Rosenheim – Seit vergangenem Wochenende läutet das Telefon deutlich öfter als sonst. Nicht, dass sich Gerhard Hardrath sonst über zu wenig Arbeit beklagen könnte, aber plötzlich will wohl jeder eine neue Heizung. „Wir haben ganz viele Anfragen, jetzt schnell noch die alte Heizung auszutauschen“, sagt der Sanitärinstallateur aus Bruckmühl.
Hintergrund des Ganzen ist nicht, dass die Menschen plötzlich über einen Topf voll Geld gestolpert sind, sondern ein Gesetzesentwurf aus dem Wirtschaftsministerium. Medienberichten zufolge sieht dieser vor, den Einbau von Heizungen, die auf fossiler Basis laufen – sprich mit Öl oder Gas – zu verbieten.
Maximal 30 Jahre Laufzeit vorgesehen
Ab 2024 sollen 65 Prozent der Heizkraft aus regenerativen Energien gewonnen werden und ab 2045 soll es gar keine Gas- oder Ölheizungen mehr geben. Stattdessen soll mit Fernwärme, Photovoltaikanlagen, Luftwärmepumpen und Pellets geheizt werden. Außerdem sieht der Entwurf vor, dass Heizungen nicht länger als 30 Jahre laufen dürfen.
„Da passiert doch nichts Sinnvolles”, sagt Gerhard Hardrath zu diesem Vorstoß und geht mit seiner Kritik gleich in die Vollen: „65 Prozent ersetzen – das ist schlichtweg nicht möglich.“ Also, jedenfalls nicht überall, so der Installateur. Wer nicht am Fernwärmenetz liege, für den werde es schwierig. Die Pellets benötigten viel Lagerraum. Während bei einer Ölheizung eine Fuhre oft für den ganzen Winter reicht, lassen sich genug Pellets für einen Winter nur lagern, wenn es viel Platz gibt. Eine Luftwärmepumpe reiche allein auch nicht aus, da brauche es auch die Photovoltaik, sagt Hardrath. Dazu komme, dass sich nicht jedes Haus sinnvoll mit einer Luftwärmepumpe beheizen lasse.
Kosten stellen gerade Ältere vor Probleme
Und dann sind da auch noch die Kosten: Eine neue Gasheizung, sagt Hardrath, koste etwa 15000 Euro. Wer Luftwärmepumpe und Photovoltaik einbaut, der müsse das Dreifache berappen.
„Woher sollen die Leute das Geld nehmen?”, fragt sich Hardrath. Gerade ältere Menschen würde das vor massive Probleme stellen. Denn zum einen habe kaum jemand so viel Geld herumliegen, zum anderen sagt Hardrath: „Wer will denn mit 85 so viel Geld für eine neue Heizung ausgeben?“
Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zeigte sich in einer Presseerklärung wenig begeistert von dem Entwurf der Bundesregierung: „Es bleibt vollkommen unklar, wie das Ganze auch für einkommensschwache Bevölkerungsschichten bezahlbar bleiben soll.“
Aiwanger nutzte die Gelegenheit für eine Grundsatzkritik an der Ampel: „Anstatt auf Anreize setzt der Bund wieder auf Zwangsmaßnahmen und Regulierungen.“ Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nannte den Entwurf „sozial ungerecht.”
Doch auch abseits der Politik sind für Hardrath Fragen technischer Natur offen: Reicht denn das Fernwärmenetz, wenn nun deutlich mehr Haushalte angeschlossen werden sollen? Reicht der Strom, wenn sehr viel mehr Luftwärmepumpen in Betrieb gehen? Und nicht zuletzt: Wer bezahlt das alles?
Die Rosenheimer Stadtwerke wollten sich auf OVB-Anfrage nicht äußern, bevor das Gesetz nicht über den Entwurfsstatus hinausgekommen ist. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist derweil noch nichts zu hören.
Ganz neu ist die Idee dabei eigentlich nicht. Denn im Koalitionsvertrag steht bereits ein ähnliches Ziel – nur erst für ein Jahr später. Sprich: Laut dem Koalitionsvertrag wäre die 65-Prozent-Regelung 2025 gekommen. Das vollständige Verbot 2045 ist zwar nicht explizit im Koalitionsvertrag festgehalten, aber Deutschland hat sich gesetzlich verpflichtet, bis spätestens 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Und das betrifft auch Heizungen.
Experten fürchten
ein Desaster
Außerdem soll es mit Verboten allein nicht getan sein. Vergangene Woche erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zudem, dass das Gesetz derart gestaltet sein soll, dass Menschen auch mit kleinerem Geldbeutel nicht davon abgehalten werden, ein Haus zu sanieren, eine Wärmepumpe einzubauen oder den Gasbrenner rauszunehmen. Wie die Förderung genau aussehen soll, ist allerdings noch nicht bekannt.
„Der Entwurf ist gespickt mit zahlreichen Pflichten und Detailvorgaben, ohne dass klar wird, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können. Oftmals existieren für geforderte Änderungen keine praxistauglichen und finanzierbaren Lösungen“, kritisiert Dr. Ulrike Kirchhoff vom Immobilieneigentümerverband Haus und Grund Bayern.
Der Verband sieht nun vor allem auch Bundeskanzler Olaf Scholz in der Pflicht, dafür zu sorgen, „dass die Energiewende im Gebäudebestand die Bürgerinnen und Bürger nicht überfordert.“ Ansonsten, so warnt Ulrike Kirchhoff, könnten Habecks Pläne in einem Desaster enden.