Rosenheim – Michael Marco Fitzthum ist Frontsänger und Gründer der Wiener Band Wanda. Am Rande des Auftritts beim Rosenheimer Sommerfestival erzählt der 32-Jährige im OVB-Exklusiv-Interview von der magischen Verbindung mit dem Publikum, dem Gefühl von Verliebtsein und warum Wanda fast zerfallen wäre.
Herr Fitzthum, Sie sind mit Wanda aktuell auf Tour mit zahlreichen Konzerten. Sind Sie vor einem Auftritt noch nervös? Was machen Sie kurz vor der Show?
Eigentlich sitze ich vor einem Auftritt seit Jahren nur rum und wundere mich darüber, dass das alles überhaupt passiert. Auch nach so langer Zeit komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es ist immer ein Kribbeln, ein Gefühl, wie verliebt zu sein oder als würde man in einer Achterbahn sitzen. Es knistert im Brustkorb.
Wie lange spüren Sie das Knistern?
Das geht bis zum Auftritt nicht weg. Erst wenn wir spielen, ist alles beruhigt. Das ist der entspannende Teil. Alles davor ist einerseits sehr nervenaufreibend, streckenweise aber auch extrem langweilig.
Wanda war 2018 schon einmal beim Rosenheimer Sommerfestival. An was könnt ihr euch erinnern?
Wir haben als Band erst vor Kurzem darüber gesprochen. Damals hatten wir ein Vorprogramm der britischen Punkband „Shame”. Die sind jetzt weltweit unterwegs. Mit denen hatten wir eine lustige Zeit hinter der Bühne. Aber auch unser Auftritt war großartig – es war eine geile Stimmung. Deshalb haben wir uns auch schon wochenlang auf den Auftritt in Rosenheim gefreut.
Was erwartet ihr von euren Auftritten?
Mir ist es eigentlich völlig egal, wo wir sind. Hauptsache es passiert eine magische Verbindung zwischen Band und Publikum. Es kommen ganz viele Menschen, die auf der Suche nach einem bestimmten Gefühl sind und das wird gemeinsam verfeinert. Dann geschieht etwas, was man jenseits der Worte suchen muss – es passiert Amore. Ich selbst erwarte aber nichts. Ich bin immer bemüht, eine Verbindung anzubieten. Das Publikum muss dann zugreifen.
Gelingt das immer?
Bisher ja, wir haben scheinbar eine lange Glückssträhne.
Sie haben einmal gesagt, in Deutschland sei die Band nur Gast. Ihr könnt machen, was ihr wollt, und verschwindet dann wieder über die Grenze. Ist das immer noch so?
Ein bisschen habe ich dieses Freiheitsgefühl immer noch, ja. Aber eigentlich sind wir große Fans von Deutschland. Das Land ist spannend, aufgrund der Zerrissenheit und der politischen Aufgeladenheit. Hier sind die Emotionen über Politik und Gesellschaft sehr stark. Die Frage, in welche Zukunft wir gehen, entscheidet sich hier. Zumindest glauben die Deutschen, sie hätten die Verantwortung, diese Frage zu klären.
Und ihr haltet euch als österreichische Band aus dieser Zukunftsfrage raus?
Wir bemühen uns, unpolitisch zu sein. Wir halten humanistische Werte hoch, sind antisexistisch, antihomophob, antirassistisch. Aber als politische Band sehen wir uns nicht.
Wanda wird in verschiedenen Medien als Indie-, aber auch als Pop- oder Rockband bezeichnet. Wie seht ihr euch selbst?
Als „Indie-,Pop-,Rockband“. Aber wir sind vor allem das, was die Leute in uns sehen. Das müssen wir als Projektionsfläche zur Kenntnis nehmen. Ich glaube, ein Genre spielt ohnehin keine Rolle mehr. Selbst Rapper machen jetzt Musik, die man so nicht mehr definieren kann. Da werden Grenzen gesprengt. Im Studio kämpfen wir gegen Genres an. Live sind wir aber eine Rockband im klassischen Sinne.
Ihr habt in den vergangenen zehn Jahren zu fünft Höhen und Tiefen erlebt. Vergangenes Jahr ist Gründungsmitglied und Keyboarder Christian Hummer gestorben. Wie geht ihr damit um?
Wir waren aus der Not heraus sehr achtsam. In den letzten Monaten war uns klar: Wenn wir jetzt nicht näher zusammenrücken als je zuvor, wird das Ding zerfallen. Das ist unser Leben, und das zu akzeptieren war auch ein Prozess. Die Musik ist das, was wir machen und immer machen werden. Was alles zusammengehalten hat, waren unsere Freundschaft und der Respekt vor den Gefühlen voneinander.
Wie fühlt sich die erste Tournee ohne Christian Hummer an?
Es ist gespenstisch. Er ist immer irgendwie da. Vieles von ihm lebt in der Gruppe weiter. Von seinem Humor hat sich viel bei Manu (Gitarrist Manuel Christoph Poppe) und Ray (Bassist Reinhold Weber) manifestiert. Die Melodien, die er geschrieben hat, sind unsterblich. Er bleibt in der Musik.
Inwieweit ist er in Ihnen manifestiert?
Er kommentiert meinen Humor. Wenn der auffällig schwach ist, dann höre ich seine Stimme sagen, dass das ein Scheiß-Witz war und dass ich mich mehr anstrengen soll.
Wandas aktuelles Album handelt unter anderem vom Erwachsenwerden. Wie seid ihr in den vergangenen zehn Jahren gealtert?
Wir werden langsamer erwachsen als normale junge Männer. Wenn man jahrelang auf Tour ist, steht die Zeit ein wenig still. Manchmal müssen wir aber auch schnelle Entscheidungen für unsere Zukunft treffen.
Wie sieht diese Zukunft aus?
Wir wollen nach wie vor alles. Wir wollen die größte deutschsprachige Band aller Zeiten werden und arbeiten an diesem Mythos. Nur die Zeit wird zeigen, ob wir scheitern oder Erfolg haben werden.
Wann sehen wir euch auf dem Weg zum Mythos wieder? Muss Rosenheim wieder fünf Jahre warten?
Wir kommen früher zurück. Wir nehmen voraussichtlich für kommendes Jahr eine Platte auf und gehen danach wieder auf Deutschland-Tour.
Interview: Korbinian Sautter