Nach dem Hoffen die Verzweiflung

von Redaktion

Erstmals nach dem tragischen Tod ihres Mannes und ihres Sohnes bei der Implosion der „Titan“ äußert sich die Rosenheimerin Christine Dawood in einem Interview. Um den Schicksalsschlag zu verarbeiten, hat sie sich mit ihrer Tochter ein Ziel gesetzt.

London – Die Rosenheimerin Christine Dawood (46) verlor am Schiffswrack der „Titanic“ ihren Mann Shahzada (48) und ihren Sohn Suleman (19), als die Tauchkapsel „Titan“ implodierte. Jetzt hat sie dem britischen Sender BBC ein Interview gegeben.

Ursprünglich habe sie selbst den Tauchgang zur „Titanic“ zusammen mit ihrem Mann – einem britisch-pakistanischen Unternehmensberater – unternehmen wollen, sagte Christine Dawood in dem Interview, das die BBC in der Nacht zu Montag veröffentlichte. Aber die Corona-Pandemie habe das Vorhaben durchkreuzt – und ihr Sohn selbst Interesse daran gezeigt.

Für den Sohn auf den
Tauchgang verzichtet

„Dann habe ich verzichtet und ihnen die Gelegenheit gegeben, Suleman darauf vorzubereiten, weil er es wirklich machen wollte.“ Angst habe er keine gehabt. Dass Suleman Angst vor dem Tauchgang gehabt habe, hatte die Schwester Shahzadas zuvor noch einem US-amerikanischen Sender berichtet.

Bevor beide Männer schließlich mit drei anderen Abenteurern die „Titan“ bestiegen, hätten sie sich noch umarmt und Witze gemacht, schilderte sie. Dann glitt das Tauchboot zum legendären Wrack des Luxusliners in 3800 Meter Tiefe hinab, während Christine Dawood und ihre 17 Jahre alte Tochter Alina an Bord des Mutterschiffs „Polar Prince“ ausharrten.

Irgendwann hätten sie dann gehört, dass der Kontakt zur „Titan“ abgerissen sei. „Der Satz ‚Wir haben die Verbindung verloren…‘ – Diesen Satz will ich in meinem Leben nie mehr hören“, erzählte die Witwe mit stockender Stimme. „In dem Moment habe ich nicht verstanden, was das bedeutet. Ab da ging es dann bergab.“

Die Stimmung während der Rettungsmission sei nach einiger Zeit umgeschlagen, aus Optimismus sei Verzweiflung geworden. „Ich glaube, ich habe die Hoffnung verloren, als wir die Marke von 96 Stunden überschritten haben“, erinnerte sich Dawood – für diese Zeitspanne hätten die Sauerstoffreserven an Bord der „Titan“ in etwa reichen sollen.

Ihre Tochter habe sich etwas länger an den Gedanken geklammert, das Drama werde noch ein glimpfliches Ende nehmen. Doch dann sei der niederschmetternde Anruf der Küstenwache gekommen: „Da haben sie uns im Grunde informiert, dass sie Trümmer gefunden haben.“ Die Bruchstücke der „Titan“ lagen keine 500 Meter vom Bug des „Titanic“-Wracks entfernt – der Tod der fünf Insassen war damit faktisch bestätigt.

Dawoods Sohn wollte
Weltrekord aufstellen

Ihr Sohn wollte bei der Expedition offenbar einen Weltrekord aufstellen. Er sei ein begnadeter Zauberwürfel-Spieler gewesen und habe das auch als „Rubik’s Cube“ bekannte Drehpuzzle in knapp vier Kilometer Meerestiefe lösen wollen, sagte Christine Dawood dem britischen Sender BBC. Der 19-Jährige habe sich sogar vorab für einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde beworben. Um den Erfolgsmoment auf Video festzuhalten, habe sein Vater Shahzada eigens eine Kamera mit in das kleine Tauchboot genommen.

Christine und Alina Dawood haben sich nun ein persönliches Ziel gesetzt, um die Tragödie zu verarbeiten und das Andenken an ihren Sohn und Bruder zu bewahren: Seine Mutter und Schwester wollen nun selbst lernen, wie man das Zauberwürfel-Puzzle löst.

Die gebürtige Rosenheimerin hatte Shahzada Dawood während des Studiums in Reutlingen kennengelernt. 2001 hatten die beiden in der Nähe von London geheiratet.

Immer wieder waren die beiden auch in Rosenheim zu Besuch. Noch immer ist Christine Dawood zum Beispiel Mitglied in den Trachtenvereinen Alt Rosenheim und Unterinntaler Vogtareuth. Auch in der Region Rosenheim hatten Menschen tagelang für die Verschollenen gebetet und ihnen die Daumen gedrückt. Am Donnerstag wurde jedoch bekannt, dass die Titan vermutlich schon am Sonntag vom Wasserdruck zerstört worden war.

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