„Aus allen Wolken gefallen“

von Redaktion

Interview SV Ostermünchen nach Missbrauchsvorwürfen unter Schock

Tuntenhausen – Ein ehemaliger Jugendtrainer des SV Ostermünchen sowie Mitarbeiter der dortigen Schule steht im Verdacht, Minderjährige sexuell missbraucht zu haben. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft. Beim Verein sitzt der Schock tief. Mitte März wurden die Verantwortlichen von der Kriminalpolizei informiert. Was seitdem passiert ist, welche Fragen sich die Verantwortlichen des Sportvereins stellen, wie es um die Vertrauensbasis für die Jugendarbeit steht und wie der Fall aufgearbeitet wird, berichten die Vorstandsmitglieder Christian Mayer, Peter Niedermeier und Markus Lupp sowie Kassier und Gemeinderatsmitglied Stefan Hofbauer im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen.

Wie hat der SV Ostermünchen von den Vorwürfen gegen den jungen Mann erfahren?

Christian Mayer: Wir sind von der Kriminalpolizei Rosenheim am 22. März kontaktiert worden. Als wir erfuhren, worum es geht, sind wir aus allen Wolken gefallen und haben sofort eine Krisensitzung einberufen. Uns wurde von der Polizei eine klare Vorgehensweise und Verschwiegenheit empfohlen.

Peter Niedermeier: Wir haben die Polizei so gut es ging bei ihren Ermittlungen unterstützt. Dazu gehörte auch eine Begehung unserer Sportanlagen. Dabei wurde deutlich, dass der Missbrauch nicht auf unseren Anlagen oder in unseren Einrichtungen stattgefunden hat.

Markus Lupp: Die Vorstandschaft hat den Beschuldigten sofort zum persönlichen Gespräch gebeten. Natürlich gilt bis zu einem Urteil die Unschuldsvermutung, aber er wurde vom Vorstand trotzdem aufgefordert, sofort alle Ämter niederzulegen. Er ist auch aus dem Sportverein ausgetreten.

Wie haben die betroffenen Familien reagiert?

Christian Mayer: Niemand weiß, wer genau betroffen ist. Wir durften erst nach Abschluss der polizeilichen Vernehmungen an die Öffentlichkeit gehen. Unser oberstes Anliegen war und ist Aufklärung. Deshalb haben wir am 2. Mai Teile der Eltern zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, um ganz offen darüber zu berichten, wie wir von diesem Vorwurf erfahren haben, was die Polizei uns geraten hat und wie wir der Polizei bei den Ermittlungen zugearbeitet haben.

Gab es von den Familien keine Vorwürfe, dass Sie es hätten verhindern müssen?

Christian Mayer: Wir haben uns in den vergangenen Wochen immer wieder die Frage gestellt, ob wir etwas hätten sehen oder bemerken müssen. Das haben wir auch ganz offen mit den Eltern und den Jugendlichen diskutiert. Aber auch sie hätten nie damit gerechnet. Jeder kannte den Verdächtigen. Er ist in unserem Verein aufgewachsen, hat sich seit Jahren ehrenamtlich engagiert und war sehr kinderaffin. Mit dem Wissen von heute hat das natürlich einen sehr makaberen Beigeschmack. Aber es gab nie Beschwerden oder Vorwürfe. Auch in der Nachmittagsbetreuung der Schule mochten ihn scheinbar alle. Niemand hätte ihm das zugetraut.

Markus Lupp: Gerade in einem kleinen Dorf wie Ostermünchen kennt jeder jeden und seine Hintergründe. Jeder ist ein Rädchen in der Gemeinschaft. Da geht man nicht davon aus, dass es zu einem sexuellen Missbrauch kommen könnte.

Welche Schutzmechanismen gibt es im Verein?

Stefan Hofbauer: Kinder- und Jugendschutz ist schon immer ein Thema. Seit Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in Sportvereinen – das war etwa 2011 – haben wir unsere Trainer auch für die Prävention sexualisierter Gewalt im Sportverein sensibilisiert. Wir haben uns mit dem Thema Nähe und Distanz beschäftigt, mit angemessenem Körperkontakt, mit der geschlechterspezifischen Begleitung der Kinder in den Umkleiden oder Sanitärbereichen. Die Kinder wissen, dass sie mit ihren Betreuern jederzeit reden können, wenn sie Sorgen haben. Aber in so einem Fall? Wem vertraut sich ein Kind dann an? Ist das dann ausgerechnet jemand aus dem Verein, den es nur einmal in der Woche sieht?

Peter Niedermeier: Wir tragen die Verantwortung für 1640 Vereinsmitglieder, unter denen etwa 800 Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr sind. Wir haben uns wirklich sehr intensiv hinterfragt. Waren wir irgendwo nachlässig? Haben wir auch nur die kleinsten Signale übersehen? Aber wir haben nicht ansatzweise etwas gefunden. Wir haben alles Menschenmögliche getan. Der Tatverdächtige hatte uns auch ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt und die Selbstverpflichtungserklärung der Bayerischen Sportjugend unterzeichnet. Und damit hat er sich auch dazu verpflichtet, die ihm anvertrauten Mädchen und Jungen vor Missbrauch zu schützen.

Wie geht es nun weiter?

Christian Mayer: Die Eltern und auch die Jugendlichen wissen, dass wir Vorstände jederzeit zu persönlichen Gesprächen bereit sind, falls diese gewünscht sind.

Peter Niedermeier: Am Mittwoch, 21. Juni, findet in Zusammenarbeit mit der Schule und der Gemeinde eine Schulung von Lehrkräften und Trainern statt. Zudem ist am Donnerstag, 22. Juni, um 19 Uhr in Wallners Landgasthof zur Post eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Prävention mit Experten vom Kreisjugendamt und der Erziehungsberatungsstelle der Caritas geplant, an der alle Bürger teilnehmen können.

Stefan Hofbauer: Wir denken auch darüber nach, Online-Seminare für alle Interessierten anzubieten.

Interview: Kathrin Gerlach

Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg informiert

Artikel 5 von 11