Der Darm – das unterschätzte Organ

von Redaktion

Interview Professor Dr. Kai Nowak über die Wichtigkeit der Vorsorge

Rosenheim – Er verwandelt Nahrung in Energie, ohne ihn geht nichts: Der Darm ist dennoch das wohl am meisten unterschätzte Organ des Menschen. Doch in nur wenigen Regionen des Körpers kann man mit Vorsorgen so viel erreichen wie dort. Was man zum Beispiel beim Grillen beachten sollte und was man auf keinen Fall vergessen sollte, erklärt Romed-Experte Professor Dr. Kai Nowak, der als Chirurg einem vielseitig besetzten Team angehört, dessen Spezialisten eng zusammenarbeiten. Nowak ist Leiter des Darm-Zentrums in Rosenheim und Chefarzt der dortigen Chirurgie.

Über Ihr Fachgebiet gab es schon mal einen Bestseller. „Darm mit Charme“. Können Sie als Fachmann mit so etwas leben, oder ist Ihnen so etwas zu trivial?

Professor Dr. Kai Nowak: Mit so etwas kann ich auf jeden Fall leben. Gut recherchiert, gut geschrieben, das Buch konnte fast jeden ansprechen. Und zuvor hatte sich für den Darm doch niemand so richtig interessiert.

Ein unterschätztes Organ. Im Gegensatz zum Gehirn.

Ohne Darm kein Hirn. Ohne Hirn auch kein Darm, aber letztendlich nimmt und verwertet der Darm unsere Nahrung. Die Nährstoffe werden resorbiert und der Leber zugeführt und in der Leber dann verstoffwechselt und als Energie zur Verfügung gestellt. Das ist ein großes Wunder. Der Darm steht mit dem Gehirn in einem wechselseitigen Austausch. Gerät dieser Austausch aus dem Takt, etwa durch Stress, so kann dies physiologische Prozesse beeinflussen. Es gibt verschiedene Erkrankungen – gutartige, etwa die Nahrungsmittelunverträglichkeit, aber auch bösartige, mit denen wir uns im Darmkrebszentrum beschäftigen.

Wie äußert sich das, wenn der Darm nicht richtig funktioniert?

Zunächst am meisten mit Bauchschmerzen, die mit Durchfall, Verstopfung, Erbrechen oder Übelkeit einhergehen können.

Wann muss ich mir noch Sorgen machen?

Typische Symptome etwa für Darmkrebs sind Blutbeimengungen im Stuhl. Die können natürlich auch von Hämorrhoiden stammen. Die Symptome können aber auch ganz unspezifisch sein, etwa Gewichtsverlust oder schleichender Blutverlust, sodass man eine Blutarmut entwickelt, eine Anämie. Auch damit kommen Patienten zum Arzt. Aber Darmkrebs hat Vorstufen, die sogenannten Polypen. Damit man so etwas rechtzeitig entdeckt, ist Vorsorge so wichtig.

Ab welchem Alter sollte man denn zur Vorsorge gehen?

Ab dem 50. Lebensjahr wird die Koloskopie, die Darmspiegelung, empfohlen. Menschen mit höherem Risiko, etwa als erstgradige Verwandte von Darmkrebspatienten, sollten das durchaus schon früher machen.

Kann man da einfach bei Ihnen reinschneien, oder was sollte man dabei beachten?

Lassen Sie sich vom Hausarzt beraten. Der Hausarzt hat die Kontakte und kann empfehlen, wo er Sie hinschickt. Es gibt niedergelassene Gastroenterologen und internistische Fachärzte, die Darmspiegelungen anbieten. Dazu muss man also nicht ins Krankenhaus. Mit Wartezeiten ist in jedem Fall zu rechnen, man sollte das also nicht unnötig auf die lange Bank schieben. Die Untersuchung selbst ist unproblematisch und nicht sehr zeitaufwendig, man muss allerdings zwölf bis 24 Stunden vorher eine Darmspülung machen.

