Echte Polizei schnappt falschen Polizisten

von Redaktion

Mann in Rosenheim um 10000 Euro gebracht – Drei Jahre Freiheitsstrafe und Teilfreispruch

Traunstein/Rosenheim – Einem 50-jährigen türkischen Staatsangehörigen konnte zwar nachgewiesen werden, als „falscher Polizist“ an einem Betrug Mitte 2020 in Rosenheim mittäterschaftlich beteiligt gewesen zu sein. Dafür verhängte die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler drei Jahre Freiheitsstrafe. Bezüglich einer zweiten versuchten Tat sah die Kammer keine objektiven Beweismittel. Deshalb wurde der Angeklagte in diesem Punkt freigesprochen.

Unterdrückte
Rufnummern

Im Juni 2020 hatten sich im oberbayerischen Raum Anrufe durch „falsche Polizisten“ gehäuft, wie es in der Anklage von Staatsanwalt Ferdinand Hohenleitner hieß. Die kriminelle Bande rief aus der Türkei vorwiegend ältere Menschen an – mit unterdrückter Rufnummer, über eine deutsche Mobilfunknummer oder über das so genannte „Call-ID-Spoofing“. Hierbei tauchen auf dem Handydisplay der potenziellen Opfer falsche Telefonnummern auf. Ein „Keiler“ präsentiert irgendwelche Geschichten, um an deren Vermögen zu gelangen. „Logistiker“ und „Abholer“ kümmern sich darum, der Beute habhaft zu werden und sie möglichst schnell in die Türkei zu bringen.

Gegenstand der Anklage waren zwei mutmaßliche Taten des 50-Jährigen binnen einer Woche in Rosenheim. Ein angeblicher „Polizeibeamter der Kripo Rosenheim“ kontaktierte am 23. Juni 2020 einen älteren Herrn. Der Keiler erzählte die deliktstypische Legende einer Einbrecherbande, bei der man einen Zettel mit weiteren Adressen gefunden haben wollte. Darauf stehe auch die Anschrift des Angerufenen. Als dieser preisgab, ein Konto bei einer örtlichen Bank zu haben, ergänzte der „Keiler“ die Geschichte um einen betrügerischen Bankangestellten. Durch Abhebung von 20000 Euro könne Letzterer gleich überführt werden, meinte der Anrufer der „Kripo Rosenheim“. Die Bank hatte geschlossen, der Geldautomat gab lediglich 10000 Euro aus. Den Betrag legte der alte Herr weisungsgemäß in einer Karstadt-Tüte an seinen Briefkasten. Ein schon vor zwei Jahren vom Amtsgericht Rosenheim bestrafter Mittäter fuhr hin und kassierte das Geld. Mit dem jetzigen Angeklagten tauschte er sich anschließend per Whatsapp über dessen Anteil aus. Anhand des Chat-Verlaufs hatte das Gericht keine Zweifel an der Mittäterschaft des 50-Jährigen. Die wechselseitigen Informationen seien eindeutig, stellte der Vorsitzende Richter im Urteil fest. Der Angeklagte hatte in dem Prozess behauptet, es sei lediglich um einen neuen Energieversorger gegangen.

Gemäß Anklage sollte der 50-Jährige auch an der zweiten Tat am 29. Juni 2020 beteiligt gewesen sein. Gefasst werden konnte damals nur sein Landsmann. Ein Keiler hatte eine Dame am Telefon geängstigt, in ihrer Straße habe eine Bande eine Frau zusammengeschlagen. Sie liege im Krankenhaus. Auf einem Zettel der Bande habe man die Wohnanschrift der Angerufenen entdeckt. Auf die Frage des Keilers nach einem Tresor im Haus und der Bitte, das Geld darin zu zählen, schöpfte die Zeugin Verdacht und rief vom Festnetzanschluss aus ihren Mann an. Er kehrte zurück, verständigte die echte Polizei und übernahm das Handygespräch mit dem falschen Polizisten. Der Keiler brachte einen „Laborwagen der Polizei“ ins Spiel, der die 38000 Euro aus dem Tresor prüfen werde. Letztlich wurde der Abholer nach findigen Ablenkmanövern des Ehemanns, um zusätzliche Zeit zu gewinnen, auf frischer Tat ertappt und vorläufig festgenommen. Der 50-Jährige wurde erst wesentlich später inhaftiert und saß einige Zeit in Bosnien-Herzegowina in Auslieferungshaft. In den Plädoyers forderte Staatsanwalt Ferdinand Hohenleitner gestern für den 50-Jährigen wegen eines vollendeten und eines versuchten Bandenbetrugs eine Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren. Der Verteidiger, Walter Holderle aus Rosenheim, beantragte einzig für den ersten Tatkomplex zwei Jahre Strafe mit Bewährung und Freispruch im Rest.

In der Urteilsbegründung erinnerte der Vorsitzende Richter an die Aussage des Geschädigten: „Der Zeuge hat eindringlich geschildert, wie er unter psychischem Druck gehalten und massiv gestresst wurde. Er kann nachträglich – wie viele andere Opfer – nicht verstehen, wie er auf eine derart abenteuerliche Geschichte hereinfallen konnte.“ Bis heute habe die Serie solcher Verbrechen leider noch immer nicht gestoppt werden können, hob Volker Ziegler heraus. Das Gericht könne durch Verhängen entsprechender Strafen generalpräventiv wirken. Gleichzeitig müsse die Kammer immer die individuelle Schuld der Täter feststellen. Anhand der Chats sei klar: „Der Angeklagte wusste, worum es geht. Er hatte das Geschehen mit in der Hand.“ Sobald ein Keiler einen positiven Kontakt zu einem Opfer vermelde, müsse „die Maschinerie anlaufen – damit ein Geschädigter nicht auf die Idee kommt, nachzudenken“. Daran habe der Angeklagte mitgewirkt.

Motiv für
die Falschaussage

Im zweiten Fall gebe es nur einen Rückruf des 50-Jährigen bei dem Landsmann. Das bedeute nicht automatisch, dass er an dieser Tat ebenfalls beteiligt war, unterstrich der Vorsitzende Richter. Der andere Mann habe den Angeklagten belastet, habe aber auch ein Motiv für eine Falschaussage. „Vieles kann sein. Aber beweisen können wir nichts“, so das Fazit Zieglers.

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