Rosenheim – Die DGB Region Oberbayern hatte zum Sommer-Mediengespräch in Rosenheim eingeladen. DGB Regionsgeschäftsführer von Oberbayern, Günter Zellner, Bezirksgeschäftsführer von ver.di Rosenheim Robert Metzger, stellvertretende Regionalleiterin der IG Bauen-Agrar-Umwelt (BAU) Heike Stoffels, Dr. Stefan Plenk von der IG Bergbau-Chemie-Energie (BCE) München sowie die katholischen Betriebsseelsorger Alexander Kirnberger und Michael Kafka berichteten über die aktuellen Entwicklungen in Stadt und Landkreis Rosenheim aus Sicht der Gewerkschaften. Ein Schwerpunkt für den DGB Oberbayern ist in diesem Jahr der bayerischen Landtagswahl, auf die Tariftreue bei der Vergabe von staatlichen Aufträgen aufmerksam zu machen.
„Wenn der Staat Aufträge vergibt oder Wirtschaftsförderung betreibt, muss sichergestellt sein, dass den Zuschlag einheimische Firmen bekommen, die ihre Mitarbeiter nach Tarif entlohnen“, so Zellner. Deshalb fordere der DGB die Bayerische Staatsregierung auf, ein Faire-Löhne-Gesetz auf den Weg zu bringen, das Tariflöhne bei öffentlichen Vergaben festschreibt. Für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di waren laut Metzger im ersten Halbjahr Tarifverhandlungen, darunter zwei große bei Post und Öffentlichem Dienst in den Kommunen, beherrschende Themen. Zentraler Punkt der Forderungen war die Berücksichtigung der unteren Einkommen, da diese am meisten unter den Preissteigerungen leiden. Bisher abgeschlossene überregionale Tarifverträge konnten mit einer hohen einstelligen Prozentzahl und zweistelligen Prozentzahlen zwischen elf und 16 Prozent erfolgreich beendet werden. Laut Metzger wurden 550 neue Mitglieder im Bezirk Rosenheim verzeichnet. Für den zweiten Tarifbereich, den Öffentlichen Dienst der Bundesländer, seien erste Gespräche für Donnerstag, 26. Oktober, vereinbart. Metzger wolle im Notfall mit Warnstreiks ein Ergebnis erzwingen.
„Unsere Industriebranchen, insbesondere die Chemie, Papier- und Kunststoffindustrie leiden besonders unter den hohen Energiepreisen, fehlendem Infrastrukturausbau, schwachen Lieferketten und einem Reformstau in Deutschland“, sagte Plenk. Viele Unternehmen seien unter Druck. Im Papierbereich gebe es bereits Entlassungen und mögliche Stilllegungen. Neben den IGBCE Tarifverträgen und der Mitbestimmung brauche es eine nachhaltige Industriepolitik auf bayerischer und bundesdeutscher Ebene. Sonst drohe eine zunehmende Deindustrialisierung. Plenk: „Trotz oder gerade wegen der großen Herausforderungen ist in unseren IGBCE Branchen die Attraktivität von Tarifverträgen ungebrochen. In mehreren Unternehmen in der Region, insbesondere im Chemie-, Pharma-, und Laborbereich sind wir gerade dabei, Tarifbindung herzustellen.“
Laut Stoffels sei der Rückgang der Baugenehmigungen im Wohnungsbau auch bei Unternehmen in der Baubranche und den Zulieferern zu spüren. Die Auftragsbücher seien gefüllt, aber es gebe Bauherren, die von ihren Bauvorhaben zurücktreten und auf eine Förderung der Bundesregierung warten. „Motor im Bau ist und bleibt die Infrastruktur. Straßen, Brücken und so weiter müssen erneuert werden“, so Stoffels. Positiv sei, dass Fach- und Arbeitskräfte gesucht würden. Die bayerischen Tarifverhandlungen der Industriegewerkschaft BAU im Bereich Steine-Erden wurden erfolgreich geführt. Stoffels sprach von einer Erhöhung von 9,5 Prozent und 2000 Euro Inflationsausgleich auf 24 Monate.
Kirnberger und Kafka berichteten von der jüngsten Diskussionsveranstaltung des Sozialforums Rosenheim und der Betriebsseelsorge. Der Vortrag des Politikwissenschaftlers und Armutsforschers Professor Butterwegge beschäftigte sich mit der Frage: Wie bleibt das Leben angesichts vielfacher Herausforderungen wie Pandemie und Preisexplosion für alle Menschen bezahlbar? Um die wachsende Ungleichheit in Kaufkraft und Teilhabe zwischen Reich und Arm zu überwinden, schlug er vor, die gesellschaftlichen Lasten durch eine Besteuerung großer Einkommen und die Einführung einer Bürgerversicherung gerechter zu verteilen.