jahren übernimmt das Land 100 Prozent. Diese erhebliche Förderung durch den Freistaat Bayern biete eine einmalige Chance für einen MVV-Beitritt, heißt es in der Beschlussvorlage des Kreistags.
„Für Mobilitätswende unabdingbar”
Dennoch kommen auf den Landkreis Kosten bei einem MVV-Beitritt zu. Um den neuen MVV-Tarif auch im Landkreis vertrieblich vorzubereiten, plant das Landratsamt mit Kosten in Höhe von 365000 Euro. Damit sollen unter anderem die Vertriebssysteme der Verkehrsunternehmen ertüchtigt werden, die stationären und mobilen Verkaufsgeräte umgerüstet und Entwerter von Fahrkarten angeschafft werden. Diese Kosten fallen einmalig an, eine staatliche Förderung von 90 Prozent ist in der Summe bereits berücksichtigt. Zusätzlich muss der Landkreis einmalig die Summe von 12500 Euro für den Erwerb eines Gesellschaftsanteils an der MVV zahlen.
Neben diesen Einmalzahlungen kommen auch regelmäßige Kosten auf den Landkreis zu und die könnten sich auf bis zu zwei Millionen Euro pro Jahr summieren. Ein Teil davon entfällt auf die sogenannten Regiekosten. Damit beteiligt sich der Landkreis anteilig an den Tätigkeiten des MVV und stellt damit dessen Finanzierung sicher. Für diese Regiekosten sind 800000 Euro eingeplant, allerdings kann sich dieser Betrag um bis zu 200000 Euro reduzieren, sollte der Kreis bestimmte zusätzliche Aufgaben des MVV nicht in Anspruch nehmen.
Der größere Posten sind die angesprochenen Mindereinnahmen. Hier stehen Belastungen in Höhe von 1,24 Millionen Euro zu Buche, allerdings maximal nur für die kommenden fünf Jahre. Mit der Einführung des geplanten Deutschlandtickets könnte sich diese Summe um bis zu 200000 Euro reduzieren.
Nur fünf Gegenstimmen
Aber nicht alle waren für einen Beitritt zum derzeitigen Zeitpunkt. Die AfD-Fraktion hatte einen Antrag gestellt, mit der Entscheidung über einen Beitritt zum MVV bis zum Ende des Haushaltsjahres 2024 zu warten. Bis dahin solle die Auswirkung des 49-Euro-Tickets besser abgeschätzt werden können. Landrat Otto Lederer und der Kreistag sahen aber gerade aufgrund der staatlichen Förderung den jetzigen Zeitpunkt eines Beitritts als passend an. Der entsprechende Antrag wurde auch mit nur fünf Gegenstimmen abgelehnt.
„Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen und die Kommunen vom Individualverkehr entlasten wollen, braucht es den Beitritt zum MVV”, sagte Landrat Lederer in der Kreistagssitzung. Mit einem Beitritt zum MVV sei es den Fahrgästen künftig möglich, mit nur einem Ticket die U-Bahn und Tram in München zusätzlich zu den Bussen und Bahnen zu nutzen. Die Umsteige seien aufeinander abgestimmt und man könne auf Echtzeitinformationen zurückgreifen.
Eine Studie, die 2021 präsentiert wurde, zeigte auf, dass 84 Prozent der Auspendlerbeziehungen in den MVV-Bereich gehen. Auch für den Tourismus spiele der Verkehrsverbund eine wesentliche Rolle. „An den vier Wochenenden im August 2021 kamen 200000 Ausflügler aus München in den Landkreis Rosenheim”, sagte Lederer. Bereits kurze Zeit nach der Abstimmung im Kreistag hat sich auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) positiv über die Entscheidung geäußert. „Es ist ein tolles Signal für den ÖPNV in der gesamten Region”, sagte er. Rosenheim hat sich nun als erster von mehreren Beitrittskandidaten für einen MVV-Beitritt ausgesprochen. Die Stadt Rosenheim und die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach stehen kurz vor einer Entscheidung. Sollten auch die zustimmen, würde das Verkehrssystem ab Dezember 2023 zehn Landkreise umfassen. „Das erleichtert den Zugang zum ÖPNV ungemein.”