Kurioses Adress-Wirrwarr

von Redaktion

Seit wann liegt Rosenheim in Ostdeutschland? Ein Schreiben der Bundesregierung an die OVB-Heimatzeitungen wirft Rätsel auf. Und stellt trotz einiger Irrtümer dann doch noch eine ganz wichtige Frage zur Zukunft der Region.

Rosenheim –„Es wächst zusammen, was zusammengehört“. Der Satz stammt von Willy Brandt, und gemeint hat Brandt damit die deutsche Wiedervereinigung, die sich damals, im November 1989 abzeichnete. Über 30 Jahre ist das her, das Zusammenwachsen sollte weit gediehen sein.

Ist es aber nicht. Nicht überall jedenfalls. Noch immer gibt es beispielsweise einen Ostbeauftragten der Bundesregierung, einen Westbeauftragten aber nicht. So als ob der Osten was Besonderes sei, um das man sich besonders kümmern muss. So wie früher um Kolonien. Dafür gab es das Kolonialministerium. Der Osten ist eben anders als der Rest von Deutschland. Daher – der Ostbeauftragte.

Und manchmal kommt dann auch noch zusammen, was überhaupt nicht zusammengehört. Rosenheim und Ostdeutschland zum Beispiel. So geschehen in einem Schreiben des besagten Ostbeauftragten an die Geschäftsführung des Oberbayerischen Volksblatts. Das OVB ist, das geht aus dem Schreiben hervor, ein Betrieb in Ostdeutschland.

Denn da bittet Staatsminister Carsten Schneider (SPD) um Mitwirkung mit der speziellen ostdeutschen Expertise des Oberbayerischen Volksblatts. Es gelte – „nach jahrzehntelanger Abwanderung“ – folgende Frage zu klären: „Wo drückt der Schuh beim Thema Fachkräfte?“ Dazu sollte die Heimatzeitung der Region Rosenheim an einer Umfrage teilnehmen. Und zwar – zum „Arbeitskräftemangel in Ostdeutschland“.

In Südostoberbayern wäre sicherlich mancher geneigt, den Ostdeutschen Tipps in puncto Personal zu geben. Aber das war nicht der Sinn des Briefs, wie dann auch einige Anrufe klären. Es scheint sich bei Rosenheim in Ostdeutschland schlicht um einen Datenbankfehler zu handeln.

Ein Komma in der
falschen Spalte?

Und der geschah so: Die Umfrage-Initiative stammt tatsächlich von Staatsminister Schneider. Und Schneider vergab den Auftrag einer Nachforschung nach der Fachkräftelage an die „Info Markt- und Meinungsforschung“, ein Umfrageinstitut in Berlin.

Info wiederum wandte sich an einen Dienstleister, der über große bundesweite Adress-Datenbanken gebietet. „Und dort wurde ein Komma falsch gesetzt“, sagt eine Info-Mitarbeiterin auf Anfrage des OVB. Ehrlich? Sie selbst wisse, wo Rosenheim liegt, sagt sie, sie habe ja auch schon von den „Rosenheim Cops“ gehört.

Ein einfacher Anwenderfehler beim Suchraster in der Datenbank, eine schlichte Datenpanne also soll zu dem Irrläufer geführt haben. Und das nicht nur in Rosenheim.

Insgesamt 10000 Briefe sollen mit falschen Adressen hinausgegangen sein, „nicht zu entschuldigen sei das“, heißt es aus dem Büro von Carsten Schneider, zumal sich noch peinlichere Fehlschüsse ergaben als der nach Rosenheim in Ostdeutschland. Es seien versehentlich auch bereits verstorbene Firmenchefs angeschrieben worden, sagt ein Schneider-Mitarbeiter zerknirscht.

Allein das Porto wird teuer zu Buche geschlagen sein – allein da gibt der Mitarbeiter Entwarnung. Mit dem Fehler sei kein Geld des Steuerzahlers verbrannt worden, für die Kosten des Fehlschusses müsse die Agentur aufkommen.

Es bleibt also beim Schmunzeln über einen putzigen Datenbankfehler, der daran denken lässt, wie schlecht sich die Deutschen in ihrem eigenen Land auskennen. Es wäre, wenn es denn zuträfe, keine Wissenslücke allein von Ostdeutschen: Sicherlich können viele Rosenheimer die Städte am Ufer des Gardasees im Uhrzeigersinn richtig aufzählen, während sie bei der Frage nach der Hauptstadt Brandenburgs oder Sachsen-Anhalts passen müssten.

Im Mangel sind Ost
und West vereint

Und es bleibt die eine Frage, die bei näherem Hinsehen beileibe nicht nur den Osten betrifft, sondern auch das wohlhabende Oberbayern – die nach den Fachkräften. „Wirtschaft unter Leidensdruck“ titelte das OVB vor nicht allzu langer Zeit und berichtete über ein einzigartiges Modell, mit dem die TH Rosenheim Studenten aus dem Ausland anwerben will.

Ob in Kitas, in Krankenhäusern oder in Handwerksbetrieben, der Mangel an gut ausgebildeten Menschen macht auch der Wirtschaft im Westen zu schaffen. Im Mangel sind Ost und West vereint.

Vielleicht kann Carsten Schneider ja demnächst auf den Job des Fachkräftebeauftragten umschulen.

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