„Ich bin einfach Realpolitiker“

von Redaktion

OVB-Redaktionsgespräch Hubert Aiwanger über Wolf, Bär und Brenner

Rosenheim – Die schweigende Mehrheit müsse sich die „Demokratie zurückholen“: Für diese Forderung bei der Anti-Heizungsgesetz-Demo in Erding erntete Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern viel Kritik. Im OVB-Redaktionsgespräch äußert er sich dazu, erklärt, was er für Käse hält und warum man dem Volk aufs Maul schauen muss. Auch über Bär, Wolf und Brenner-Nordzulauf hat der stellvertretende Ministerpräsident gesprochen. Und über Rivalität und Zusammenarbeit mit Markus Söder.

Mit Ihrer Ansprache in Erding erregten Sie Aufsehen. Seitdem fragt sich mancher: Der Hubert Aiwanger, ist das Biedermann oder Brandstifter? Wie sehen Sie sich selbst?

Einfach als Realpolitiker, der die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nimmt und ihnen Lösungswege vorschlägt. In diesem Falle: Dieses Heizungsgesetz kann man so nicht stehen lassen.

Und wie war das mit der Frage, ob die in Berlin den Allerwertesten offen hätten?

Ein bayerisches Bierzelt, eine Rede vor Tausenden von Menschen ist eine andere rhetorische Situation als eine Landtagsrede oder eine Ansprache in einem Fachgremium. An solchen Worten scheiden sich die Geister. Aber in der Politik kannst du nicht von allen geliebt werden. Es gibt mehrere Parteien, die um die Wählergunst buhlen, und du musst schon die Sprache des Volkes sprechen, um wahrgenommen zu werden.

Aber oft kam der Beifall auch aus der falschen Ecke, von Querdenkern beispielsweise.

Ich will auf diesem Käse eigentlich nicht herumreiten. Ich kann doch bei einer Großveranstaltung nicht sagen, jetzt wird links geklatscht, und jetzt dürft ihr in der Mitte, und ihr hier dürft nicht klatschen. Es sind 13000 Menschen, damit musst du zurechtkommen. Oder du bleibst zu Hause. Das im Nachhinein zu analysieren, ist wie nach einem Fußballspiel, wenn fünf Strategen diskutieren, wie die Flanke hätte geschlagen werden müssen, damit ein Tor fällt. Ich bitte um Verständnis, dass man sich als Politiker präsentieren und auch positionieren muss. Ihr müsst uns die Luft lassen, das Volk irgendwie erreichen zu können.

Der Ton gegenüber Robert Habeck war scharf.

Den habe ich überhaupt nicht erwähnt.

Aber sein Gesetz, von dem Sie forderten, dass man es „in die Tonne treten“ solle. Wie ist generell Ihr Verhältnis zum Amtskollegen Habeck?

Menschlich in Ordnung, wir geben uns auch die Hand und arbeiten fachlich sinnvoll zusammen. Und wir schreiben uns Briefe. Ein Gesetz in die Tonne zu treten, das ist kein persönlicher Angriff, das ist einfach bildliche Sprache.

Und Ihr Verhältnis zu Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP – tut der genug für Bayern?

Ich habe mit ihm schon Videokonferenzen gehabt, ich schreibe ihm regelmäßig Briefe. Aber es kommt inhaltlich nicht das rüber, was ich will. Ich will deutlich mehr und schnellere Förderung für Wasserstoff-Lkw. Und auch in Bezug auf den Brenner liefert er zu wenig. Ich hatte den Vorschlag gemacht, er möge doch die Züge aus dem süddeutschen Raum über den Brenner bezuschussen, damit Lkw auf Züge verladen können. Vielleicht ist er knapp bei Kasse, vielleicht kann er aber auch in der Ampel in seinem Ressort nicht so arbeiten, wie er möchte. Mich wundert, dass man sich in Sachen Güterverkehr überhaupt nicht bewegt, während man regelmäßig Tickets im Personenverkehr subventioniert.

Im Streit um die Blockabfertigung haben Sie sich auch engagiert. Welchen Effekt haben die von Ihnen initiierten Vertrauensleute aus Tirol, Bayern und Südtirol?

Sie haben auf Tiroler wie auf bayerischer Seite die Erkenntnis gebracht, dass wir deutlich mehr mit Echtzeitdaten arbeiten müssen. Über diese Frage habe ich auch mit Mattle (dem Tiroler Landeshauptmann, Anm. der Red.) gesprochen: Wie viele Lkw können in welchem Zeitraum sinnvoll über die Grenze gelassen werden, anstatt mit sturen Zahlen zu arbeiten? Je nachdem, wie viele der Verkehr verträgt, so viele Lkw lassen wir rein. Dafür brauchen wir Echtzeitdaten über den Verkehr, erhoben bis nach München hinein, in enger Zusammenarbeit auch mit der österreichischen und bayerischen Polizei. Das wird derzeit geprüft.

Dringen Sie bei Mattle durch?

Ja, ich glaube auch, dass wir uns fachlich in vielem einig sind, dass er sich zu Hause aber auch Zwängen ausgesetzt sieht. Wer Blockabfertigung anordnet, macht aus Tiroler Sicht Politik für die Heimat.

Wie geht‘s mit der kürzlich in Kufstein vorgestellten Slot-Lösung voran?

