Amerang – Es ist das Ärgernis für viele Naturschützer und Ameranger Bürger: die Kunststoff-Kügelchen im Ameranger See. Seit mindestens 2007 verzeichnet das Landratsamt Rosenheim Akteneinträge zu diesem Thema. Bisher hielten sich die Behörden jedoch bedeckt, was einen möglichen Verursacher angeht: Der Eintragsweg des Granulats konnte nicht nachgewiesen werden, hieß es noch erst vor Kurzem in einer Stellungnahme des Landratsamts.
Nun liegen der Redaktion allerdings zwei Gutachten aus den Jahren 2017 und 2019 vor, die neue Anhaltspunkte bieten, wo die Verschmutzung ihren Ursprung haben könnte.
Widersprüche in
Behörden-Aussagen
Wie aus dem Gutachten des Wasserwirtschaftsamts von 2017 zu lesen ist, wurden damals Proben aus den Zuläufen des Ameranger und Zillhamer Sees entnommen. Das Ergebnis: Nur Polyethylen befinde sich in den beiden Gewässern. Das widerspricht der Aussage des Landratsamtes Rosenheim, das Anfang Mai noch erklärt hatte, dass die Stoffe Polystyrol, Polyoxymethylen und Polypropylen festgestellt wurden – also kein Polyethylen.
Wie es zu dieser Abweichung kommen konnte, ist unklar. Auf Anfrage erklärt das Landratsamt, dass die Granulat-Sorten so vom Wasserwirtschaftsamt mitgeteilt wurden. Diese Behörde erklärt dazu, dass es sich wahrscheinlich um „eine Vertauschung von Einzelfällen“ gehandelt habe. In dem Gutachten heißt es, alle sechs Teilproben seien „eindeutig Polyethylen zuzuordnen“. Das betont auch das Wasserwirtschaftsamt und bestätigt, dass die anderen genannten Stoffe nicht gefunden wurden. Nur bei zwei Proben wurden noch andere Banden (chemische Verbindungen) gefunden, die nicht eindeutig Polyethylen zuzuordnen seien. Es könne aber vermutet werden, dass sich diese auf Alterungsprozesse des Granulats zurückführen ließen, heißt es in dem Schreiben weiter.
Festzuhalten bleibt also: Laut Gutachten befindet sich im Ameranger See nur Polyethylen. Daraus wird gefolgert, dass die Firmen Huber, Lampersberger und Profol als Verursacher auszuschließen seien. Denn bei ihren Proben konnten nur die Stoffe Polystyrol (Huber und anteilig Lampersberger), Polyoxymethylen (Huber und Lampersberger) sowie Polypropylen (Lampersberger und Profol) nachgewiesen werden. „Es konnte keine Übereinstimmung der Partikel in Zulaufproben des Zillhamer und Ameranger Sees mit den Referenzproben der anliegenden kunststoffverarbeiteten Betriebe gefunden werden“, fasst das Schreiben zusammen.
Im Jahr 2019 wurde dann noch ein weiteres Gutachten durch das Landesamt für Umwelt durchgeführt, das ebenfalls der Redaktion vorliegt. Hier wurden weitere Proben bei der Firma Dürrbeck entnommen. Die Verwaltung der Firma ist in Halfing ansässig, die Produktion wurde aber schon vor mehreren Jahren nach Thüringen verlegt. Möglicherweise wurde die Firma deshalb bei der ersten Testung nicht berücksichtigt.
Landratsamt will sich
nicht festlegen
Die Ergebnisse dieses Gutachtens lesen sich jedoch interessant. Denn in allen sechs Teilproben der Firma wurde Polyethylen nachgewiesen. Sie zeigen, so heißt es in dem Gutachten, „rechnerisch als auch visuell eine hohe Übereinstimmung“ mit den Proben aus dem See, so die Einschätzung des Umweltamts.
Auch für die beiden Testungen aus dem See, die nicht eindeutig Polyethylen zuzuordnen sind, gibt es eine Erklärung. Die Banden „konnten auch bei den nicht vorbehandelten Partikeln der Firma Dürrbeck beobachtet werden“. Dies deute darauf hin, dass es sich hierbei um Veränderungen handele, die durch Alterungsprozesse der Partikeloberfläche entstehen würden, so das Gutachten.
Heißt dies nun, die Firma Dürrbeck ist der Verursacher der Verschmutzung? So eindeutig will sich das Landratsamt auf erneute Anfrage nicht festlegen: „In einem Schreiben vom Oktober 2022 teilte das Wasserwirtschaftsamt mit, dass in einer Rohrleitung, die an das Gelände der Firma Dürrbeck angeschlossen ist, das Kunststoffgranulat Polyethylen entdeckt wurde. Allerdings handelt es sich bei dieser Rohrleitung um eine Sammelleitung, an der auch andere Einleiter angeschlossen sind. Ein Verursachernachweis konnte deshalb nicht erbracht werden.“
Dürrbeck streitet
Zusammenhang ab
Auf Anfrage streitet auch die Firma Dürrbeck einen Zusammenhang mit der Verschmutzung ab: „Wir sind nur eines von vielen Kunststoff verarbeitenden Unternehmen in der Region. Wir haben die Kunststoff-Produktion 1999 in Halfing eingestellt, sehr lange bevor irgendwelche Verschmutzungen in den Gewässern beanstandet worden sind“, erklärt Geschäftsführer Joachim Dürrbeck.
„Vor diesem Hintergrund ist es sehr unwahrscheinlich, dass unser Unternehmen hierfür die Verantwortung trägt. Wer für die behaupteten Verschmutzungen verantwortlich ist, wissen wir nicht.“ Der Firma liege in dem Zusammenhang ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten vor, aus dem sich ergibt, dass sich der Verursacher nicht mit Sicherheit feststellen lässt, so der Geschäftsführer. Er fügt hinzu: „Der Eigentümer der Seegrundstücke macht jedenfalls ein anderes Unternehmen aus der Region für die Verschmutzungen verantwortlich.“ Er bezieht sich dabei auf Grundstückbesitzer Ortholf Freiherr von Crailsheim, der sich im Rechtsstreit mit der Firma Profol befindet.