Rosenheim – Verschiedene Perspektiven und Meinungen seien das Wesen von Demokratie. So hatte Landrat Otto Lederer in seinem Grußwort zur Jahresversammlung die Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Rosenheim gewürdigt. Deren Vorsitzender Rainer Auer lieferte passend dazu die derzeit wohl kontroversesten W-Fragen: Wie viele Wölfe und wohin mit den Windparks, die auch vor unserer Region nicht Halt machen werden?
Die 70 Mitglieder und Ehrengäste im Gasthof Höhensteiger erfuhren neben erwartbaren Daten auch Überraschendes: Die von durchziehenden Wölfen gerissenen Schafe sind Auer zufolge für die betroffenen Landwirte unbestritten ein Problem.
Allerdings wirkt die Zahl der von Wolf, Hund und Bär gerissenen Schafe eher bescheiden, wenn man sie mit den 40000 Schafen vergleicht, die in Bayern jedes Jahr nach ungeklärter Todesursache in den Tierkörperverwertungsanstalten beseitigt werden. Die große mediale Aufmerksamkeit richte sich hier leider auf das zahlenmäßig wesentlich kleinere Problem. Das gelte auch für die vermeintliche Gefahr für Menschen durch große Beutegreifer. Seit der Rückkehr von Wölfen in Deutschland vor 20 Jahren wurde kein einziger Mensch durch diese Tierart verletzt oder getötet. Im selben Zeitraum starben hundertfach Menschen in Deutschland durch Hunde, Kühe oder Wildunfälle mit Rehbeteiligung. „Rational betrachtet fürchten wir uns vor den falschen Tierarten“, so Auer. „Gefühlt ist unsere Wahrnehmung aufgrund der Gewichtung in den Medien natürlich eine andere.“
Professor Dr. Sören Schöbel-Rutschmann von der TU München versuchte in seinem Vortrag „Windenergie im Alpenvorland“ die Ängste vor Landschaftszerstörung und Artenschwund in Südostoberbayern durch weitere Windräder nicht nur zu lindern, sondern im Wesentlichen sogar ins Positive zu wenden.
Ziel sollte sein, unserer Verantwortung für eine zukunftstaugliche Energieversorgung gerecht zu werden. Um eine faire Lastenverteilung zwischen den verschiedenen Regierungsbezirken zu erreichen, müssten wir uns allerdings von der Privilegierung des Alpenvorlands verabschieden.
Das Rosenheimer Land könne nicht verlangen, der Zubau an Windkraftanlagen in Bayern von derzeit etwa 1400 auf über 7000 solle weitestgehend in anderen Regionen betrieben werden. Vogelschutzgebiete seien zwar weiterhin tabu, der Rest müsse und könne mit Bürgerbeteiligung von einer landschaftsgestalterischen „Positivplanung“ profitieren.
Kaum bekannt sei, dass außer Deutschland, Österreich und Russland alle größeren europäischen Länder die „Europäische Landschaftskonvention“ unterzeichnet hätten. In Frankreich oder Skandinavien gäbe es nützliche Handreichungen zur Landschaftsgestaltung. Dänemark sehe Windparks gar als „Kraftlinien“, während Deutschland eine grundsätzliche Negativplanung mit möglichst weitgehender Verdrängung praktiziere.
Das deutsche Planungsprinzip verhindere eine Gesamtbetrachtung der Landschaft und damit auch eine ästhetische Gestaltung. Wichtiger noch, man verteile Belastungen dadurch ungerecht über die Regionen. Das könne angesichts der Dimension dieses „Generationenprojekts“ nicht funktionieren.
Anschließend zeigte die engagierte Diskussion zur Zukunft des Windkraftausbaus einmal mehr, dass sich die Bereitschaft für eine stärkere Nutzung dieser regenerativen Energiequelle nicht zuletzt zwischen den Generationen unterscheidet.