Traunstein/Bad Reichenhall/ Bernau – Durch Faustschläge eines 36-jährigen Häftlings büßte ein Beamter (51) während der Essensausgabe in der Justizvollzugsanstalt Bad Reichenhall fünf Zähne ein. Außerdem bedrohte der Gefangene kurz darauf Bedienstete in der JVA Bernau und zerdepperte eine Sicherheitsglasscheibe.
In psychiatrisches Krankenhaus
Die Neunte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Barbara Miller ordnete nun die Unterbringung des Beschuldigten, der für alle Taten krankheitsbedingt nicht verantwortlich zu machen ist, in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Bei der Essensausgabe am Nachmittag des 22. Juni 2022 sperrte der 51-jährige Vollzugsbeamte die Zellen auf. Ein Hausarbeiter teilte anschließend das Abendessen aus. Der 36-Jährige kam sofort aus dem Haftraum und attackierte den Beamten. Zwei Zähne fielen zu Boden. Weitere drei Zähne waren stark beschädigt und von einem Zahnarzt nicht mehr zu retten. Von allen Seiten kamen dem 51-Jährigen damals Kollegen und Gefangene zu Hilfe.
Der 36-Jährige wurde in die Zelle zurückgedrängt und später in die Justizvollzugsanstalt Bernau verlegt. Der 51-Jährige erlitt bei dem Vorfall erhebliche Schmerzen und Prellungen im Gesichtsbereich.
In Bernau leistete sich der Beschuldigte zwischen 24. Juni und 7. Juli 2022 Bedrohungen eines Hauptsekretärs, eine Sachbeschädigung und Todesdrohungen gegen die Anstaltsleitung.
Der psychiatrische Sachverständige, Dr. Josef Eberl vom Bezirksklinikum in Gabersee, attestierte dem 36-Jährigen völlig aufgehobene Schuldfähigkeit bei den Taten. Der Mann leide seit 2005 unter einer schweren psychischen Erkrankung, die in akuten Schüben verlaufe. Den Beschuldigten hätten wahnhafte Vorstellungen geplagt, die Menschheit retten zu müssen. Aufgrund der Krankheit habe sich der 36-Jährige zu Unrecht inhaftiert gefühlt und sein Handeln für gerechtfertigt gehalten. Sein Zustand habe sich in den letzten Monaten gebessert, aber noch nicht ausreichend stabilisiert, so Eberl.
Der Gutachter bejahte die Voraussetzungen für eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung in der Psychiatrie. Eine Aussetzung zur Bewährung sei zurzeit noch nicht möglich. Auf Frage der Vorsitzenden Richterin führte Eberl aus, dass bei einem weiteren akuten Schub wieder mit Körperverletzungshandlungen und schwereren Taten zu rechnen sei. Generell gelte bei solchen Erkrankungen: „Menschen mit Wahnvorstellungen sind gefährlich. In einem akuten Schub sind sie nicht in der Lage, zu erkennen, wie gefährlich ihr Handeln ist. Besonders Menschen mit einem Sendungswahn setzen in unbehandeltem Zustand ihre Vorhaben um.“
Dass seit den Taten nicht nochmal etwas passiert sei, etwa während der vorläufigen Unterbringung, habe seinen Grund: „Alle wussten, dass der Beschuldigte gefährlich ist. Alle waren vorsichtig mit ihm“, so Eberl.
Staatsanwalt Severin Köpnick sah keine andere Möglichkeit, als die Unterbringung anzuordnen. Es sei „gänzlich unkalkulierbar, wie sich der Beschuldigte in Freiheit verhalten würde“. Verteidiger Andreas Penzkofer aus Taching setzte sich dafür ein, den Antrag des Staatsanwalts abzulehnen. Er betrachte den 36-Jährigen nicht als „gefährlich für die Allgemeinheit“. Alle Taten hätten sich in Gefängnissen ereignet.
Beschuldigter
weiterhin gefährlich
Im Urteil stellte die Vorsitzende Richterin fest, der 36-Jährige habe einen tätlichen Angriff gegen Vollzugsbeamte, eine Körperverletzung, Bedrohungen und eine Sachbeschädigung „schuldlos begangen“. Dafür könne er nicht bestraft werden.
Zur Gefährlichkeitsprognose hob Barbara Miller heraus, im Falle eines Schubs seien ein weiteres Mal massive Körperverletzungen bis hin vielleicht zu Tötungsdelikten mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Auch außerhalb des Vollzugs könne der Beschuldigte zu seinem Wahn zurückkehren.
Die Vorsitzende Richterin schloss: „Der Beschuldigte ist auf einem guten Weg. Wir sind aber überzeugt, er braucht noch einen geschützten Rahmen, bis er irgendwann Bewährung bekommen kann.“