Was, wenn sich bei der Darmspiegelung etwas zeigt?

Sprechen wir erst mal von einem guten Ergebnis. Wenn die Darmspieglung nichts oder nur unkomplizierte Polypen ergibt, dann benötigt der Mensch zehn Jahre lang keine Darmspiegelung mehr. Es kann aber auch sein, dass man eine der Vorstufen feststellt, Polypen oder frühe Tumore, manchmal schon auf der Schwelle zur Bösartigkeit. Die werden dann meist im Rahmen der Darmspiegelung entfernt. In den allermeisten Fällen kann dies ambulant erfolgen. Wenn man tatsächlich Darmkrebs hat, dann schickt einen der Endoskopiker hier ans Darmzentrum. Diese Patienten werden speziell befragt, auch nach der Familienhistorie. Es werden weitere Untersuchungen gemacht, um zu schauen, ob der Krebs schon gestreut hat. Der Fall wird mit allen Spezialisten im Tumor-Board besprochen. Dann erst werden die Patienten operiert. Die Chance auf Heilung hat sich durch die Fortschritte in Diagnostik und Therapie in den letzten Jahren immer weiter erhöht.

Über welche Fortschritte freuen Sie sich besonders?

Es gibt enorme Fortschritte, einfach dadurch, dass wir die Vorstufen der Karzinome durch die Koloskopie häufiger und früher erkennen. Da müssen wir oft gar nicht operieren. Das ist das Optimum. Deswegen nochmals mein dringender Rat: Gehen Sie zur Vorsorgeuntersuchung! Es gibt aber auch noch weitere technische Entwicklungen. Unsere Pathologen können heute sehr genau die Biologie des Tumors bestimmen und wir können so zielgerichteter therapieren. Bei Operationen haben wir mehr High-Tech, um zielgenau und schonend zu operieren.

Können Sie dazu auch Zahlen nennen?

Hier am Zentrum in Rosenheim werden mehr als 80 Prozent der Patienten minimalinvasiv operiert. Im Vergleich sind dies in Deutschland sonst 40 Prozent der Operationen. Oftmals kann man heute durch moderne Techniken auch den künstlichen Darmausgang verhindern. Wenn man Tumore am Enddarm entfernt und den Darm wieder zusammennäht, dann gibt es das Risiko, dass die Naht nicht abheilt. Patienten bekommen in dieser Situation regelmäßig ein protektives Stoma, also einen Darmausgang. Das haben Patienten sechs bis acht Wochen. Das ist – nicht nur wegen der langen Zeit – manchmal auch problematisch. Wir hatten das Glück, kürzlich eine neue Technik anzuwenden: einen neuen Katheter, der den Darmausgang ersetzt. Der wird minimalinvasiv in den Darm eingenäht. Wir haben kürzlich, als Erste in Deutschland, den ersten Patienten damit behandelt, und das hat gut funktioniert. Der Patient ist glücklich – und damit sind wir es auch.

Wie halte ich meinen Darm gesund?

Das Wichtigste ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung, ballaststoffreich, das heißt: möglichst viel Gemüse. Übergewicht ist nicht gut, regelmäßige körperliche Bewegung und Sport hingegen sehr gut. Für den Darmkrebs sind oft verschiedene Risikofaktoren wie das Rauchen, aber vor allem auch dunkles, gegrilltes Fleisch mitverantwortlich. Ich mag das gegrillte Steak auch gern, aber deswegen war ich auch schon bei meiner Vorsorgeuntersuchung.

Und wie sieht es mit den Getränken zum Grillen aus?

Zu viele alkoholische Getränke, vor allem scharfen Alkohol, sollte man meiden. Es ist wie immer eine Frage des Maßes: Die Dosis macht das Gift.

Interview: Michael Weiser

Anruf-Aktion von Romed zum Thema Krebs:

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