Rosenheim – Zwölf Minuten – so lange sollte es dauern, bis nach dem Ausrücken der Rettungswagen vor Ort ist. So will es das Gesetz. Tatsächlich liegt die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte oft über der vorgegebenen Zeit. 80 Prozent aller Fahrten sollten eigentlich innerhalb dieser Zeit ihr Ziel erreichen. So gut wie alle Versorgungsgebiete im Rettungsdienstbereich Rosenheim schaffen diese 80 Prozent nicht.
Hinzu kommt, dass die Zahl der Krankentransporte seit März 2022 deutlich zugenommen und sich bis heute auf einem sehr hohen Niveau eingependelt hat. Das wird derzeit durch eine Erhöhung der Vorhaltestunden gelöst, also der Zeit, in der ein Rettungswagen zur Verfügung steht. Diese Maßnahme ist allerdings befristet und läuft Ende März 2024 aus. Aber selbst mit dieser Ausweitung hat sich laut einer aktuellen Studie des Zweckverbandes für Rettungskräfte und Feuerwehralarmierung (ZRF) Rosenheim nicht die gewünschte Verbesserung eingestellt.
Wasserburg ist das
Schlusslicht
Diese Studie stellt aber auch Lösungsansätze für alle Versorgungsbereiche vor. Im nördlichen Landkreis soll auf halber Strecke zwischen Wasserburg und Rosenheim ein neuer Stellplatz für einen Rettungswagen in verkehrsgünstiger Lage an der B15 geschaffen werden. Damit sollen die Bereiche Bad Endorf und Wasserburg entlastet werden.
Beide liegen derzeit unter der 80-Prozent-Marke mit 76,8 Prozent im Bereich Bad Endorf und 74,1 Prozent in Wasserburg. Damit ist Wasserburg Schlusslicht im Landkreis. Mit der Schaffung des neuen Stützpunktes soll sich das aber nun ändern. „74,1 Prozent in Wasserburg ist schlecht”, sagt Christof Vornberger aus dem Bereich Einsatz im ZRF. „Ein weiteres Fahrzeug in Griesstätt oder Rott hilft bei der Unterstützung und bei der Entlastung.“
Besonders in Tuntenhausen müssen die Bürger oft weit länger als zwölf Minuten auf einen Rettungswagen warten. Aus diesem Grund empfiehlt die Studie die Verlegung des Rettungswagens aus Bad Aibling in den Norden des Stadtgebietes bei Ellmosen. Da in der Nachbarstadt Kolbermoor ebenfalls ein Stützpunkt ist, dürften sich daraus keine Nachteile für Bad Aibling ergeben, aber Vorteile für die Menschen von Tuntenhausen bis Großkarolinenfeld. Für die Verlegung ist ein Probezeitraum von zwei Jahren geplant, danach wird neu bewertet.
Auch im Inntal soll ein Rettungswagen verlegt werden. Der Versorgungsbereich Flintsbach hat zwei Standorte für Rettungswagen. Einen direkt in Flintsbach, der andere steht in Kiefersfelden. Durch den für das Inntal abgelegenen Standort in Kiefersfelden ist es den Rettungskräften meist nicht möglich, innerhalb der zwölf Minuten in Gemeinden wie Nußdorf, Flintsbach oder Brannenburg zu sein. Deswegen soll der Rettungswagen von Kiefersfelden nach Oberaudorf an die Autobahn verlegt werden – auch hier erst einmal für den Probezeitraum von zwei Jahren.
Die Stadt Rosenheim ist der einzige Bereich, der die Zwölf-Minuten-Marke in 88,6 Prozent aller Fälle erreicht. Dennoch soll auch hier nachgebessert werden. Um eine gute und flächendeckende Versorgung auch zu Spitzenzeiten gewährleisten zu können, soll eine der bestehenden Rettungswachen im Norden der Stadt in den Bereich von Westerndorf St. Peter verlegt werden. Im Süden, bei Aising, soll wiederum ein neuer Standort entstehen. Der Westen der Stadt wird weiterhin durch die Rettungswache in Kolbermoor versorgt und der Osten des Stadtgebietes von der bestehenden Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes in der Tegernseestraße.
Oft wird bei harmlosen
Fällen Notruf gewählt
Dabei sollen auch die vom Zweckverband so genannten „Ketteneffekte“ zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen berücksichtigt werden. Ist ein Rettungswagen bei einem Einsatz unterwegs, wird für einen weiteren Einsatz ein Rettungswagen aus einem anderen Versorgungsgebiet alarmiert. In der Folge sinkt dann die Verfügbarkeit in dem anderen Gebiet und es entstehen Engpässe. Deswegen sollen künftig die Stunden, in denen die Rettungskräfte zur Verfügung stehen, erhöht werden, um gleichzeitig mehrere Einsätze parallel durchführen zu können.
Eines der grundlegenden Probleme für die vielen, eigentlich zu vielen Einsätze, ist der oft unnötige Ruf nach einem Krankenwagen, heißt es vonseiten des Ärztlichen Dienstes. Sei es nur eine vergleichsweise harmlose Erkrankung oder Verletzung – oft wird trotzdem der Notruf gewählt. Manche wollen auf diese Weise auch längere Wartezeiten im Krankenhaus vermeiden.
In der Folge steigen die Einsätze der Rettungskräfte immer weiter an. 2022 wurden im Schnitt 700 Einsätze pro Woche gefahren. Im Mai 2022 waren es sogar 1200 Einsätze in einer einzigen Woche. „Das war nicht mehr zu leisten”, so Christof Vornberger. „Es gibt keinen Maßstab dafür, was richtig oder falsch ist“, sagt der Leiter des Ärztlichen Dienstes, Michael Städler. Aber es gäbe „eigentlich reichlich Alternativen zu einem Rettungswagen.“
Auch abseits der unnötigen Einsätze ist die Zahl der Fahrten deutlich gestiegen. Das geht auch zulasten der Krankenhäuser und Notaufnahmen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Notaufnahme des Romed-Klinikums die zweitmeisten Zuweisungen in Oberbayern. Nur das Klinikum rechts der Isar in München hatte mehr. Das führte dazu, dass die Notaufnahmen mehrfach überlastet waren und kurzfristig gesperrt werden mussten. „Die Kliniken haben die Patienten trotzdem untergebracht, aber unter größten Kraftanstrengungen“, heißt es vonseiten der Fachleute.
Feuerwehren kämpfen
mit Falschmeldungen
Nicht nur die Krankenwagen müssen oft ausrücken, obwohl kein Notfall vorliegt. Die Feuerwehren haben mit einem ähnlichen Problem zu kämpfen. Oft werden auf Privatgrundstücken bei sogenannten Daxn- feuern Altholz und Holzabfälle verbrannt. Hier kommt es oft zu einer starken Rauchentwicklung, was regelmäßig zur Alarmierung der Feuerwehren führt. Auch größere Grillschalen oder Brauchtumsfeuer, wie Petersfeuer oder Osterfeuer, führen häufig zu Falschmeldungen und unnötigen Einsätzen.
Um deren Zahl zu reduzieren, hat der Landkreis eine neue Plattform eingerichtet. Unter daxenfeuer.de kann jeder das geplante Feuer kostenlos und einfach online bei der Integrierten Leitstelle Rosenheim melden. Laut Stefan Ertl, dem Leitstellenleiter in Rosenheim, waren bis Mitte März schon 128 Nutzfeuer gemeldet. „So konnten über 100 Feuerwehralarmierungen vermieden werden.”