Oberaudorf/Wien – Die DNA-Untersuchungen sind abgeschlossen, es steht fest – der Bär vom Berchtesgadener Land ist im Salzburger Land von einem Zug erfasst worden. War er zuvor in den Bergen über Oberaudorf unterwegs? Er riss am 15. Mai im Berchtesgadener Land zwei Schafe, am Tatort blieben DNA-Spuren von ihm zurück: ein männlicher Braunbär, vermutlich mit dem Exemplar identisch, das kurz zuvor in Siegsdorf zweimal in eine Fotofalle getappt war – nicht weit entfernt von Häusern.
Eine Woche nach dem Vorfall im Berchtesgadener Land wurde ein Bär im Salzburger Land vom Zug erfasst und tödlich verletzt. Es war, so kann man nun nach dem DNA-Abgleich sagen, der Bär vom Berchtesgadener Land. Doch nun stellt sich eine Frage: War es derselbe Bär, der seit dem 19. April in den Bergen oberhalb Oberaudorfs Unruhe auslöste? Auch oberhalb von Oberaudorf waren im Frühjahr Schafe gerissen worden. Nicht weit entfernt vom Berggasthof Bichlersee schlug ein großer Beutegreifer zu. Auch hier ergab die DNA-Probe zunächst: Es war ein Braunbär. Die Gattung lässt sich verhältnismäßig einfach und schnell feststellen. Nur ist dann die genaue Identifizierung das Problem. Da können Wochen ins Land gehen.
Das Verfahren sei sehr aufwendig, sagt Dr. Luise Kruckenhauser, stellvertretende Leiterin des DNA-Labors am Naturhistorischen Museum in Wien. Dort werden die Bären-Proben aus Österreich, aber auch aus Bayern analysiert. Ein Prozess, der viel Zeit kostet. Zum einen, weil der Bär bislang nicht zum „Tagesgeschäft“ der jeweiligen Behörden in Österreich oder Bayern gehörte. Das heißt: Die Kapazitäten für das Untersuchungsverfahren müssen erst einmal vorhanden und abrufbar sein.
Bären gehören nicht zur Stammkundschaft der Labors. Zum anderen werden Bärenproben „en bloc“ bearbeitet, da sich der ganze Aufwand für die Untersuchung einer einzelnen Probe nicht lohnen würde. Überdies kostet auch das Verfahren, die sogenannte Mikrosatelliten-Analyse zur Gewinnung des genetischen Fingerabdrucks, viel Zeit der sehr spezialisierten Mitarbeiter. Ein weiteres Hindernis: „Im Normalfall ist die Qualität der DNA schlecht.“ Und da gibt es laut Kruckenhauser noch ein Problem: Die Bären im Alpenbereich sind überwiegend miteinander verwandt.
Je enger aber die Verwandtschaft, desto mehr „Stellen“ in der Gensequenz müssten miteinander abgeglichen werden. „Nur anhand eines Haares immer gleich festzustellen, wer das jetzt war – so einfach ist das nicht“, sagt Luise Kruckenhauser.
Unmöglich wird es beim Bären vom Wildbarren. Die DNA-Proben an den Schafen stellten sich im Nachhinein als Wolfs-DNA heraus. Der hinterließ Speichel bei einer „Nachnutzung“, wie das Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg das nennt. Sprich: Ein anderes Tier hatte die Schafe gerissen, der Wolf tat sich nur noch an den Kadavern gütlich. Spuren eines Bären konnten laut LfU nicht nachgewiesen werden. „Eine Individualisierung des Bären allein aufgrund der vorgefundenen Trittsiegel ist grundsätzlich nicht möglich, sodass in diesem Fall keine Individualisierung des Bären erfolgen kann“, sagte ein LfU-Sprecher. Der Bär von Oberaudorf bleibt ein großer Unbekannter. Michael Weiser