Rimsting – Über 90 Kühe wurden fortgeschafft, sie sind nun in einem Notstall in Penzing (Landkreis Landsberg) untergebracht. 33 weitere Tiere verendeten jedoch in dem Stall eines Bauernhofs in Rimsting. Es ermittelt die Staatsanwaltschaft Traunstein wegen des Verdachts, „dass der Landwirt sich der Tiertötung und der quälerischen Tiermisshandlung durch Unterlassen strafbar gemacht hat“, wie Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze zusammenfasst.
Umweltminister fordert Aufklärung
Während die Staatsanwaltschaft beunruhigende Details enthüllt, mehren sich die Fragen an anderer Stelle. Wie konnte der Landwirt von allen unbemerkt die Kontrolle über den Stall verlieren? Und wo blieben die staatlichen Kontrollen? „Tierschutzverstöße sind nicht hinnehmbar. Wer Tiere hält, ist für sie verantwortlich“, sagt Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber auf OVB-Anfrage. „Der Sachverhalt muss jetzt umfassend und konsequent aufgeklärt werden.“
Daran arbeitet weiterhin die Traunsteiner Staatsanwaltschaft. Sie fasst die unfassbare Situation in dem Stall zusammen. Manche Tiere seien bis zum Hals in Gülle gestanden, heißt es seitens der Behörde. Die Kadaver zweier ausgewachsener Rinder wurden gefunden, dazu 29 Jungtiere. Und darunter zwei weitere Kadaver. „Die Tiere wiesen unterschiedliche Verwesungszustände auf, wurden teilweise vollständig von der Gülle verdeckt, lagen übereinander und wiesen Spuren von Rattenfraß auf“, führte Oberstaatsanwalt Vietze aus. Am vergangenen Montag hat die Staatsanwaltschaft außerdem das Anwesen durchsuchen lassen. Dabei seien „insbesondere umfangreiche schriftliche Unterlagen sichergestellt worden“, sagt Vietze.
Möglicherweise hatte der Landwirt unter schweren, existenziellen Sorgen gelitten. Es sei denkbar, dass die Rinder über Monate hinweg zu wenig Futter bekommen hätten, bis am Ende gar nichts mehr da gewesen sei, weil es an Geld fehlte, sagte auf OVB-Anfragen ein Tierarzt, der anonym bleiben möchte. Der Durchsuchung vorausgegangen war bereits in der vergangenen Woche eine Kontrolle des Veterinäramtes, das wiederum von einer Polizeistreife benachrichtigt worden war. Warum aber hatte niemand davor Notiz von der Ausnahmesituation am Ortsrand von Rimsting genommen?
Gibt es zu wenige Kontrollen? 2018 hatte eine Anfrage ans zuständige Bundesministerium ergeben, dass Tierhalter in Bayern im Schnitt alle 48 Jahre Besuch vom Veterinäramt erhielten. Das will das Bayerische Umweltministerium so nicht auf sich sitzen lassen.
Seither habe sich etwas getan. Veterinärkontrollen fänden in Bayern sowohl „risikoorientiert als auch anlassbezogen“ statt, die 48-Jahre-Spanne entspreche nicht dem tatsächlichen Bild. Erfasst worden seien damit lediglich meldepflichtige Kontrollen nach Europarecht. Die tatsächlichen betrieblichen Kontrollfrequenzen seien „deutlich höher“, im Einzelfall sogar mit täglichen Kontrollen.
Ein Veterinäramt kontrolliert grundsätzlich nur dann, wenn es Informationen zu Problemen oder Mängeln erhalte, heißt es aus dem Landratsamt Rosenheim. Oder im Zuge eines Monitorings, wo es um die Einhaltung veterinärrechtlicher Vorschriften gehe „Die Betriebe, die vom Veterinäramt zu kontrollieren sind, werden vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgegeben“, betont Sprecher Michael Fischer.
Grüne üben Kritik
am Freistaat
Die Grünen im Bayerischen Landtag sehen dennoch die Schuld beim Freistaat. „Mit regelmäßigeren Kontrollen wären Vernachlässigungen wie im jüngsten Skandal aufgefallen“, sagte Paul Knoblach, Sprecher für Tierwohl der Landtags-Grünen. „Es kann nicht sein, dass in Bayerns Ställen weiterhin Tiere sterben, weil Menschen überfordert sind. Die Söder-Regierung hat es in der Hand, unseren Anträgen zu folgen und endlich mehr für den Tierschutz zu tun, statt nur die Hände in den Schoß zu legen.“
Knoblach forderte außerdem eine verpflichtende Weiterbildung von Landwirten und Möglichkeiten, um bei Arbeitsausfall Hilfe auf dem Hof zu bekommen.
Der Hintergrund bleibt dennoch vorerst rätselhaft. Weitere Auskünfte gibt die Staatsanwaltschaft noch nicht, sie verweist auf den derzeitigen „Stand des Ermittlungsverfahrens“. Nun müssten zunächst die sichergestellten Unterlagen ausgewertet werden, sagt Rainer Vietze.