Es ist besser als kein System, aber es wird das Problem nicht lösen. Es bringt weitere Probleme: Wenn sich ein Lkw in einen Slot einbucht und dann zu früh an der Grenze ist, müsste man flexibel einen anderen Slot nutzen können. Sonst bräuchte der Lkw einen Parkplatz, den es nicht gibt. Das Slotsystem erfordert noch mehr logistische Leistungsfähigkeit. Mit der Echtzeit-Lösung kämen wir weiter. Aber man kann die beiden Systeme natürlich auch kombinieren.

Müssten wir nicht einfach mehr Dampf beim Brenner-Nordzulauf machen?

Das ist im Zeitplan. Jahrzehntelang ist man nicht vorwärtsgekommen, jetzt sind die Zeitabläufe so weit okay. Wir müssen den Brenner-Nordzulauf anwohnerfreundlich realisieren und das jetzige Potenzial besser nutzen. Ich höre auch immer wieder das Argument, ob die Strecke wirklich auf 230 Kilometer pro Stunde ausgebaut werden muss, was immense Zusatzkosten verursacht. Und wenn man künftig das Verhältnis von 70 Prozent Lkw und 30 Prozent Schiene umkehren will, dann braucht man Terminals und höhere Pünktlichkeit. Und geringere Kosten.

Zusammen mit Markus Söder haben Sie im April in Oberaudorf ein Gesetz zur schnelleren Entnahme von Wölfen angekündigt. Haben sie da zu schnell geschossen?

Das Gesetz, das wir dazu in Bayern verabschiedet haben, ist bis dato weder beklagt noch aus den Angeln gehoben worden. Die Bundesregierung müsste endlich feststellen, dass sich der Wolf in Deutschland in günstigem Erhaltungszustand befindet. Wir haben 2000 Wölfe, jedes Jahr kommen 30 Prozent hinzu, und schon jetzt haben wir in manchen Gegenden Deutschlands die höchste Wolfsdichte der Welt. Das muss man managen. Das müsste die Bundesregierung in Brüssel einfordern: Günstiger Erhaltungsstand plus managen, heißt Zuwachs entnehmen. Das passiert nicht, weil man ideologisch festgefahren ist. Die Probleme müssen sich offenbar erst verschärfen, bevor man in Brüssel und Berlin darauf anspricht. Umso besser, dass Bayern da in Vorleistung gegangen ist.

Berge und Stimmung hier in der Gegend kennen Sie recht gut. Sind Wolf und Bär überhaupt in der Region denkbar?

Wolf verträgt sich nicht mit Weidegebiet. Und Bär nicht mit Tourismus. Wenn wir weiter Tourismus haben wollen, wird der Bär, von vereinzelten Durchzüglern abgesehen, nicht akzeptierbar sein. Wenn wir regelmäßig Wölfe hier haben, dann funktioniert das mit Bergbauern und Weiden nicht mehr.

Also – komplett aus Chiemgau und Mangfallgebirge entfernen?

Ja, das müsste eigentlich wolfsfreie Zone sein. Wölfe vermehren sich in Deutschland so sehr, dass man sagen kann, wir entfernen sie dort, wo sie am meisten stören. Wenn Sie Ameisen in der Küche haben, dann entfernen sie auch die Ameisen aus der Küche, dulden sie aber im Garten. Dulden werden Sie Wölfe wohl eher auf einem Truppenübungsplatz als auf einer beweideten Alm in den Bergen. Also, gesunder Menschenverstand ist gefordert.

Und wie ist das mit anderen Rückkehrern?

Aiwanger: Mit Bibern ist das ähnlich. Die vermehren sich in Kernzonen. Sobald sie erneut Junge bekommen, beißen die alten Biber die jungen weg, und die müssen sich neue Territorien suchen. Die wandern dann aus, bis in Kläranlagen, Klärschlammanlagen und Fischteiche hinein. Und dort werden sie dann Problem-Biber. Dabei sind sie eigentlich arm dran und nur Opfer eines falschen Managements.

Gibt es Absprachen zwischen Bayern, Tirol und Schweiz hinsichtlich Bär und Wolf?

Leider Gottes so gut wie keine. Die Alpenanrainer treffen sich zu Wolfskongressen und erklären sich die Welt, aber leider gehen Berlin, Wien und Brüssel den Weg noch nicht mit. Je höher die politischen Etagen, desto weiter weg ist man offenbar von den Alltagssorgen der Menschen.

Da wir Sie damals am Bichlersee bei Oberaudorf so einträchtig zusammen mit Markus Söder gesehen haben: Betrachten Sie sich als gesetzter Partner der CSU auch nach der Landtagswahl?

Ja. Wir werden nicht mit den Grünen koalieren, und die CSU hoffentlich auch nicht. Wir rivalisieren natürlich mit Nuancen um dieselbe Wählerschaft, und das bringt Spannung in die Wahlzeit. Aber inhaltlich geht es bei uns entspannter zu. Wenn wir mit den Grünen regieren würden, dann würden wir um die Themen streiten. Mit uns streitet die CSU um dieselben bürgerlichen Wähler, aber wir sind uns in der Sache meist einig. Bei aller Rivalität arbeiten wir inhaltlich eng zusammen. Schauen Sie, bei uns läuft es fast geräuschlos, anders als bei der Ampel in Berlin. Wir müssen uns halt um unsere Wählerschaft bemühen.

Auch mit deutlicher Aussprache?

Aiwanger: So, dass der Empfänger versteht, was man meint.

Interview: Rosi Gantner

und Michael Weiser

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