Rimsting – Für Rimstings Bürgermeister Andreas Fenzel endete der Urlaub mit einem Schock. Am Wochenende hatte er von den schrecklichen Verhältnissen in einem Stall in Rimsting erfahren. „Blankes Entsetzen“ fühle er, sagte Fenzel. „Das ist unerklärlich, uns fehlen die Worte.“
Wohl auch deswegen, weil noch immer nicht klar ist, was in dem abgelegenen Bauernhof wirklich vorgefallen ist und was in dem Landwirt vorging, der seine Tiere so vernachlässigte. Es hätten – wenn überhaupt – wohl nicht viele Menschen Bescheid gewusst, wie es um den Stall stehe, meint der Bürgermeister. Es werde überhaupt wenig über die Angelegenheit gesprochen.
Helfer sahen
schlimmste Zustände
Klar ist, dass eine Streife der Polizeiinspektion Prien dem Bauernhof nach einem Hinweis einen Besuch abstattete. Was die Beamten vorfanden, veranlasste sie, sofort das Veterinäramt am Landratsamt Rosenheim, Feuerwehr und weitere Notfall-Spezialisten wie das Technische Hilfswerk (THW) zu benachrichtigen. Augenzeugen des Einsatzes sprechen von knietiefem Dreck und Mist in dem Stall. Manche Tiere standen laut Staatsanwaltschaft Traunstein bis zum Hals in der Gülle.
Zwei erwachsene Tiere und 29 Jungrinder wurden tot in der Gülle liegend gefunden. Bei der Sichtung der Kadaver wurden dann zwei weitere verendete Tiere entdeckt, sodass bislang von 33 toten Kühen ausgegangen wird. „Die Tiere wiesen unterschiedliche Verwesungszustände auf, wurden teilweise vollständig von der Gülle verdeckt, lagen übereinander und wiesen Spuren von Rattenfraß auf“, erläuterte der Oberstaatsanwalt laut DPA. 96 Kühe konnten gerettet und – bis auf drei, die woanders unterkamen – in einen Notstall in Penzing im Landkreis Landsberg untergebracht werden.
Auch Josef Steingraber, Geschäftsführer des Kreisverbands Rosenheim des Bayerischen Bauernverbands, steht vor einem Rätsel. Er habe von der Geschichte aus den OVB-Heimatzeitungen erfahren, sagt er. „Ich weiß noch nicht, was passiert ist“, sagt er. Aber er kann sich erinnern, wie zuletzt ein Landwirt in der Region seine Tiere vernachlässigte.
„Wir hatten einen Fall, da litt der Hofbesitzer unter Burnout. Der ist nur noch in seinem Haus gesessen und hat tagelang die Tiere nicht gefüttert.“ Ist dem Landwirt in Rimsting die Situation entglitten? Das schlechte Wetter, die hohen Preise für Futter und Energie, Existenznöte – es gebe vieles, was den Bauern das Leben schwer macht, sagt Steingraber: „Es wird ja nicht einfacher.“ Es gebe Hilfe für Landwirte, die sich in Not oder zumindest vor einer Herausforderung sehen, sagt Steingraber. Zum Beispiel Angebote der Landwirtschaftlichen Krankenkasse. Der Bauernverband wiederum bietet eine sozioökonomische Beratung an – ein ganzheitliches Beratungsangebot, „mit dem Sie für sich, für Ihre Familie und Ihren Betrieb Ihre Zukunft klar in den Blick nehmen“, heißt es dazu auf der Homepage des Bayerischen Bauernverbandes.
Hilfe holen können sich Bauern auch bei der anonymen Beratungsstelle des bayerischen Landwirtschaftsministeriums. Auch die Beratung zur Sozialversicherung könne Orientierung bieten, sagt Steingraber. „Wir sind, was Hilfe anbelangt, gut aufgestellt.“
Die Polizei ermittelt nun gegen den Rimstinger Landwirt wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, das Geldstrafen wegen diverser Vergehen wie schlechte Versorgung mit Futter und Wasser vorsieht. Am Montag wurde der Hof wegen der strafrechtlichen Ermittlungen durchsucht.
Die Tiere sind derweil untergekommen, und zwar so gut wie möglich, wie Wolfgang Müller, Sprecher des Landratsamtes Landsberg am Lech, betont. Der Landkreis Landsberg unterhält in Penzing einen Notstall, in dem Tiere untergebracht werden können, die aus Notlagen gerettet werden mussten. Wie zum Beispiel bei einem Brand. Oder bei unhaltbaren Verhältnissen wie in Rimsting. Versorgt werden die Tiere dort durch den Maschinen- und Betriebsring Landsberg. Der Stall ist bayernweit einzigartig. Neben dem Landkreis Rosenheim seien neun weitere Landkreise Kooperationspartner, heißt es aus dem Landratsamt.
In den nächsten Wochen sollen die Tiere aus dem Chiemgau in ihrem Landsberger Asyl bleiben und wieder aufgepäppelt werden. Dass die Tiere nach Rimsting zurückkehren, erscheint ungewiss. Durch die Rettung und ihren Unterhalt laufen hohe Kosten auf. Zudem stehen Geldbußen im Raum.