Rosenheim – Die Justiz hat‘s schwer in Rosenheim, das zeigt die Beschwerde eines Landrichters irgendwann kurz nach dem Mittelalter. Er sei gezwungen, so klagte damals der Rechtsgelehrte, das Landgericht in „Winter und Sommer, bei Regen und Schnee auf dem Platze unter einem Gewölbe, an einem übelschmeckenden Orte“ abzuhalten.
Nun ist der Max-Josefs-Platz kein Gerichtsort mehr, auch sind in Rosenheim „übelschmeckende Orte“ nicht mehr zu entdecken. Doch auch Jahrhunderte nach der Klage hat die Justiz in Rosenheim ein Unterbringungsproblem. Das Justizzentrum, in dem endlich die verschiedenen Dienststellen des Amtsgerichts vereint und dringend benötigte Verhandlungssäle darüber hinaus Raum finden sollen, ist seit Jahrzehnten im Gespräch. Nicht zuletzt, seit die Außenstellen Bad Aibling und Wasserburg nach Rosenheim verlegt wurden. Getan hat sich wenig, außer einem ersten Bau für die Abteilung III des Amtsgerichts mit Betreuungsgericht und Grundbuchamt im Jahre 2010.
Der Minister nennt
keinen Zeitplan
Das war der Stand am Donnerstagabend (29. Juni). Da war Justizminister Georg Eisenreich (CSU) auf Einladung der CSU Rosenheim zu Gast. Und empfing im Rosenheimer Ballhaus Juristen: Richter, Staatsanwälte, Notare, Rechtsanwälte, die Vizepräsidentin des Landgerichts Traunstein, Andrea Titz, ebenso wie die neue Leiterin des Amtsgerichts Rosenheim, Anja Kesting. Die Rosenheimer SPD hatte darin eine Beeinflussung der Justiz durch die bayerische Regierungspartei gewittert. Was Eisenreich mit „Quatsch“ abschmetterte.
Weniger entschieden äußerte sich der Justizminister über die Frage aller Fragen ans Justizministerium. Wann wird das Beilhack-Gelände endlich im Dienste der Gerechtigkeit bebaut? Man arbeite daran, man führe „gute Gespräche“, es gehe voran. Doch sei die Finanzierung der Knackpunkt, sagte Eisenreich dem OVB. „Es wäre eine Summe im hohen zweistelligen Bereich.“
Auf einen Zeitplan wollte Eisenreich sich nicht festlegen lassen. Erst müsse die Angelegenheit im bayerischen Landtag durch den Haushaltsausschuss. Und wann? Das werde bis nach den Wahlen dauern.
Eisenreich fand anschließend im Saal bei Häppchen und Kaltgetränken schöne Worte zum Rechtsstaat – „er läuft sehr gut“ – und zur Rolle der Justiz darin: „Wichtig.“ Dass die digitale Akte kommen müsse. Und darüber hinaus, wie wichtig es für die Demokratie sei, wehrhaft zu sein. Wichtig für die Fachkräfte des Rechtsstaats wäre wohl auch der Umzug in ein neues, funktionales Gebäude.
Schon vor zehn Jahren
am Ende der Geduld
Wie groß die Verzweiflung ist, macht eine Zeitreise durchs OVB-Archiv klar. „Endlich steht der Zug auf dem Gleis“, zeigte sich CSU-Landtagsabgeordneter Klaus Stöttner erleichtert“, liest man da im November 2016. Und weiter: „Für das aus zwei Modulen bestehende neue Gebäude könnte, wenn alles glattgeht, 2019 der erste Spatenstich erfolgen.“ Sieben Jahre nach dem Artikel gibt es keine Planung und keinen Spatenstich.
Zwar zog die Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, vergangenen Sommer endlich von der Kufsteiner in die Aventinstraße um. Doch am Beilhack-Gelände, bereits 1991 vom Freistaat erstanden, tut sich weiter nichts.
Der Minister hatte für Rosenheim keine frohe Botschaft im Gepäck. Dabei wirkt das Justizministerium aktuell durchaus als Bauherr: In Passau soll bis 2027 ein Gefängnis für Straf- und Abschiebehäftlinge gebaut werden. Noch heuer soll der Spatenstich für ein neues Frauen-Gefängnis in Marktredwitz folgen. Weit gediehen ist das neue Justizzentrum in München.
In Bernau hält sich
Ministerium zurück
In der Region Rosenheim hält sich das Justizministerium zurück. Auch bei der JVA Bernau. Die war jüngst ins Gerede geraten, weil die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter unverhältnismäßig lange Belegungen der besonders gesicherten Hafträume sowie die Ausstattung dieser Zellen kritisiert hatte. Eine Kritik, die Eisenreich zurückwies. Man kontrolliere die Haftanstalten. In Bernau habe man alles als gut und rechtens festgestellt.
Die Einrichtung der besonders gesicherten Räume mit einer Glasfront diene auch der Sicherheit und Würde des JVA-Personals. So hätten Häftlinge zuvor zwischen den Gitterstäben etwas auf die Mitarbeiter werfen können – „auch Fäkalien“, sagte Eisenreich gegenüber dem OVB. Die JVA gilt als deutlich in die Jahre gekommen. Doch Arbeiten, ob zum Neubau oder zur Sanierung, „sind in Bernau nicht geplant“.
März drängt
auf Neubau
Politiker aus der Region drängen auf das Justizzentrum. Auch Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März. Eine effektive, bürgernahe und zeitnah entscheidende Justiz sei ein Standortfaktor für Bayern. Das funktioniere nur, wenn Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und andere Bedienstete angemessen untergebracht seien. „Das ist in Rosenheim mit seinen verschiedenen Justiz-Standorten nicht optimal gelöst“, antwortete März dem OVB. An einem Justizzentrum auf dem Beilhack-Gelände führe auf Dauer kein Weg vorbei.
Das findet wohl auch die neue Amtsgerichtschefin. Ob sie den Bau noch in ihrer Amtszeit erleben wird? Anja Kesting macht sich Mut: „Die Hoffnung für das geplante Justizzentrum stirbt zuletzt.“