Rosenheim – „Auftakt, ich drehe durch“, ruft Sänger Peter Brugger ins Mikro. 10000 Menschen haben sich vor der Bühne versammelt, um sie zu sehen: die Sportfreunde Stiller. Sie eröffnen mit dem Lied: „Ich scheiss‘ auf schlechte Zeiten“. Eine schlechte Zeit haben die Besucher des Rosenheimer Sommerfestivals gewiss nicht. Brugger sagt: „Genießt die Sonne, das Leben und das Miteinander.“
„New York, Rio,
Rosenheim“
Die Musiker geben alles, springen über die Bühne, schreien ins Mikro, spielen Riffs auf ihren Gitarren. Bereits nach drei Songs tropft der Schweiß von ihren Gesichtern, was auf den großen Bildschirmen neben der Bühne zu sehen ist. Und dann kommt ein Stück, auf das wohl alle gewartet haben.
„Dieses Lied hat endlich den richtigen Ort gefunden“, hallt es von der Bühne. Schon bevor die Sportfreunde loslegen, kreischen und klatschen die Menschen in der Menge. Dann ist es so weit: „New York, Rio, Rosenheim.“ Der Sänger scheint überwältigt. „Ich fand’s grad so unglaublich“, sagt Peter Brugger. „Ohne Euch würde es dieses Lied nicht geben.“
Er dankt nicht nur dem Publikum, sondern auch der Vorband Granada. Sie seien aus Graz angereist. „Herzlichsten Applaus für unsere Mitstreiter-Kumpels aus Graz“, ruft Schlagzeuger Florian Weber. „Granada, das muss man sich mal vorstellen, wir haben nicht irgendwen im Gepäck.“ Das sei, als hätten die Toten Hosen die Ärzte dabei oder Britney Spears Shakira.
Neben Weltstars geht es auch um Promis aus der Region. „Wir sind hier in einer Stadt, aus der kommen viele Sportler“, sagt Weber. Er habe noch am selben Tag mit Basti und Tobi Schweinsteiger geredet. „Wir sollen einen lieben Gruß sagen.“ Die Menge grölt. Der Schlagzeuger erklärt den Besuchern die Fußball-Welt der Schweinsteigers mit ein wenig Ironie: „Einer war richtig gut und der andere hat beim FC Bayern gespielt.“ Die Leute pfeifen, kaschieren ein Technik-Problem mit Bravour.
Weg vom Fußball, zurück zur Musik. Die Sportfreunde spielen „Applaus, Applaus“. Die Hände gehen nach oben und die Leute klatschen. Dann ein kurzer Bruch. „Tut mir leid, meine Gitarre hat irgendwie abgekackt“, sagt Peter Brugger. Doch er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: „Wir müssen das kurz mal checken, aber geht‘s Euch gut? Da ganz da hinten, zeigt Euch alle mal!“
„Vor allem möchte ich hier meine Seite grüßen“, übernimmt Rüdiger Linhof. Die Menschen im Publikum kreischen. Dann geht es wieder um Fußball. Florian Weber findet Rosenheim „super“, weil es 1860 gibt. „Überall, wo ich hinkomm‘ als Bayern-Fan, werd ich gnadenlos ausgepfiffen“, sagt Peter Brugger. „Gibt es auch jemanden, dem Fußballer einfach scheißegal sind?“ Die Leute kreischen. Sie flippen aus, egal was die Musiker sagen.
„Ich bin zurück im Konzert“, ruft Brugger dann. „Auch diese Krisen muss man überstehen. Hätte uns jemand gesagt, dass wir wieder auf solchen Bühnen stehen, ich hätte es nicht geglaubt. Es ist so schön, wieder zurück zu sein.“ Er wünscht den Besuchern Menschen, die zu ihnen stehen, bei denen sie sich offenbaren können. Darüber hätten sie ein Lied geschrieben: „Wächter“.
Die Sportfreunde Stiller spielen auch „Wie lange sollen wir noch warten“, „7 Tage, 7 Nächte“ und „1. Wahl“. Letzteres Lied geht auf einmal über den Hit „I want it that way“ der Backstreet Boys. „You are my fire, the one desire“, singen die Sportfreunde. Sie klingen etwas schief, aber das scheint sowohl ihnen als auch den Besuchern egal zu sein.
Die Menge tanzt, springt, singt. „Dass das unser größter Hit ist, erstaunt mich nicht“, sagt der Schlagzeuger. Und schiebt nach: „Wir haben uns einen Übergang ausgedacht, den haben wir verhunzt, jetzt mal alle weghören.“ Brugger flüstert, so gut es geht: „Auf welchem Ton?“ Weber: „G, ok, wieder zuhören.“ Dann spielen sie „Ein Kompliment“. Die Menge singt den Refrain allein. Es folgt „Wunderbaren Jahren“. Das Lied hat die Gruppe Brugger zufolge schon auf ihrem ersten Konzert vorgeführt – im Februar 1992 im Jugendzentrum Germering. „Das Konzert war ziemlich scheiße, aber wir hatten ziemlich viel Spaß und viele Träume. Wer hätte gedacht, was daraus wird“, sagt der Sänger.
Gegen Ende des Konzerts haben die Sportfreunde noch eine Überraschung für das Publikum. Im Hintergrund tauchen Streicher mit Geigen und Kontrabass auf. Mit den Sportfreunden spielen sie „Ich war noch niemals in New York“. Eine Frau namens Wendy spielt das Keyboard, anmutig und ruhig.
Nun tauschen Brugger und Weber. Der Sänger spielt Schlagzeug und der Schlagzeuger singt: „Es muss was Wunderbares sein (von mir geliebt zu werden)“. Es ist eher ein Sprechgesang. Weber springt über die Bühne, streckt die Hände in die Höhe – es ist sein großer Moment.
Dann wird es ruhiger. Zu „Siehst du das genauso?“ schwingen die Menschen im Publikum ihre Handys, den Blitz eingeschaltet. Das Konzert scheint zu Ende, die Musiker gehen von der Bühne. Die Menge grölt „Zugabe“. Die Sportfreunde kommen nach rund drei Minuten zurück.
„Wir spielen jetzt noch ein neues Lied“, sagt Rüdiger Linhof. Er spricht davon, dass die Menschen in Europa frei sind. „Wenn man wo in der Welt war, wo es diese Freiheit nicht gibt, weiß man das zu schätzen.“ Und er ergänzt: „Nazis fuck off, Demokratie lebe hoch, Pogo lebe ewig hoch.“ Sie singen „Du bist eine Bank“.
Stagediving
vom Feinsten
Und Peter Brugger wirft sich in die Menge. Unzählige Hände berühren ihn am Körper, er surft über die Köpfe der Zuschauer. Stagediving vom Feinsten. Brugger lässt sich runtersetzen, steht mitten in der Menge, tanzt mit den Besuchern. Zurück auf der Bühne sagt er: „Ich bräuchte bitte 1,7 Millionen klatschende Hände.“ Getaucht in rotes Blitzlicht spielen die Sportfreunde „Ich, Roque“, das übergeht in den Klassiker „Rock & Roll Queen“ von „The Subways“. Dann singt Peter Brugger plötzlich auf Spanisch. „Muchas gracias“, bedankt er sich. „Liebes Rosenheim, es war uns eine Freude und eine Ehre.”